Interviews mit Karl Kardinal Lehmann und Generalmajor Wolfgang Korte

Karl Kardinal Lehmann, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz
Interview mit Karl Kardinal Lehmann

Mainz, 04.10.2006. Welche Bedeutung hat die katholische Seelsorge innerhalb der Bundeswehr aus Ihrer persönlichen Sicht und aus der Sicht der katholischen Kirche?

Kardinal Lehmann: Die Kirche soll und muss Menschen in allen Situationen und Aufgaben unseres Lebens begleiten. Das gehört zu ihrer Sendung, ob es sich um den Dienst an den Kranken oder um  Männer und Frauen bei der Bundeswehr handelt. Dazu gehören in diesem Kontext auch die Familien.

Wie wichtig ist es Ihnen, die Festmesse zum 50. Jubiläum der Katholischen Militärseelsorge in Nordrhein-Westfalen zu halten?

Kardinal Lehmann: Vor 50 Jahren hat Josef Kardinal Frings – und zwar in seiner Eigenschaft als damaliger Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz – für Nordrhein-Westfalen, aber auch faktisch für die Bundesrepublik Deutschland, den ersten katholischen Standortgottesdienst der Militärseelsorge in Köln gefeiert. Wie er, möchte ich für die deutschen Bischöfe damit zum Ausdruck bringen, dass die Militärseelsorge als Kirche unter den Soldaten ein integraler Bestandteil der katholischen Kirche in unserem Lande ist.

Köln ist der derzeit größte Bundeswehr-Standort der Bundesrepublik Deutschland und Ausgangspunkt vieler militärischer Entscheidungen. Wie ermöglichen es die Bistümer, dass Militärseelsorge möglich wird?

Kardinal Lehmann: Wir haben seit langer Zeit eine Aufteilung darüber, welche Anzahl von Militärgeistlichen die einzelnen Diözesen je nach der Größe des Bistums stellen. Zurzeit sind das 56 Geistliche. Die Orden stellen außerdem neun weitere. Dazu kommen 26 Pastoralreferenten. Augenblicklich sind einige Stellen nicht besetzt. Dieser angewandte Schlüssel hat sich bewährt. Sonst könnte Militärbischof Dr. Walter Mixa (Augsburg) eine gleichmäßige Seelsorge in den etwa 95 Dienststellen nicht gewährleisten.

Die Zahl der Auslandseinsätze innerhalb der Bundeswehr wächst. Dadurch wird der Seelsorgearbeit ein immer anspruchsvolleres Aufgabenspektrum zugeschrieben. Aus welchen Gründen ist es wichtig, dass Pfarrer gemeinsam mit Soldaten in die Krisenherde dieser Welt gehen?

Kardinal Lehmann: Für die Auslandseinsätze braucht die Katholische Militärseelsorge zurzeit 15 bis 20 Pfarrer. Zum gelegentlichen Wechsel muss eine doppelte Anzahl zur Begleitung ins Ausland bereit und geeignet sein. Das ist eine gewaltige Änderung - auch für die Militärseelsorge. Es ist aber ganz selbstverständlich, dass die Kirche den Soldaten gerade bei diesen Einsätzen nahe bleibt. Es besteht auch eine neue Notwendigkeit: längere Abwesenheit von zuhause, Belastungen für Ehe, Familie und Partnerschaften, Gefahren in den Krisenherden der Welt. Diese Situation kann auch zu einem neuen Miteinander der Soldaten und der Militärseelsorge werden. Dabei darf man freilich die Sorge für die Familien in der Heimat nicht vergessen.

Vor 50 Jahren hat Josef Kardinal Frings die erste Messe mit Soldaten in der Basilika St. Gereon gehalten. Als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz hat er maßgeblich dazu beigetragen, die katholische Seelsorge innerhalb der Bundeswehr  zu etablieren. Jetzt stehen Sie an seiner Stelle. Was werden Sie den Soldaten zur Messe mit auf den Weg geben?

Kardinal Lehmann: Ich möchte mit den Soldaten an den Weg durch diese 50 Jahre erinnern: Wir haben in unserem Land mit der Struktur der Militärseelsorge eine bis heute sehr gute Lösung gefunden. Die Militärseelsorge hat ihre eigene Selbstständigkeit, aber sie ist kein Staat im Staat. Dass heißt, sie lebt in lebendigem Kontakt und Austausch mit den Ortskirchen, seien es die Diözesen oder die Einzelgemeinden. Wir danken auch gemeinsam für den Erhalt des Friedens in den allermeisten Teilen Europas während der vergangenen 60 Jahre – ein historisch einmaliges Geschenk. Schließlich sollen unsere Auslandseinsätze nichts anderes sein als ein Dienst für den Frieden, besonders in den Konfliktzonen unserer Welt.

Das Arbeitsfeld der Katholischen Militärseelsorge hat sich im Lauf der Geschichte immer wieder gewandelt. Wo sehen Sie besondere Herausforderungen für die Zukunft?

Kardinal Lehmann: Wie aus dem bisher Gesagten hervorgeht, muss die Kirche bei den Soldaten und auch bei ihren Familien sein, wenn es Herausforderungen gibt. Es gehört zum Wesen von Kirche, dass sie mit den Menschen – bei allen Herausforderungen – durch Gottes mächtige Gegenwart hilfreich verbunden bleibt. Das ist das Wichtigste, was die Militärseelsorge auch in Zukunft leisten wird. Ich bin fest überzeugt, dass die Kirche in unserem Land mit den Bischöfen, den Priestern und den Laien, den Militärbischof, der ja einer der Diözesanbischöfe ist, dabei nicht im Stich lassen wird. Er handelt für uns alle.

Das Interview führte Stephan Witschas



Heeresamts-Chef Generalmajor Wolfgang Korte. Foto: Marcus Rott, Bundeswehr
Interviev mit Heeresamts-Chef, Generalmajor Wolfgang Korte, über Glauben im Soldatenleben

"Besondere Sicht der Dinge ist wichtig"

Köln. Generalmajor Wolfgang Korte ist seit Januar 2005 Chef des Heeresamtes in Köln.
Im Interview erklärt er, warum die Seelsorgearbeit der Militärpfarrer für die Bundeswehr seit 50 Jahren wichtig ist und wie er die Seelsorge-Arbeit in Auslandseinsätzen besonders schätzen gelernt hat. Außerdem sagt er, welche Bedeutung es hat, dass Karl Kardinal Lehmann das Pontifikalamt in der Kölner Basilika St. Gereon hält.

Welche Bedeutung kommt aus Ihrer Sicht der Militärseelsorge in der Bundeswehr zu?

Aus meiner ganz persönlichen Sicht, aber auch aus der Sicht des Heeresamts-Chefs ist die Bedeutung der Militärseelsorge für die Bundeswehr eine überaus wichtige. Das ist in der Bundeswehr, genau wie in der militärischen und politischen Führung völlig unbestritten. Deutlich sichtbar geworden ist das natürlich im Wesentlichen mit den Auslandseinsätzen. Aber man sollte jetzt nicht so tun, als sei die Militärseelsorge erst mit den Einsätzen wichtig geworden. In den vierzig Jahren davor war sie genauso wichtig und hat genauso gute Arbeit geleistet.

Wie haben Sie während Ihrer Laufbahn als Soldat die Militärseelsorge wahrgenommen?

Ganz unmittelbar: Ich stamme aus einer erzkatholischen Gegend, genau wie meine Frau. Wir kommen eigentlich aus dem gleichen Dorf. Wir sind gemeinsam im Alter von 19 oder 20 Jahren in unseren ersten Standort gekommen. Der war relativ weit von zu Hause. Bei der Aufnahme ins Militär war der Militärpfarrer ein erster Anknüpfungspunkt, der sich so ein bisschen um meine Frau gekümmert hat. Wir hatten dadurch auch den Zugang zur zivilen Gemeinde. Ganz automatischen gab es da also eine Verbindung, weil ich schon seit meiner Jugend in kirchlichen Organisationen gearbeitet habe. Weil der Militärpfarrer auch in beratenden Ausschüssen mitzuarbeiten hatte, blieb der Kontakt in meiner Dienstzeit aufrecht erhalten.

Können Sie mir etwas Konkretes aus Ihrer Geschichte nennen, woran Sie sich besonders erinnern?

Die Zusammenarbeit mit dem Militärpfarrer war eigentlich immer relativ intensiv. Zum Beispiel wurden meine Kinder durch ihn getauft. Verheiratet sind sie ja noch nicht, deswegen kann ich dazu noch nichts sagen. Ich habe meine Pfarrer immer auf die Übungsplätze mitgenommen. Ich bin schon sehr früh mit meinen Soldaten auf Wallfahrt nach Lourdes gegangen. Ganz persönlich und in einer besonderen Ausprägung habe ich die Zusammenarbeit mit den Militärpfarrern natürlich in den Einsätzen kennen gelernt.

Gab es auch Momente, wo Sie sich statt einem Kameraden oder Ihrer Frau lieber einem Geistlichen anvertraut haben?

Solche Probleme hatte ich im privaten Umfeld, Gott sei Dank, nicht. Aber ich habe mit meinen Militärpfarrern sehr häufig in der Zeit der Nachrüstungsbeschlüsse diskutiert. Als die Wellen hochschlugen, mussten wir uns fast tagtäglich gegen den Vorwurf verteidigen, Soldaten seien Mörder. Dieser Ansicht war ich nicht. Das Gespräch mit dem Militärpfarrer habe ich dann dazu genutzt, um mich in Diskussionen behaupten zu können. Außerdem wollte ich jungen Soldaten, die aus dieser Umwelt zu uns kamen, den Sinn des soldatischen Dienstes vermitteln. Und das, ohne dabei nur auf die rein militärischen Aspekte abzuheben.

Welche Bedeutung hat es für Sie, dass Karl Kardinal Lehmann und Militärgeneralvikar Walter Wakenhut am 10. Oktober zum 50. Jubiläum der Militärseelsorge eine Festmesse in Köln halten?

Das ist ausgesprochen wichtig. Wir feiern ein beeindruckendes Jubiläum. Ich hätte natürlich auch gerne mit dem Militärbischof gefeiert - gar keine Frage. Aber ich finde es ganz wichtig, dass der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz diesen Termin wahrnimmt. Das unterstreicht natürlich, wie wichtig der katholischen Kirche in Deutschland die Militärseelsorge ist.

Warum finden Sie es wichtig, dass die Pfarrer auch im Ausland präsent sind?

Die existenziellen Fragen des Lebens sind im Einsatz noch viel größer und deutlicher als hier. In unserer saturierten Welt mit wenigen existenziellen Problemen gibt es viele, die keine Beziehung zur Kirche haben. Diese Leute sagen dann: "Ich kann auch ganz gut ohne." Mit den Eindrücken im Auslandseinsatz und der Frage nach der Gefährdung, die damit verbunden ist, beginnt man aber doch Vieles zu hinterfragen. Dann ist es gut, wenn man jemanden außerhalb der Hierarchie hat. Eine besondere Sicht auf die Dinge der Welt, die eben auch mal über die Welt hinausgeht, ist wichtig.

Mit Generalmajor Wolfgang Korte
sprach Stephan Witschas

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