„Der Patient hat keine Nationalität“

Militärgeneralvikar Walter Wakenhut besucht Militärseelsorger im Kosovo

Kosovo, 03/2004. Freundlich und zuvorkommend begrüßt Jeton Kelmendi (16) die deutschen Gäste, die mit Kastriot Dodaj vom Jesuit Refugee Service, dem Jesuitenflüchtlingswerk ins Haus seines Onkels nach Pristina/Kosovo kommen, um ihm einen Besuch abzustatten. Ein aufgeweckter Junge! Er geht in die Mittelschule, 10 Klasse, und möchte einmal Jurist werden Man sieht ihm sein Schicksal nicht auf den ersten Blick an. Jeton ist eines der Opfer, das im September 1999 durch eine Landmine seinen linken Unterschenkel verlor. „Es schmerzt“, sagt er, je nach Witterung der Natur oder Wachstum des Körpers. Es ist die dritte Prothese seit 1 ½ Jahren. Diese ist in Spanien gemacht worden. „Eine kostenlose Behandlung“, sagt er nach Rückfrage und mit Blick auf Kastriot Dodaj. Mit Dodaj arbeiten noch zwei weitere in dem Projekt für landminengeschädigte Opfer in Pristina An sich sind es zu wenig Mitarbeiter, aber das Geld reicht nicht für mehr. Trotz allem Idealismus ist die Organisation auf Spenden angewiesen um den geschädigten Kindern und Jugendlichen eine Zukunft zu ermöglichen. Militärgeneralvikar Walter Wakenhut, Berlin, und der Katholische Leitende Militärdekan Reinhold Bartmann aus München, nutzen Anfang März bei ihrem Besuch der beiden KFOR- Militärpfarrer Norbert Sauer und Christian Preis die Gelegenheit, sich vor Ort über das von der Aktion „Nachbarschaftshilfe“ unterstützte Projekt zu informieren. Die „Nachbarschaftshilfe“ ist eine sozial-karitativer Aktion katholischer Soldaten der Bundeswehr, die den minderjährigen Minenopfern helfen und zur Verwirklichung des Programms beitragen wollen. Renovabis, eine Solidaritätsaktion der deutschen Katholiken für Mittel-, Ost- und Südosteuropa unterstützt das Vorhaben. Neben medizinischer Betreuung, Beschaffung von Prothesen, Ermöglichung von Operationen und Einzelhilfen für die Familien bietet der Jesuit Refugee Service (JRS) langfristige psychosoziale Betreuung der Opfer und Justiz-Hilfe an. MGV Wakenhut bedankt sich für die hervorragende Arbeit der JRS. Er verspricht Kastriot Dodaj diese Aktion nochmals innerhalb der Katholischen Militärseelsorge wärmstens zu empfehlen und die Minenopfer durch Spendenaufrufe mit allen Kräften zu unterstützen.

Dodaj führt die deutschen Militärgeistlichen auch ins „National Ortho-Prothetic Center“, die Prothesenwerkstatt in Pristina. Auf die Frage von MGV Wakenhut, für welche ethnische Gruppe die Prothesen denn hergestellt werden, lautet die klare Antwort eines Prothesenmachers : „Der Patient hat keine Nationalität“! Mit unendlicher Geduld, scheinbarer Gelassenheit und einem Lächeln auf dem Gesicht , probieren die Patienten dort ihre „Ersatzglieder“ an. Sie gehören wohl zu den „privilegierten Opfern“, denen durch die künstlichen Gliedmaßen ein besseres Leben ermöglicht wird. Wie grausam ist doch ein Krieg und seine Folgen!

Der Hass, das gegenseitige Misstrauen der verschiedenen Ethnien und Religionen im Land (Muslime, Katholiken und Serbisch-Orthodoxe) sind zu spüren. Beim Besuch des katholischen Bischofs von Prizren, Marc Sopi macht er dies deutlich: „Das Böse hat ein Gesicht.“, sagt er. „Vergessen können die Menschen so schnell nicht“. Bischof Sopi hat aber die starke Hoffnung, dass die jüngere Generation durch eine gemeinsame bessere Schulbildung zur Versöhnung bereit ist. Auch Oberst Dieter Hintelmann, der Deutsche Kommandeur Multinationale Brigade Südwest in Prizren spricht über die Spannungen im Land. Zu dem Zeitpunkt ahnt jedoch noch niemand, dass zwei Wochen später die Stadt von Randalierern besetzt ist und orthodoxe Einrichtungen und serbische Häuser gebrandschatzt werden. Die Bundeswehr stellt mit etwa 3.200 Soldatinnen und Soldaten das größte Kontingent der Friedenstruppe. Durch die Unruhen Mitte März folgen noch 600 deutsche Kameraden als Verstärkungskräfte.

Die beiden katholischen Militärgeistlichen Christian Preis (Feldlager Prizren) und Norbert Sauer (Prizren-Airfield) sind schon als Seelsorger sehr gefordert. Sie werden zu einem mit den Problemen der Bevölkerung, aber auch der Soldaten konfrontiert. Christian Preis ,der auch Kolping-Präses in Frankfurt ist, hat Kontakt aufgenommen zu Kolping im Kosovo. Er und einige Soldaten unterstützen ein Hilfsprojekt, durch das Familien im Kosovo eine Grundnahrungsversorgung erhalten. „Viele Soldaten wollen helfen, weil sie die Not der Bevölkerung mitbekommen.“, so Militärpfarrer Preis. Beide Geistliche laden jeden Sonntag die Soldaten zum Gottesdienst ein. Es sind nicht viele die kommen, aber diejenigen, die da sind, sind mit vollem Herzen dabei“, sagt Militärpfarrer Sauer. Norbert Sauer setzt sich intensiv dafür ein, dass die Soldaten auch außerhalb des Camps Land und Leute sowie deren Kultur kennen lernen. Beide Pfarrer sind innerhalb der Truppe anerkannt und sehr geschätzt. Einer der Soldaten bringt dies nach dem Gottesdienst zum Ausdruck: „ Militärseelsorge ist für uns wichtig.. Wir brauchen Menschen, die zuhören und helfen und uns in dieser schwierigen Situation hier im Kosovo durch ihr Dabei sein als Seelsorger Sinn stiften.“

Text und Fotos: Marlene Beyel/KMBA

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