Erläuterungen zur Neustrukturierung der Katholischen Militärseelsorge

Ansprache von Militärdekan Msgr. Michael Weihmayer

Verlegung der Dienststelle des Katholischen Leitenden Militärdekans von Mainz nach Koblenz am 27.02.2002

Militärdekan Michael Weihmayer, Militärdekan Carl Ursprung, Kardinal Karl Lehmann, Generalmajor Axel Bürgener (v.r.)
Der katholische Militärbischof Dr. Walter Mixa war gerade einen Monat im Amt, als sein evangelischer Amtsbruder und er vom Bundesminister der Verteidigung Rudolf Scharping über die anstehende Neuausrichtung der Bundeswehr von Grund auf offiziell in Kenntnis gesetzt wurden. Die Neuausrichtung werde zu tiefgreifenden Änderungen führen und lasse Anpassungsbedarf für die Militärseelsorge erwarten. Damit stellte sich die Frage: Was bedeutet diese Neuausrichtung der Bundeswehr von Grund auf für die Militärseelsorge?

Der Wandel der Bundeswehr von einer Verteidigungs- zu einer Einsatzarmee - ich darf jetzt etwas griffig formulieren - heißt: Es gibt für diese Armee nicht mehr die aufeinander folgenden und sauber voneinander trennbaren Aggregatszustände von Frieden und Verteidigungsfall, also Krieg, sondern eine Gleichzeitigkeit von Frieden und Einsatz, der auch Kampfeinsatz sein kann. Diese Gleichzeitigkeit, die nicht als paralleles Nebeneinander sondern als wechselseitig sich beeinflussendes Ineinander verläuft, und auch so erlebt wird, prägt die Bundeswehr heute.

Daraus ergeben sich Folgen für die Militärseelsorge:

In den Aufgaben der Katholischen Militärseelsorge haben wir drei Schwerpunkte definiert:
1. Die seelsorgliche Begleitung der Auslandseinsätze - zur Zeit sind 8 Katholische Militärgeistliche in der Einsatzbegleitung.
2. Die Seelsorge an den Familien der Soldaten und Soldatinnen - das ist nicht ad hoc machbar, sondern braucht großflächige und dauerhafte Vernetzungen.
3. Lebenskundliche Unterrichte und Arbeitsgemeinschaften - konzentriert an Schulen und situationsorientiert besonders in der Einsatzvor- und -nachbereitung

Für jeden dieser Schwerpunkte sind eigene Konzeptionen im Entstehen, in denen wir unsere Erfahrungen aufgreifen und weiterentwickeln.

Die Neuausrichtung der Bundeswehr hat auch Folgen für die Struktur der Militärseelsorge: Galt in der "alten Bundeswehr" für die Militärseelsorge der Grundsatz: im Frieden territorial organisiert - im V-Fall nehmen wir eine Truppengliederung ein, muss die dahinterstehende Grundüberlegung der Unabhängigkeit in der Struktur und der Nähe zur Truppen für die Einsatzarmee neu übersetzt werden. Das gilt besonders für die Ebenen, auf denen die Seelsorge vor, während und nach eines Auslandseinsatzes koordiniert und geleitet wird. Die alte Form der Mittelebene, die Wehrbereichsdekane, konnte deshalb gerade aus inhaltlichen Gründen so nicht einfach weitergeführt werden. Ziel ist, die Unabhängigkeit der Territorialgliederung einerseits und die Nähe zur Truppe, die die Truppengliederung ermöglicht, andererseits zu verbinden. Seelsorge muss wissen, was in der Truppe los ist, und sie muss es an den richtigen Stellen wissen. Deshalb haben wir für die Dienstaufsichtführenden Militärgeistlichen und deren Stellvertreter eine neue Zuordnungskonzeption erarbeitet. Diese sieht nicht primär den einzelnen Dekan, sondern nimmt die Mittelebene als Ganzes in den Blick. Von ihr werden die Zuordnungen zu den Führungskommandos und den Divisionen von Heer und Luftwaffe wegen der Truppennähe sowie zu den Wehrbereichskommandos wegen der territorialen Zuständigkeit wahrgenommen. Zudem bleibt die territoriale Umschreibung der Verantwortungsbereiche erhalten und ist somit mit den neuen Wehrbereichen kompatibel.

Bei der Neustruktur gelten folgende Eckpunkte:
· Die Aufgaben der dienstaufsichtführenden Militärgeistlichen (Dienstaufsicht, Wahrnehmung von Zuordnungen, Kontakt zu Diözesen und Ordensgemeinschaften, vom Kirchenrecht vorgegebene Pflichten eines Dekans) bestimmen deren Zahl.
· Die Dienstaufsichtsbereiche müssen mit den neuen Wehrbereichen kompatibel sein.
· Die Zuordnungsdienststellen bestimmen den Dienstsitz.

Die Zusammenarbeit mit dem neu errichteten Einsatzführungskommando in Potsdam wird von den Kirchenämtern wahrgenommen. Der Beauftragte des Katholischen Militärbischofsamtes übernimmt auch die Dienstaufsicht über die Militärgeistlichen in der Einsatzbegleitung.

Erste Erfahrungen bei der laufenden Beteiligung der Bundeswehr an der Operation "Enduring Freedom" bestätigen diese Konzeption.

Die Neubezeichnung "Leitender Militärdekan" ist nicht nur eine Umetikettierung des ehemaligen Wehrbereichsdekans. Die Seelsorge in der Einsatzarmee hat das Aufgabenspektrum erweitert; die Leitenden Militärdekane sind wesentlich mehr in die Gesamtverantwortung eingebunden. Da die Zuständigkeitsbereiche der Leitenden Militärdekane und die ihrer Zuordnungsdienststellen nicht mehr kongruent sind erzwingt die neue Zuordnungskonzeption enge Kommunikation und Informationsaustausch unter den Leitenden Militärdekanen sowie mit dem Katholischen Militärbischofsamt um die gestellten Aufgaben erfüllen zu können, vor allem in der Koordination der Seelsorge bei der Einsatzvor- und Nachbereitung, sowie der Heimatseelsorge an den Familien während des Einsatzes.

Neben den Veränderungen in der Bundeswehr gilt es auch kirchliche Entwicklungen zu berücksichtigen. Die Katholische Militärseelsorge hat sich immer als Teil der Gesamtseelsorge verstanden. Die enge Einbindung der Militärseelsorge in das Gesamt der Kirche, personifiziert gleichsam im nebenamtlichen Militärbischof und den Militärgeistlichen und Pastoralreferenten auf Zeit, ist einerseits der Lebensnerv der Militärseelsorge und fordert andererseits, dass Entwicklungen der Ortskirche auch in der Kirche unter den Soldaten den entsprechenden Ausdruck finden und zwar um der Identität der Katholischen Militärseelsorge wegen.

Die Grundstruktur der Militärseelsorge auf Ortsebene (Standortpfarrer) stammt in der Besetzung Pfarrer und Pfarrhelfer aus den 50er Jahren, sie ist also vorkonziliar. Die Entfaltung der pastoralen Dienste in der deutschen Kirche, die das II. Vatikanische Konzil ausgelöst hat, muss sich in der Militärseelsorge wiederfinden. Es geht hier, das haben wir manchmal auch lernen müssen, nicht um ein Vertuschen von Priestermangel, sondern um unser katholisches Selbstverständnis. Was wir haben lernen dürfen, ist die Bereicherung durch die pastoralen Laiendienste und die Möglichkeit speziellere Seelsorgsangebote machen zu können.

Beides brauchen wir in der Militärseelsorge: Die Bereicherung z.B. durch Frauen in der Seelsorge, durch zusätzliche Erfahrungen und Qualifikationen, die Laien im pastoralen Dienst mitbringen, und dadurch die Möglichkeiten speziellere Seelsorgsangebote machen zu können für Soldatinnen und Soldaten, in den Lebenskundlichen Unterrichten, für Familienangehörige.

Das braucht auch strukturelle Rahmenbedingungen. Die Bildung von Seelsorgeteams, in denen Priester und Laien zusammenarbeiten, ist in den Ortskirchen schon weit fortgeschritten. Auch in der Militärseelsorge werden wir Formen kooperativer Pastoral einführen. Die Erfahrungen lehren, dass dieser Prozess kein einfacher wird. Kooperation ist aber für die Militärseelsorge keine rein innere Angelegenheit. Die intensivere Einbindung über die Zuordnungen habe ich versucht darzustellen. Gerade die Seelsorge an den Familien macht die Zusammenarbeit mit kirchlichen Einrichtungen der Diözesen und auch von Ordensgemeinschaften einerseits und mit den entsprechenden Stellen der Bundeswehr wie Familienbetreuungszentren, Sozialdienst u.ä. andererseits notwendig.

Der Katholische Leitende Militärdekan Koblenz verlegt von Mainz nach Koblenz. Er wird dort die Zuordnungen zum Heeres- und Sanitätsführungskommando verstärkt wahrnehmen. Die Zuordnung zum WBK hier in Mainz wird er behalten, bis wir die endgültige Struktur einnehmen können. Die Überlegungen, die hinter dieser Maßnahme stehen, habe ich versucht zu erläutern. Wir können diese Verlegung sozial verträglich umsetzen. Das ist nicht selbstverständlich. Dafür möchte ich den Beteiligten herzlich danken. Dem Leitenden Militärdekan und seinen Leuten wünsche für diesen Übergang Gottes Segen und Gottes Geleit. Ihnen allen danke ich für die Aufmerksamkeit.

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