Lourdes im Regen

Lourdes, 18.05.2006. Heute werden die vier Pilgerzüge aus Deutschland nach mehr als einem Reisetag eintreffen. Die Logistik zum Abtransport des Gepäcks ist bereit, das Musikkorps verlädt die Musikinstrumente für dem Empfang.

Ein Blick aus dem Fenster: Verhangener Himmel, der hohe Pic du Jer in Wolken versunken! Am Abend hatte er sich bereits mit heftigem Wetterleuchten über die Pyrenäenkette hin angekündigt, der Regentag!

Missmut kommt auf: Mir schweben Feldbetten des Militärlagers vor Augen, die im Matsch stehen, feucht-klamme Ausgeh-Uniformen und eine Lichterprozession ohne brennende Kerzen...

Ich entschließe mich zu einem kurzen Standrundgang mit Schirm und zu einem Besuch der Grotte der Muttergottes-Erscheinung, um die herum sich jährlich Zehntausende von betenden Menschen aus der ganzen Welt versammeln: Maria, die Gottesmutter möge sich vor Gott zur Fürsprecherin in Ihren oft menschlich unlösbaren Anliegen machen.

Ich trete aus dem Hotel und da die Strassen wegen des Regens recht leer sind, gleiten meine Blicke in die Schaufenster. Devotionalien aller Art, also "fromme Artikel", die ich sonst nicht wahrnehme oder wahrnehmen will. Heerscharen von "Gottesmüttern" aus Alabastergips, Holz oder Plastik prangen da zum Verkauf, roh oder auch oft - für meinem Geschmack - kitschig bemalt, nach Größe und Preis sortiert. Das Wort "Vermarktung" fällt einem dazu ein und jene Szene aus dem Buch bzw. Film "Das Lied von Bernadette", in der sich damals Honoratioren von Lourdes am Stammtisch darüber unterhalten, ob dem Mädchen Bernadette die Erscheinung zu glauben sei und ob sich diese vielleicht ökonomisch günstig für Lourdes ausbauen ließe, zumal es demnächst eine Bahnlinie über Lourdes zu den berühmten Atlantikbädern geben solle.

Was hat das aber alles mit dem Glauben, besonders der kranken Menschen zu tun, die an den heiligen Stätten in Lourdes Erhörung erhoffen, für solche zu danken haben oder einfach Gott loben wollen? Ich entschließe als Antwort zu einem knappen: "Nichts!", während ich bereits durch den feinen Nieselregen hindurch und über die weiße Großplastik "Maria, Heil der Kranken" hinweg die berühmten Kirchen erblicke und kurz darauf mit meinem Regenschirm, der immer wieder mal vom heftigen Wind umgeschlagen wird, vor die blumenumlegte Statue der betenden und gekrönten Gottesmutter trete.

Lust zu einem längeren Gebet verspüre ich wegen des ungastlichen Wetters nicht und will am liebsten den Heiligen Bezirk gleich wieder - an der unterirdischen Riesen-Basilika "Pius X." vorbei - in Richtung Bahnhof zur jährlichen Attraktion "Begrüßung der Pilgerzüge mit Blasmusik" verlassen, als mir plötzlich die Kreuzigungsgruppe neben der Basilika einen Blick auf den Sinn des gesamten Ensembles erschließt: "Gekreuzigt wurde er sogar für uns", heißt es im Glaubensbekenntnis und Maria blickt betend in Richtung der Kirchen, in denen täglich Jesu Opfertod "als Sühne für unsere Sünden" gefeiert wird. Damit hat auch die Beichtkapelle neben der Marien-Statue zu tun. Eine Fahne mit der Beschriftung "Confessions" - Sünden-Bekenntnis und Vergebung - klatscht nass im Wind an die Kapellenwand. Die Steinplastik des kieenden heiligen Beichtvaters Vianney stört die Nässe nicht im Mindesten in seiner Gebets-Inbrunst...

An der Grotte "normaler Betrieb". Trotz Regens stehen Pilger Schlange, um sich mit dem Wasser aus dem Felsen zu bekreuzigen, ehrenamtliche Helfer winken Krankenfahrstühle nach vorn, zwei Frauen tragen gemeinsam eine riesige Kerze auf ihren Schultern durch die Grotte zum Kerzenort, wo bereits Hunderte von Kerzen brennen. Und vor den Bädern warten geduldig Hunderte in Regenbekleidung und in überdachten Krankfahrzeugen, dass sie kurz in das Quellwasser eintauchen können. Der Nieselregel stört die wartenden Pilger keineswegs und mir fällt das Wasser der hl. Taufe ein und aus dem "Vater unser" der Satz: "Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern" und ich höre Vorbeter in verschiedenen Sprachen das "Ave Maria" beten: "Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder, jetzt und in der Stunde unseres Todes. Amen".

Es ist Mittagszeit, den Schirm gegen den Wind gerichtet gehe ich zum Bahnhof. Schon von Weitem ist flotte Blasmusik zu hören. Der erste Pilgerzug ist eingetroffen!

gcjm

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Weitere Bilder
Marienskulpturen aller Preisklassen...
... und Geschmacksrichtungen werden feil geboten
Shops mit Namen wie "Zum heiligen Herzen Jesu" oder Hotelnamen wie "Zur heiligsten Eucharistie" ...
... oder "Zum heiligen Erlöser" sind "eher gewöhnungsbedürtig"
Blick auf Burg und Stadt durch den Regen
Auch der Heilige Bezirk verregnet und fast menschenleer
Kreuzigungsgruppe im Heiligen Bezirk. Im Hintergrund die verhangene Bergkette
"Der dich, Maria, im Himmel gekrönt hat". Marienskulptur, betend, auf die berühmten Kirchen gerichtet
Der heilige Beichtvater Vianney
"Dir will ich die Schlüssel des Himmelreiches geben"
Rosenkranzbasilika: Das Jesuskind überreicht uns den hl. Rosenkranz
An der Grotte bekreuzigen sich die Pilger mit dem Wasser aus dem Felsen
Die Riesen-Kerze soll sicherlich Bitte oder Dank symbolisieren
Blick vom Kerzenort zur Rosenkranzbasilika auf dem Felsen über der Grotte
Im Regen warten Kranke in überdachten Krankenfahrstühlen auf ein Bad im Quellwasser
Skulptur "Mutter Gottes, Heil der Kranken". Im Hintergrund die Rosenkranzbasilika
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