Einführung von Militärdekan Hartmut Gremler als Katholischer Leitender Militärdekan Erfurt durch Militärbischof Walter Mixa

Predigt von Militärbischof Dr. Walter Mixa

am 24. April 2002 in St. Severi, Erfurt

Militärbischof Mixa und Militärdekan Gremler im Gottesdienst in der St. Severi-Kirche in Erfurt
Lieber Herr Militärgeneralvikar,
lieber neuer Leitender Dekan Gremler,
liebe Mitbrüder im priesterlichen Dienst,
liebe gottesdienstliche Gemeinde!

Militärseelsorge im Osten und im Westen! Für mich als Militärbischof gibt es da die unterschiedlichsten Erfahrungen. Eine Erfahrung möchte ich Ihnen mitteilen, die ich so schnell nicht vergessen werde. Es war am Montag vor dem Heiligen Abend, Ende Dezember des vergangenen Jahres. Ich war eingeladen zum Standort Mayen, westlich von Koblenz, um 34 jungen Männern, alles Soldaten, das Sakrament der Firmung zu spenden. Unter den 34 Soldaten war einer, der durch die Taufe um die Aufnahme in die katholische Kirche gebeten hat. In der Kirche war eine ganz dichte menschliche und geistliche Atmosphäre. Eines hat mich besonders beeindruckt: der junge Soldat, 23 Jahre alt, der um die Taufe gebeten hat, hatte als Ersatz für das Taufkleid einen weißen Schal um die Schultern gelegt bekommen. Der weiße Schal sollte zum Ausdruck bringen: ich bin nicht mehr der, der ich vorher war, sondern ich trage dies als Zeichen für den gekreuzigten Menschen und für den auferstandenen Jesus Christus. Wir feierten die Messe, und bei der Kommunionausteilung, als ich im Zeichen des Brotes den Leib Christi zeigte, sagte ich, ähnlich wie im heutigen Evangelium, das wir durch den Diakon gehört haben: "Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, lebt nicht in der Finsternis!" Auf dieses Wort hin sagt einer der Firmlinge: "Das ist aber cool." Offenbar hat er das Wort noch nie gehört, sonst hätte er nicht so darauf reagiert. Nach dem Gottesdienst waren wir dann in einer gemütlichen Runde zusammen, und was mich hier noch einmal beeindruckt hat: Der getaufte Firmling hat auch bei der weltlichen Feier seinen weißen Schal um die Schultern getragen. Er hat sich dafür nicht geschämt. Er trug ihn über seiner Uniform. Das Gespräch mit ihm war menschlich sehr tief und von einem gläubigen Bekenntnis gekennzeichnet. Er erzählte mir, dass er sich lange und wohl überlegt auf diesen Tag vorbereitet habe, und dass er gerne Christ geworden sei in der Gemeinschaft der weltweiten katholischen Kirche.

Damit ist, meine liebe gottesdienstliche Gemeinschaft, etwas ganz wesentliches ausgesagt. Wenn ich vorhin vom Plus der Militärseelsorge gesprochen habe, dann möchte ich mit diesem Plus sowohl in unserem westlichen als auch in den östlichen Bundesländern einfach einige Erfahrungen umschreiben, mit dem Bekenntnis, das Jesus Christus selber von sich sagt. Die persönliche Gestalt Jesu Christi ist ja nicht irgend eine religiöse Märchenfigur. Jesus Christus ist allgemein als historische Gestalt anerkannt mit einer herausragenden Botschaft, die am Ende des Lebens eine Katastrophe durchmachen musste, in diesem grausamen Leiden und Sterben am Kreuz. Daraus ergibt sich die Frage: Ist das alles oder ergibt sich daraus nicht noch mehr? Und zwar so ein mehr, ein solches Plus, das es heute noch als Zeichen des positiven Lebens hineingetragen werden kann in unsere Gesellschaft, aber auch in unsere ganz persönliche Lebenserfahrung. Jesus sagt uns im Evangelium: "Ich bin das Licht, das in die Welt kommt. Wer glaubt, lebt nicht mehr in der Finsternis". Es ist wahr, und gerade unsere Soldaten und deren Familien und Angehörigen ist klar, dass es in unserer Bundeswehr eine radikale Veränderung gegeben hat.

Die Bundeswehr ist nicht mehr nur eine Gewähr, um Angreifer von außen abzuwehren und unsere freiheitliche Demokratie zu schützen, sondern unsere Bundeswehr ist eine Einsatzarmee geworden. Eine Einsatzarmee - um mit biblischen Worten zu sprechen - um den Mächten der Finsternis entgegen zu treten. Ich muss ihnen gestehen, dass mich die Berichterstattung über die kriegerischen Auseinandersetzungen im Nahen Osten zwischen Israel und den Palästinensern, die Israelis mit bestausgestatteten Waffen auf der einen Seite und die Palästinenser mit ihren Bombenattentaten auf der anderen Seite, tief betroffen gemacht hat. Nicht nur, dass Menschen sich gegenseitig das Leben schwer machen, sondern, dass sie sich bis auf den Tod hin bedrohen, in einer kriegerischen, hasserfüllten Auseinandersetzung. Von dem österlichen Licht unseres auferstandenen Herrn ist in Jerusalem scheinbar gar nichts mehr zu spüren. Ich steh davor hilflos wie ein Kind. Erst kürzlich habe ich mit meiner Diözese das Heilige Land besucht auf den Spuren Jesu. Wir, die wir so kundig sind in Naturwissenschaften, in der Technik und in der Wirtschaft, warum sind wir nicht fähig diesen furchtbaren Krieg im Nahen Osten einigermaßen zu befrieden oder in den Griff zu bekommen? Dann die Finsternisse auf den Gebieten im Balkan, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Mazedonien und jüngst in Afghanistan, wo unsere Truppe, unsere Soldaten wirklich bemüht sind einen Friedensdienst auszurichten, und zwar ganz stark in Verbindung mit humanitären Hilfestellungen. Das alles fordert von uns höchste Anerkennung und höchsten Respekt. Finsternisse in unserer Welt! Finsternisse auch in den persönlichen Lebenserfahrungen.

Gerade unsere Soldaten im Auslandseinsatz kommen ja immer wieder zu unseren Militärpfarrern. Sie kommen nicht zuerst mit einer Frage nach dem "lieben Gott", sondern sie kommen zuerst mit der Frage, wie wird es sein mit meiner Beziehung? Wird meine Freundin, wenn ich nach Hause komme, noch zu mir stehen? Werde ich mit meiner jungverheirateten Frau, mit der ich ein Kind habe, die innere Verbundenheit weiter leben können? Inwieweit wird meine Familie durch den Auslandseinsatz anders? Inwieweit verändere ich mich als Soldat durch diesen Auslandseinsatz? Sorgen, die die jungen Männer nach außen hin vielleicht gar nicht so zum Ausdruck bringen, aber im vertrauten, engsten, kleinsten Gespräch ihren Gesprächspartnern, und das sind in den meisten Fällen die Militärseelsorger der evangelischen wie der katholischen Kirche, anvertrauen. Und dann in unserem eigenen Land, in unserer Bundesrepublik.

Ich sehe es persönlich so, dass das Ja für den Lebensschutz, das Ja für das ungeborene Leben und das Nein gegen Forschung mit schon vorhandenem gezeugtem Leben, ob es jetzt Präimplantationsdiagnostik oder ob es die Forschung mit embryonalen Stammzellen ist, dass das Ja für den Lebensschutz immer kleiner wird und das Nein gegen das individuelle wirklich existierende Leben immer größer wird. Bedrohtes Leben, Kultur des Todes scheint sich mehr und mehr anzubahnen! Dann nicht zuletzt auch unsere eigenen, persönlichen Ängste. Unsere Traurigkeit, auch unser mögliches berufliches Versagen. Auch die Enttäuschungen in den zwischenmenschlichen Beziehungen, auch die Finsternis von Krankheit, von Leid und Traurigkeit, dem Sterben im Leben eines jeden Menschen.

Das sind die vielen Wirklichkeiten eines jeden Lebens, die ich in keiner Weise fromm kaschieren möchte, sondern die ich ganz klar und eindeutig beim Namen nenne, weil sie einfach zu unserem Dasein, zu unserem Leben gehören. Ist es aber nicht darum um so tröstlicher, wenn hier einer auftritt und sagt: "Ich bin das Licht, das in die Welt gekommen ist. Wer an mich glaubt, der ist nicht mehr in der Finsternis." Das heißt, er ist nicht mehr in der Finsternis der Angst. Er ist nicht mehr in der Finsternis einer abgrundtiefen Traurigkeit. Er ist nicht mehr in der Finsternis eines ausweglosen Todes, sondern er ist im Licht. Und bei allem Respekt zu anderen Religionen und Kulturen müssen wir eines ganz klar und deutlich festhalten: Wenn sich die Muslime zu Allah bekennen, als den Schöpfer des Himmels und der Erde, als den Ursprung allen Lebens, dann können wir uns zusammen mit ihnen zu diesem Schöpfergott bekennen. Viele Naturwissenschaftler sagen, dass ohne diesen Schöpfergott das Universum und die Vielfalt des Lebens und die Naturgesetzlichkeit nicht zu erklären ist. Aber der Gott und Vater unseres Herren Jesus Christus ist nicht vergleichbar mit Allah: Gott ist in der Geschichte des Alten Bundes, des Volkes Israel und dann im Höhepunkt des Neuen Bundes aus seiner unsichtbaren Schöpferherrlichkeit, aus seiner Distanz zu dieser Welt, die er geschaffen hat, herausgetreten. In dem er den Menschen anspricht, angefangen mit Abraham, dann über Mose mit seinem Namen Jahwe: "Ich bin da, ich bin für dich da", und indem er dann in der Menschwerdung seines Sohnes sich radikal solidarisiert, d.h. sich radikal vermischt mit dem Dreck dieser Erde, mit dem Blut und mit den Tränen von uns Menschen, bis hin zu der Erfahrung von Grausamkeiten, bis hin zur Erfahrung einer Todesangst, bis hin zur Erfahrung von Hass und grausamen Leid in einem furchtbaren Sterben am Kreuz ist er uns Menschen nahe. Von welchem Menschen feiert man sonst den Tod? Haben wir das schon einmal bedacht? Von Jesus Christus feiern wir den Tod, weil es ein Tod ist, der nicht das Aus und Amen spricht am Ende eines Lebens, sondern weil es ein Tod ist, der getragen ist von einer ganz persönlichen Liebe, von einer ganz persönlichen Hingabe, nicht hingeschleift auf das Schandholz des Kreuzes, sondern mit dem vertrauensvollen gehorsamen Ja gegen Gott, aber auch mit dieser unbegrenzten Liebe zu uns Menschen: Ich bin bereit, ich bin bereit mich drein zu geben und durch dieses drein geben, durch diese reine und freiwillige Liebe diesen alten Teufelskreis: ´Wie du mir so ich dir, zu durchbrechen`.

Wir bekennen uns in dieser österlichen Festzeit dazu, dass Jesus Christus diese inneren Finsternisse unseres menschlichen Daseins, die immer noch da sind, dass diese vielen Finsternisse durch das Licht seiner Liebe und durch das Licht seines Lebens, eine Liebe, die stärker ist als alles Böse, als alle Gewalttätigkeit, die stärker ist als der Tod uns die Gewissheit gibt, dass nicht am Schluss der Hass, die Feindseeligkeit und das Böse und der Tod das Aus und Amen spricht, sondern das Leben begründet wird durch die unsterbliche Liebe Jesus Christus. Deshalb auch das großartige Wort im Evangelium: Ich bin nicht gekommen, die Menschen zu richten, die Welt zu richten, sondern ich bin gekommen, aufzurichten und zu retten, zu befreien von der Sünde, zu befreien vom Bösen, zu befreien von der Verfallenheit in den Tod. Das war dann auch die Motivation. Der Lektor hat es uns in der Lesung vorgetragen. Wie dann nicht nur ein Paulus, ein Barnabas und ein Johannes mit dem Beinamen Markus, sondern andere dann auch hinausgezogen sind in die ganze damalige zivilisierte Welt. Für mich fast immer noch unbegreiflich, ein Gekreuzigter ist ja bei den Juden ein Ärgernis gewesen: ´Verflucht der Gepfählte` und für die Gebildeten, für die Griechen, die Römer ein Zeichen des Greuels. Aber dann doch das Kreuz als Plus, als Plus für die Liebe und das Leben. So hat das Kreuz den Siegeszug angetreten, damals in die ganze zivilisierte Welt.

Ich will schließen mit einer Begebenheit von der Kommandeurstagung im Leipzig im vorletzten Jahr. Da kam ein pensionierter General auf mich zu und sagte zu mir: "Herr Bischof, ich bin Protestant. Ich muss ihnen etwas sagen. Ich habe den Eindruck, dass wir hier von unserer evangelischen Seite, ich weiß nicht wie das bei ihnen in der katholischen Kirche zutrifft, einen Fehler gemacht haben. Finden sie nicht auch, dass wir vielleicht nach der Wende zu sehr mit unserer christlichen Überzeugung, mit unserem christlichen Menschenbild zurückhaltend waren, dass wir zu wenig missionarisch aufgetreten sind?" Dann sagte ich ihm: "Herr General, ich traue mir jetzt nicht zu, hier ein umfassendes Urteil zu fällen. Aber ich gebe ihnen in einem Punkt vollkommen recht: Vom christlichen Menschenbild, von der Person Jesu Christi, dieses liebenden und lebendigen Menschen, vom Pluszeichen des Kreuzes her, haben wir wirklich ein Alternativprogramm für unsere heutige Gesellschaft anzubieten." Keiner wird Jemandem eine christliche Keule um den Kopf schlagen wollen, aber wir haben Möglichkeiten dieses Alternativprogramm, diese Befreiung vom Bösen und vom Tod, diese Hinführung zu einer Sinnerfüllung des Lebens, weil sich eben auch das Sterben lohnt in Jesus Christus, diese Botschaft weiter zu geben, damit Menschen positiver, bewusster, sinnerfüllter leben können. Und ich denke, das ist überhaupt unser großes Plus, unsere große Chance in der Militärseelsorge: Wir drängen niemanden unsere Überzeugung auf, das versteht sich rein menschlich und christlich von selbst, aber wir halten das christliche Menschenbild, die Person Jesu Christi, das Licht dieser Welt in alle Finsternis als Alternativprogramm anderen vor Augen und sagen: "Überleg einmal, ob nicht gerade dieser Gekreuzigte, dieser Auferstandene auch viel Licht hineintragen kann in deine Finsternis, dir Hoffnung geben kann, für das Leben und für das Sterben: "Ich bin nicht gekommen die Welt zu richten, sondern ich bin gekommen, Menschen zu retten." Amen.

Mittwoch, 24. April 2002 - Bilder vom Gottesdienst und dem anschließenden Empfang

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