Ökumenischer Gottesdienst zum feierlichen Gelöbnis am 20. Juli 2002 in der Julius-Leber-Kaserne, Berlin

"Du kannst, wenn Du willst!"

Predigt von Militärdekan Hartmut Gremler, Katholischer Leitender Militärdekan Erfurt

(Schrifttexte: Sir 15,15-20; Mt 5,24-27)

Berlin, 20.7.2002. „Du kannst, wenn du willst“, sagen wir manchmal. Eltern sagen das oft zu ihren Kindern, Lehrer sagen es zu ihren Schülern. Freunde sagen es zueinander. „Du kannst, wenn du willst“ oder auch: „Alles kann man, wen man will.“ Das stimmt doch auch, oder? -
„Du kannst dir das Rauchen abgewöhnen, wenn du es willst.“
„Du kannst vom Fünf-Meter-Brett springen, wenn du es willst.“
„Du kannst bessere Leistungen erzielen, wenn du es willst.“
Das erleben wir bei Sportlern in besonderer Weise, aber auch im eigenen Leben, wenn wir etwas als zu schwer empfinden und am liebsten aufgeben wollen. Wenn ich es wirklich will, wachse ich über mich selbst hinaus und schaffe es. In manchen Fällen kann jemand sogar eine schwere Krankheit überwinden und gesund werden, wenn er es wirklich will.

Wollen und Können hängen also sehr eng zusammen. Deswegen versuchen wir oft, einem Menschen den Willen zu stärken. Eltern wissen oft mehr über ein Kind als das Kind selber. Sie wissen und sind davon überzeugt, dass der Junge, das Mädchen dieses oder jenes könnte. Aber solange ich nicht will, kann ich das auch nicht. Da hilft es, wenn mich jemand anspornt: „Du kannst, wenn du willst!“

Und nicht selten kommen wir ins Staunen darüber, was gerade Kinder alles können, wenn sie wirklich wollen; ob im Sport, am Computer, in der Musik - manchmal auch in der Schule ... Was ist da plötzlich geschehen?

Entweder hat unser Vertrauen in seine Fähigkeiten, den andern gestärkt, und so will er auf einmal, was er sich bisher nicht zugetraut hat. Oder jemand hat für sich ein Ziel entdeckt, das so lohnend ist, dass er es unbedingt erreichen will. In beiden Fällen bewahrheitet sich, was wir schon vorher gewusst haben: „Du kannst, wenn du willst!“

So hat es schon der Lehrer im Alten Testament vor mehr als zweitausend Jahren gewusst. Der Lehrer Jesus Sirach, von dem wir in der Lesung gehört haben, sagt auch zu jedem seiner Schüler: „Du kannst, wenn du willst! Wenn du willst, dann kannst du das Gebot Gottes halten.“

Damit tut Jesus Sirach, was jeder gute Lehrer und Erzieher tun muss. Er nimmt die Angst vor der Überforderung. Er sagt, dass es nicht über die Kräfte und Fähigkeiten geht, nach Gottes Gebot zu leben. „Du kannst, wenn du willst!“

„Aber, was bringt’s?“ lautet dann die nächste Frage. „Was hab’ ich davon? Lohnt es sich wenigstens?“

Und er antwortet: „Ja, es lohnt sich. Du hast die Wahl zwischen Leben und Tod. Nach Gottes Gebot leben - das heißt das Leben wählen und zwar das Leben in seiner ganzen Fülle. Wenn du also leben willst in Glück, in Frieden, in Freiheit - dann halte Gottes Gebote. Du kannst das, wenn du willst.“

Ein schöner Text, finde ich, der leider nicht so geläufig ist wie die Bergpredigt. Ein Text, der Mut macht und der mich reizt, es auszuprobieren.
Es ist doch besser, wenn einer zu mir sagt: Du kannst es, als dass ich dauernd zu hören bekomme: Lass das, du kannst das sowieso nicht!
„Du kannst, wenn du willst!“ - Das ist es auch, was Jesus uns im Evangelium sagt - auch wenn seine Worte für unsere Ohren manchmal hart klingen. Und anscheinend in unserer zeit nicht nachvollziehbar sind. So wird jedenfalls oft gesagt. Er hat erkannt, dass Gott uns nicht seinen Willen aufzwingen will. Gott will, dass wir freiwillig seine Gebote halten - aber dann auch mit ganzem Herzen und ganzem Willen.
„Ich bin gekommen, um Gesetz und Propheten zu erfüllen“, sagt Jesus (Mt 5,17). Ich bin gekommen, um ganz und gar danach zu leben.

Und dann wendet er sich gegen alle, die nur so halb wollen und sich alle möglichen Hintertürchen aufhalten, um doch ihren eigenen Willen durchzusetzen. „Euer Ja sei ein Ja und euer Nein ein Nein. Entweder wollt ihr wirklich nach den Geboten leben - dann tut es. Oder ihr wollt es nicht - dann lasst es. Ihr Könnt, wenn ihr wollt. Also entscheidet euch, was ihr wollt und ob ihr es wirklich wollt. Und dann tut es!

Denn
ihr könnt miteinander in Frieden leben,
ihr könnt höflich und rücksichtsvoll sein,
ihr könnt in euren Beziehungen die Treue halten,
ihr könnt euch jederzeit miteinander versöhnen,
ihr könnt die Wahrheit sagen,
wenn ihr wollt.

Also haltet Gottes Gebote nicht nur nach außen hin, sondern auch in eurem Herzen, denn ihr könnt es, wenn ihr es wirklich wollt.
Wer sich an die Worte Jesu hält und die Gebote befolgt, der kommt auch besser mit den Widrigkeiten des Lebens zurecht. Den erschüttert nicht gleich jeder Sturm, der steht auf sicherem Fundament. Entscheidend ist das eigene Wollen.

Es wird in unserer Zeit viel darüber gesprochen, dass wir neue Werte brauchen, besonders immer dann, wenn neue Skandale aufgedeckt werden: in den lebensmittel, in der Umwelt, in der Wirtschaft, in der Politik ...Die Frage bleibt: wenn wir wirklich wollen, dass sich etwas ändert – warum machen wir es dann nicht. Wenn wir das Unrecht in der Welt beseitigen wollen, warum tun wir es nicht?

Wenn ihr wollt, könnt ihr alle diese Missstände abstellen – wenn ihr wollt. Es geht also um das wollen. Nur, wenn es uns gelingt, den Willen zu motivieren, wird sich etwas ändern. Gesetze uns Vorschriften allein können nichts bewirken, wenn sich doch keiner dran hält. Hier ist jeder von uns angesprochen: Wenn du willst, kannst du es. Hier habe schon oft junge Wehrpflichtige erlebt, die in der Grundausbildung aufgeben wollten, weil sie meinten, es nicht zu schaffen, nicht zu können. Nicht sofort aufgeben ist das Richtige, sondern zu fragen, was bringt’s, ist es nicht besser ein Ziel zu erreichen? Hier bedarf es der Motivation, der Stärkung des Willens.

Ich habe davon geredet, dass es zwei Dinge sind, die das erreichen. Einmal, dass es mir jemand zutraut, dass ich das kann und zum anderen, dass ich ein klares Ziel vor Augen habe. Gott selbst ist es, der unser Leben und das Gelingen unseres Lebens will: „Wähle das Leben“. Du kannst meine Gebote halten, wenn du willst – und meine Zusage mein Vertrauen hast du. Ich weiß, du kannst es. Ich helf’ dir dabei. Das Ziel heißt: wirkliches, erfülltes Leben, Glück, Frieden und Gerechtigkeit.

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