Nahostfrage birgt großen Konfliktstoff

Ein Interview mit Militärbischof Dr. Walter Mixa

Dass auf dem Nahostkonfliktfeld etwas geschehen muss, dafür ist auch Militärbischof Walter Mixa. Nur wie würden deutsche Soldaten aufgenommen werden? fragte er sich im Interview mit „aktuell“.
"aktuell", 21.08.2006. Die Bundeswehr-Zeitschrift "aktuell" sprach mit dem Katholischen Militärbischof Dr. Walter Mixa. Das Interview wurde von Heike Hasselbach geführt.

Hasselbach: Auslandseinsätze müssten in einem angemessenen Verhältnis zum politischen Ergebnis solcher Einsätze stehen. Das sagten sie im Vorfeld des Kongo-Einsatzes deutscher Soldaten. Sehen Sie das heute noch genauso?

Dr. Mixa: Ich würde das heute genauso sagen. Auf der einen Seite verstehe ich, dass unsere Soldaten - die sich in den Krisengebieten bewährt haben - jetzt bei so einem ganz schwierigen Einsatz, wie der Kongo zweifelsohne ist, um Mithilfe gebeten werden. Andererseits mache ich mir aber auch Sorgen, ob das nicht allmählich zu viel wird. Unsere Soldaten sind ja auch bloß Menschen. Gerade junge Soldaten, die verheiratet sind und dauerhaft eine Fernbeziehung führen müssen, könnten bei den Auslandseinsätzen in Schwierigkeiten kommen.

Setzt da nicht eine Gewöhnung bei den Soldaten ein?

Eine Gewöhnung ist sicher da. Die Bundeswehr ist ja keine reine Verteidigungsarmee mehr, die am Ort ihre stabilen Standorte hat und die die Demokratie verteidigen muss. Das wissen auch die Soldaten. Das muss man ihnen auch in aller Deutlichkeit sagen, wenn sie diesen Dienst übernehmen. Der Dienst muss aber für meine Begriffe auch in einer ausgewogenen Weise geschehen. Es kann nicht sein, dass einige Soldaten ständig im Einsatz sind.

Diskussionen gibt es derzeit rund um eine Nahost-Friedenstruppe, an der sich möglicherweise auch die Bundeswehr beteiligen soll. Wie stehen Sie zu den Plänen?

Dass auf dem großen Nahostkonfliktfeld etwas geschehen muss und dass dort sinnvollerweise eine Friedenstruppe unter Federführung der UNO eingesetzt werden muss, dafür bin ich auch ganz und gar, damit dieser schreckliche Krieg im Nahen Osten baldmöglichst ein Ende findet. Für mich stellt sich aber andererseits die ganz schwierige Frage, wie werden deutsche Soldaten in einen solchen Einsatz aufgenommen? Es geht darum, die kriegerischen Handlungen zwischen Israel einerseits und den Palästinensern und dem Libanon auf der anderen Seite zu einem vernünftigen Abschluss zu führen, um möglichst schnell zu einem Friedensschluss zu kommen. Besteht da nicht die Gefahr, dass die Israelis sagen, mit den Deutschen haben wir in früheren Jahrzehnten schlechte Erfahrungen gemacht? Vor allem kommt dann der Begriff des Holocaust wieder ins Gespräch. Dadurch könnte Konfliktstoff gesät werden, der sich aber aus der geschichtlichen Vergangenheit ableitet.

Welche Gefahren sehen Sie bei einem deutschen Engagement?

An einem Nahost-Einsatz wären natürlich auch andere Nationen beteiligt. Aber es kann sein, dass die deutschen Soldaten, die in diesem berechtigten und begründeten Friedenseinssatz mit tätig sind, fokussiert werden. Dann ist zu befürchten, dass möglicherweise der Vorwurf des deutschen Antisemitismus aufkommt. Das hat aber mit der ganzen Sache zur Befriedung im Nahen Osten überhaupt nichts zu tun.

Wie bewerten Sie in diesem Zusammenhang den Stellenwert der Militärseelsorge?

Wir lassen unsere Soldaten nicht im Stich. Wenn ein Einsatz vom Deutschen Bundestag nach einer reiflichen Überlegung so beschlossen worden ist dann werden wir von der Militärseelsorge unsere Soldaten begleiten.

Wie wichtig ist die Militärseelsorge, speziell für Soldaten im Auslandseinsatz?

Gerade die Soldaten im Auslandseinsatz suchen den Pfarrer. Er ist kein Dienstvorgesetzter, er trägt keine Dienstgradabzeichen, trotzdem ist er eingebunden in die Bundeswehr, aber er ist auf seine Weise vollkommen frei. Deshalb suchen die Soldaten in ihren Ängsten, Sorgen und Nöten, auch, und gerade wenn es um Tod und Leben geht, den Militärpfarrer auf. Das hat nichts zu tun mit der jeweiligen Konfession. Vielfach sind es ja auch konfessionslose Soldaten, die zum Pfarrer gehen und sagen, er ist für mich eine Vertrauensperson, bei der ich mich aussprechen kann.

Wie steht es um die personelle Ausstattung?

Die personelle Ausstattung ist eng. Den Diözesen fällt es schwer, Seelsorger für den Dienst in der Militärseelsorge freizustellen. Ich appelliere deshalb immer wieder an meine bischöflichen Mitbrüder, dass sie geeignete Seelsorger für unsere 90 Dienststellen zur Verfügung stellen. Unsere Pastoralreferenten, die Diplomtheologen sind und eine volle pastorale Ausbildung haben, können augenblicklich noch nicht im Auslandseinsatz eingesetzt werden. Dafür stehen uns jetzt ausschließlich die Priester zur Verfügung. Je mehr Militärgeistliche im Auslandseinsatz sind, umso mehr fehlen sie in der Not auch an den Standorten im Inland.Sie besuchen die deutschen Soldaten auch in den Auslandseinsätzen.Vor Kurzem wollte ich unsere Soldaten in Afghanistan besuchen, aber leider ist es mir nicht gelungen. Über Afghanistan ist ein Sandsturm hinweggegangen und deshalb waren die Flugmöglichkeiten eingeschränkt. Der Besuch wäre dann zu kurz gewesen. Ich brauche dafür mindestens vier, fünf Tage, damit ich mit den Soldaten ins Gespräch kommen kann. Ich will ja nicht repräsentieren und nur als bischöfliche Galionsfigur anwesend sein. Die äußeren Voraussetzungen müssen für die Soldaten so sein, dass man sich ohne Zeitnot auf ein gutes Gespräch einlassen kann.

"Wenn es sein muss, dann fahre ich auch in den Kongo", sagt Militärbischof Walter Mixa.
Wann werden Sie diese Reise nachholen?

Die Reise werde ich auf jeden Fall im nächsten Jahr nachholen. Dieses Jahr wird es nicht mehr möglich sein.

Werden Sie dann auch in den Kongo reisen?

Das weiß ich nicht. Wenn es sein muss, werde ich auch in den Kongo gehen.

Glauben Sie denn, dass die Soldaten auch nächstes Jahr noch im Kongo sein werden?

Es wäre wünschenswert, dass die Soldaten am Ende des Jahres zurückkommen. Aber meine bisherigen Erfahrungen zeigen - ob das Bosnien und Herzegowina, der Kosovo, Mazedonien oder Afghanistan ist - die Hoffnungen haben sich alle zerschlagen. Die Einsätze haben sich ausgeweitet nicht nur auf Monate, sondern auf Jahre hin. Kenner der Situation sagen mir, wenn heute unsere Soldaten, die ja friedenstiftende und damit stabilisierende Dienste tun, wenn die heute vom Balkan weggehen würden, dann begännen wieder die alten Streitigkeiten der einzelnen Völkerschaften. Dann sind die Möglichkeiten zum Frieden und zu einem besseren Aufbau der Gesellschaft nicht nur gestört, sondern auf längere Zeit unmöglich gemacht.

Sie stehen einer Rückkehr der Soldaten zum Ende des Jahres skeptisch gegenüber?

Ja. Da würde ich eher in die Hände klatschen und würde sagen, im wahrsten Sinn des Wortes Gott sei Dank, ich hätte es nicht erwartet, dass in diesem Jahr dieser Einsatz noch zu Ende geht.

Was auf jeden Fall in diesem Jahr - und zwar im September - noch stattfinden wird, ist der Besuch des Papstes. Haben Sie eine besondere Beziehung zu ihm?

Ich kenne den Papst seit meiner Studentenzeit. Als ich an der Philosophisch-Theologischen Hochschule in Dillingen studiert habe, war ich gleichzeitig auch zum Vorsitzenden des Allgemeinen Studenten-Ausschusses (AStA) gewählt. Der Papst war damals Professor für Dogmatik an der Theologischen Fakultät in Tübingen. In meiner Eigenschaft als Sprecher der Studentenschaft habe ich den damaligen Professor Josef Ratzinger zu einer Gastvorlesung eingeladen. Er hat die Einladung sehr gern angenommen, es war ein hervorragender Vortrag. Es ging um das Verhältnis von Ratio auf der einen Seite - also die rein verstandesmäßige Durchdringung des Lebens und der Welt - und den Wert der Offenbarung auf der anderen Seite. Anschließend saßen wir in einer gemütlichen Runde zusammen und er fragte mich damals ‚Herr Mixa, warum haben Sie mich überhaupt eingeladen? Ich bin doch out im Moment.’ Und da habe ich gesagt, ‚gerade aus diesem Grund habe ich Sie eingeladen‘. Später als ich mit dem Pastoralkurs zur Zentrale der Katholischen Weltkirche nach Rom gereist bin, habe ich auch immer den Kardinal Ratzinger als Leiter der Glaubenskongregation aufgesucht. Seitdem kennen wir uns ganz gut.

Dann werden Sie ihn ja auch sicher im September treffen.

Das ist selbstverständlich, dass ich als Augsburger Diözesanbischof in München, Altötting und Regensburg dabei sein werde. Dort nehmen ja auch unsere Soldaten an dem Papstgottesdienst teil.

Was bedeutet der Besuch des Papstes den Deutschen?

Ich kann mir durchaus vorstellen, dass die Gläubigen in unserer bundesdeutschen Heimat allgemein gesprochen und im bayerischen Lande im Besonderen, durch den Papstbesuch in ihrem christlichen, katholischen Glaubensbewusstsein erneuert werden und gestärkt werden und Freude darüber verspüren zur weltweiten Gemeinschaft der katholischen Kirche zu gehören.

Quelle: "aktuell", Ausgabe 33, 21.08.2006

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