Der lange Schatten des Vesuvs

Ehemals in Neapel stationierte Soldatenfamilien trafen sich in Herbstein auf dem Vogelsberg

Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Familienwochenende in Herbstein
Herbstein, 05.10.2008. Der Ort hätte für ein Treffen von Menschen, die einen Teil ihres Lebens unter dem Schatten des Vesuvs verbracht haben, nicht besser gewählt sein können: Der hessische Vogelsberg ist ebenfalls ein Vulkan, allerdings erloschen und damit viel friedlicher als sein italienischer Bruder. Wie so vieles andere auch in Deutschland friedlicher ist als in dem Mikrokosmos Neapel.

Militärdekan Joachim Simon und Pfarrhelfer Manfred Junge-Bornholt hatten eingeladen nach Herbstein auf dem Vogelsberg zu diesem Wiedersehens-Wochenende für alle Soldatenfamilien, die einmal in Neapel stationiert waren. Rund 35 Familien, insgesamt mehr als hundert Männer, Frauen, Kinder und Jugendliche reisten an aus buchstäblich allen Teilen der Republik.

Der Erfahrungshorizont der Teilnehmer umfasste etwa 10 Jahre: Die ersten zogen 1998 nach Neapel, die letzten kehrten erst vor wenigen Wochen von dort nach Deutschland zurück. In dieser Zeit entwickelte sich die deutsche Gemeinschaft vor Ort beträchtlich: Von rund einem Dutzend Familien vor zehn Jahren wuchs sie an auf etwa 130 heute. Bis 2004 fanden die Gottesdienste der Gemeinde mal in einer Garage, mal in einem „ausgeliehenen“ Gotteshaus statt, heute verfügt der Standort Neapel über ein eigenes Gemeindehaus, das neben kirchlichen Aktivitäten auch Platz bietet für Sport oder Kindertreffs – Aktionen, die zumeist von Soldatenfrauen ehrenamtlich organisiert werden. Eines allerdings hat sich in Neapel trotz der Vervielfachung der Köpfe und dem neuen, festen Platz nicht geändert: Nach dem Gottesdienst wird gemeinsam gegessen. Für viele Ex-Neapolitaner waren diese Sonntage feste Termine im Kalender.

„Heimat in der Fremde – Fremde in der Heimat?“ lautete das Thema des Wochenendes in Herbstein, und es wurde nicht nur während der Diskussionsrunden besprochen, sondern klang auch in zahlreichen Gesprächen an, die sich natürlich oft um gemeinsame Erlebnisse und Erinnerungen an die „alte Heimat“ Neapel drehten. Natürlich, direkt nach der Ankunft war den meisten Familien die Metropole fremd und selbst alltägliche Handlungen wie etwa die morgendliche Fahrt ins Büro oder der Einkauf fürs Abendessen wurden deswegen zunächst zum Abenteuer.

Nach der Rückkehr nach Deutschland war es für viele jedoch genau so: Wieder müssen sich die Erwachsenen an inzwischen fremd gewordene Regeln (vor allen Dingen Verkehrsregeln) gewöhnen, die Kinder – je nach Alter – an ein vergessenes oder noch gar nicht gekanntes Schulsystem. Und auch das konnten viele Ex-Neapolitaner bestätigen: Während sie sich in Italien immer ihrer Identität als Deutsche bewusst waren, stellten nach der Rückkehr viele fest, dass sie doch inzwischen ganz schön Italienisch geworden sind. Trotz der Komplikationen, die das mit sich bringen kann – zum Beispiel „Knöllchen“ von der Verkehrspolizei – empfanden die meisten Teilnehmer des Wochenendes den Schritt nach Neapel als große Bereicherung in ihrem Leben. Die Erkenntnis, dass das wohl alle Ehemaligen so sahen, egal wann und unter welchen Umständen sie ihre Zeit in Neapel verbrachten, war vielleicht das wichtigste Ergebnis dieses Wochenendes. Und beweist, dass so ein Nachtreffen, wie es ja bisher noch nicht stattgefunden hat, für Auslandsrückkehrer ungemein wichtig ist.

Ina Ullrich

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Weitere Bilder
Morgenlob in der Kapelle
Großes Interesse der Zuhörer bei den Vorträgen
Kleiner Schnack
Militärdekan Joachim Simon freut sich über einen Diskussionsbeitrag
Der Ort Herbstein in herbstlicher Kulisse
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