Dritte Gesamtukrainische Militärwallfahrt nach Zarvanytsya

Ein Reisebericht

Kathedrale der Gottesmutter, Bühnenseite bei der Eröffnungszeremonie
Berlin, 03.10.2013. Die traditionelle diesjährige Militärwallfahrt der Griechisch – Katholischen Kirche der Ukraine und Militärs anderer Länder nach Zarvanytsya fand dieses Jahr vom 13. - 15. September statt. Aus Deutschland nahmen vom Collegium Orientale, Eichstätt, Petro Stanko, Priester der Unierten (mit Rom verbundenen) Griechisch - Katholischen Kirche, und vom Katholischen Militärbischofsamt Berlin Monsignore Joachim Simon und Georg Müller, Ref. I, teil.

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In Zarvanytsya befindet sich eine der wertvollsten Reliquien der Ukraine, eine wundertätige Ikone der Gottesmutter, die aus dem 10. Jahrhundert stammen soll. Nach einer Legende ist die Gottesmutter in Zarvanytsya einem Mönch im Traum erschienen, der sich auf der Flucht vor kriegerischen Horden befand. Die Ikone wurde im Jahre 1867 von Papst Pius IX gekrönt und während der Kirchenverfolgung in der Zeit des Kommunismus von Anwohnern versteckt.

Die Kathedrale der Gottesmutter von Zarvanytsya gehört zu den geistlichen Zentren, die von der katholischen Kirche, wie z.B. Lourdes in Frankreich, als Pilgerorte anerkannt werden.

Neben der Kathedrale der Gottesmutter gibt es auf dem Wallfahrtsgelände eine Kapelle über der wundertätigen Heilquelle, einen hohen Glockenturm mit vier Glocken, ein Kapellchen mit einer Figur des Mönchs, in das Zettel mit Gebetsanliegen eingeworfen werden können. Den Berg hinauf zieht sich ein Kreuzweg. Weiter gibt es unterhalb der Kathedrale eine Mehrzweck-Bühne, auf der geistliche und weltliche Veranstaltungen im Freien abgehalten werden können. Jedes Jahr kommt etwa eine Million Pilger nach Zarvanytsya.

Für die Pilgerreise wurde wegen zu erwartender schlechter Straßen ein stabiles Diesel-Auto gemietet, das abwechselnd von Msgr. Simon und mir gefahren wurde. Auf der Hinfahrt kam Kaplan Stanko mit uns zur Wallfahrt und zu einem Besuch seiner Heimat, der Ukraine. Seine Familie weilte bereits dort. Hierzu ist anzumerken, dass Geistliche der Griechisch Katholischen Kirche heiraten können, solange sie noch nicht geweiht sind. Bischöfe hingegen müssen unverheiratet sein. Auf der Rückfahrt nahmen wir Frau Solomija Schtschur, Webmasterin der ukrainischen Militärseelsorge, Theologiestudentin (und Multitalent) mit nach Berlin.

Die Reiseroute von Berlin über Krakow/Krakau/Polen und Lviv/Lemberg/Ukraine nach Zarvanytsya beträgt etwa 1200 km. Während man in Polen zum großen Teil auf neuen Autobahnen (Maut!) fährt, die noch nicht sämtlich auf unseren Navis eingetragen waren, muss die Fahrt zur polnisch-ukrainischen Grenze hin bis Lviv/Lemberg zunehmend auf Landstraßen erfolgen, was wegen des dichten LKW-Verkehrs schon beschwerlicher ist. Von Lemberg bis zum Wallfahrtsort hingegen, etwa 120km weit, erfordern die Straßen dann wirklich „robuste Autos und harte Fahrer“. Wir benötigten für die Tour wie vorgesehen zwei Tage. Etappen-Station war dabei jeweils Krakau, etwa in der Mitte der Reiseroute und auf der Rückreise zusätzlich Lemberg.

Die erste von 3 Bilder-Serien (siehe Link unten) zeigt den Marktplatz von Krakau mit Rathaus, den Tuchhallen und der Marienkirche mit dem Veit Stoß – Altar, den wir aufgrund der späten Ankunftszeit nicht besichtigen konnten (siehe Krakauer_Hochaltar).

Mönchs-Kapelle, in die Gebetsanliegen und Spenden eingeworfen werden können
Bei der Hinfahrt ging es nach etwa einstündigem Grenzübergang weiter bis Lemberg zum modernen Priesterseminar mit mehr als 200 Griechisch-Katholischen Priesteramt-Kandidaten. Insgesamt gibt es momentan in der Ukraine ca. 650! In Lemberg befindet sich auch eine moderne Griechisch-Katholische Universität, wo wir auf dem Rückweg in komfortablen Studenten/Dozenten - Zimmern übernachten konnten. Bei der Rückfahrt ließen wir uns von Frau Schtschur ein wenig durch Lembergs Zentrum und Kirchen führen. Davon handelt die dritte Bilderserie, während die zweite Serie den Wallfahrtsort und Teile der Wallfahrt zeigt.

In Zarvanytsya kamen wir nach einer Fahrt durch die Nacht auf recht schlechten Straßen am Freitag, dem 13.9., etwa 22:30 Uhr Ortszeit an. Zarvanytsya ist gegenüber Deutschland eine Stunde voraus. Wir wurden sofort an den von Theologiestudenten gedeckten Tisch gesetzt. Das Tischgebet beinhaltet immer das „Vater Unser“ und wird dort meist mehrstimmig gesungen.

Die Speisen waren meist einfach und bestanden u.a. aus „Gretschka“, Buchweizengrütze, die leicht süßlich schmeckt, was daran erinnert, dass die Pflanze während der Blütezeit sehr von Bienen frequentiert wird. Buchweizengrütze kann mit Beilagen von „salzig bis süß“ kombiniert werden. Wir hatten dazu u.a. Wurstscheiben, ähnlich unserer Jagdwurst, und Tee. Wenn hohe Persönlichkeiten, z.B. der Bischof, an einem Essen teilnahmen, gab es auch einige Trinksprüche zu Wodka oder Wein. Unser Quartier war in einem kleinen Holzhaus, dessen Zimmer auch mit Nasszellen ausgerüstet waren.

Der Sonnabend, 14.9., begann mit der offiziellen Begrüßung, wobei wir auch die Zarvanytsya - Geschichte und die Kathedrale erklärt bekamen. Bischof Koltun traf ein und die Wallfahrt wurde feierlich vor und in der alten Wallfahrtskirche, die ca. einen Kilometer vom der Kathedrale entfernt liegt, eröffnet. Der Chor sang, Soldaten trugen Fahnen und Ikonen, ein Militär-Musikkorps spielte. Zwischen all die Wallfahrer/innen mischten sich immer wieder einige Hunde, als ob sie einfach dazu gehörten. Es wurde erzählt, dass manche Pilger ihre oder ihnen auf dem Hinweg zugelaufenen Hunde am Ort zurückließen. Manche Pilger oder die Seminaristen füttern die Hunde mit Speiseresten.

Von der alten Kirche ging es in feierlicher Prozession zur Bühne unterhalb der Kathedrale, wo Ansprachen gehalten, Gebete gesprochen und vom Chor gesungen wurde. Auch das Militär-Blasorchester spielte. U.a. wurde das Wallfahrtslied feierlich von einem Offizier vorgetragen.

Daran schloss sich, schon am Nachmittag, der Kreuzweg an. An jeder Kreuzwegstation wurde eine (nach unserem deutschen Geschmack etwas zu lange - aber was sagt das schon!) Betrachtung oder Predigt von jeweils einem anderen Geistlichen gehalten. Die Betrachtung von Msgr. Simon wurde ins Ukrainische übersetzt. Da Msgr. Simon bei einer vorhergehenden Wallfahrt zum Erzpriester der Griechisch-Katholischen Kirche ernannt worden war, trug er bei den geistlichen Handlungen auch das zugehörige goldene Brustkreuz.

Msgr. Joachim Simon bei einer Kreuzweg-Betrachtung, Petro Stanko übersetzt
Langsam wurde es dunkel. Wir begaben uns wieder zu der alten Kirche, hinter der gegen um 19 Uhr eine feierliche Liturgie mit dem Bischof und allen Priestern und Pilgern begann. Die Heilige Liturgie hat zwar im Wesentlichen die gleichen Haupt-Bestandteile wie unsere Heilige Messe, jedoch in einer viel älteren und ausführlicheren Form, der „Göttlichen Liturgie des Heiligen Johannes Chrysostomus“ (siehe Göttliche_Liturgie).

Ich hatte den Eindruck, dass der mehrstimmige Chor fast während aller heiligen Handlungen sang. Obwohl ich eine deutsche Übersetzung der Liturgie zur Hand hatte und mit einer Kerze beleuchtete, konnte ich mich kaum in den einzelnen Gebets-Texten zurecht finden. Vergeblich versuchte ich auch, mit meinem Schul - Russisch - Kenntnissen, wenigstens ein paar Worte der Predigt zu verstehen. Allerdings recht vergeblich, denn erst da wurde mir klar, dass Ukrainisch doch eine andere Sprache als Russisch ist. (Sie ist eher dem Polnischen verwandt). In der ehemaligen Sowjetunion hatte ich zwar einige Wochen in Odessa gearbeitet, doch da hatte man wahrscheinlich „befehlsgemäß“ nur Russisch mit uns gesprochen.

Zurück zur Heiligen Liturgie. Zwei Worte kamen in der Predigt häufig vor: „Palómniztwo“ und „Palómnik“. Das musste „Wallfahrt“ und „Pilger“ heißen! Immer wieder sang der Chor mehrstimmig: „Gospodi pomílui“, ein „Herr, erbarme Dich“. Auch das „Vater Unser“ konnte ich erkennen: „Otsche nasch“. Auch war mir die griechische Anrufung „Hagios athanatos ho Theos“ („Heiliger unsterblicher Gott“) aus unserer Karfreitags-Liturgie bekannt. Das Kreuzzeichen wird sehr häufig gemacht, besonders dann, wenn die Worte „Isus“ (Jesus) oder „Christós“ (Christus) im Gebetstext vorkommen. Übrigens, wenn Pilger dem Bischof begegnen, küssen sie ihm meist die Hand. Weiter entfernt Stehende bekreuzigen sich oft.

Die Heilige Kommunion wird in beiden Gestalten ausgeteilt. Die Priester halten in einer Hand den Kelch, in dem sich Wein und Brotstücklein befinden, in der anderen Hand ein goldenes Löffelchen, mit dem sie Christi Leib den Gläubigen in den Mund legen.

Nach der Heiligen Liturgie, die insgesamt mehr als zwei Stunden währte (siehe dazu unten den Link zum "COr"), formierte sich eine Prozession mit Lichtern nebst (ukrainisch beschriftetem) Tropfschutz zurück zur Muttergottes-Kathedrale, Lichter und Prozession ähnlich wie in Lourdes.

Danach ging es - ich war einigermaßen erschöpft - an die Abendbrottafel mit dem Bischof, zwei, drei Geistlichen und Militärs, sowie zwei Ordensschwestern, die sogleich ihre Wodka-Gläschen auf den Kopf stellten, möglicherweise in Erwartung vieler „Trinksprüche“.

Nachdem sich der Bischof verabschiedet hatte, äußerte Kaplan Stanko den Wunsch, noch zum (teils religiösen) Unterhaltungsprogramm zur Bühne zu gehen. Inzwischen war es 1 Uhr nachts, aber unverdrossen wurde musiziert, gesungen und getanzt, wobei besonders die jungen Leute sich bei den Händen nahmen und einen großen Kreis bildeten. Ich kenne ähnliche Reigentänze aus der sorbischen Lausitz. Etwa um 2 Uhr morgens ging ich erschöpft zu Bett, während die Musik weiter spielte und viele Pilger, teils in Decken gehüllt, noch weiter vor der Bühne sitzen blieben.

Vorbereitung der Liturgie-Feier hinter der alten Wallfahrtskirche
Auf eben dieser Bühne fand am Sonntag Vormittag, dem 15.9., wiederum die Heilige Liturgie mit dem Bischof statt. Mir taten die Geistlichen am Altar ziemlich leid, denn es war empfindlich kalt und windig. Jedoch fiel kein Regen, wie er angesagt war. Weil ich fröstelte, stand ich manchmal auf und ging um den schön mit Blumen bepflanzten Wallfahrtsplatz oder hin zum Turm mit dem großen Gottesmutter-Relief.

Nach der Liturgie wurde wieder musiziert. Das Blasorchester paradierte während das Spiels, die Hunde liefen zwischen durch, als seien sie musikinteressiert. Beifallklatschen mochten sie aus irgend einem Grunde jedoch nicht ertragen (?), denn dann jaulten sie.

Nun wurde langsam Abschied genommen: Geschenke wurden gegenseitig überreicht und es wurde langsam eingepackt. Ein Geistlicher kam mit seinem kleinen Sohn auf mich zu und stellte sich in Deutsch als Gefängnis-Geistlicher vor und richtete an „seinen Kollegen in Berlin“ Grüße aus. Sie seien aus Kiew (ca. 600km entfernt) wegen des LKW - Verkehrs durch die Nacht gefahren und hätten dann früh im Auto geschlafen.

Ein anderer Geistlicher kam auf Msgr. Simon zu und zeigte ihm eine Erkennungsmarke und einen (völlig unversehrten goldenen) Ehering eines gefallenen deutschen Soldaten aus dem 2. Weltkrieg. Beides hatte man in der Ukraine gefunden. Sicherlich lässt sich in Deutschland der Tote identifizieren, um ihn würdig mit seinem Namen zu bestatten. So weit örtlich von Deutschland entfernt und nach so langer Zeit kann einem plötzlich das grausige, sinnlose und von Deutschland begonnene Kriegsgeschehen vor Augen treten!

Am frühen Nachmittag ging es im Konvoi mit Bischof Koltun nach Termopil, wo wir von ihm in einem Restaurant, das lustig und skurril wirkte wie ein „Hundertwasser-Haus“, zu einem fürstlichen ukrainischen Mittagessen eingeladen waren. Bischof Koltun erinnerte daran, dass wir neben Gebeten für unsere Verstorbenen sie natürlich auch manchmal um ihre Hilfe anrufen können.

Nach dem Essen „rumpelte“ unser Auto „unter Lobpreisung des staatlichen Straßenbaus“ :-) nach Lviv/Lemberg, in unser Nachtquartier in der Universität, um am nächsten Morgen das „Sightseeing“ im Zentrum Lembergs zu genießen, von wo dann die Fahrt wiederum nach Krakau erfolgte und von dort am 17.9. nach Berlin.

Text und Fotos: Georg Müller

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Besuchen Sie unbedingt auch die Website des Collegium Orientale hier (abgekürzt "COr", was an lateinisch cor = Herz erinnert).

Wenn ich oben über die für mich ungewöhnlichen Längen der Rituale berichtet habe, so lesen Sie vom deutschen Rektor des COr, der Erlaubnis hat, in lateinischem und griechisch-katholischem Ritus zu zelebrieren, dass er letzteren wegen seiner Tiefe und Feierlichkeit bevorzugt.

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