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Familie als anspruchsvolles System

Das Projekt „Mobilität und Familie“ – ein Beispiel für die gelungene Unterstützung mobiler Arbeitnehmer im Familienalltag

Johanna Mödl ist Pädagogin und Geschäftsführerin am Zentralinstitut für Ehe und Familie in der Gesellschaft
Unabhängig davon, wie Familie definiert wird, sie stellt immer ein sehr komplexes Gebilde dar. Neben den gesellschaftlichen Einflüssen gilt es vielfältige Herausforderungen innerhalb einer Familie zu bewältigen. Nicht von ungefähr wird die Familienpolitik gern als so genannte Querschnittsaufgabe bezeichnet. Alle Ressorts sind "irgendwie" damit befasst, aber keiner kann letztendlich etwas entscheiden, ohne diverse angrenzende Bereiche zu tangieren. Die Familie als Keimzelle der Gesellschaft steht derzeit hoch im Kurs, wird als wichtiger Wert und hohes Gut gelobt, aber es bleibt oft bei Lippenbekenntnissen. Umso erfreulicher ist es, dass die Katholische Militärseelsorge mit ihren Initiativen konkret dazu beiträgt, positive Weichen für gelingendes Familienleben in unserer modernen, mobilen Gesellschaft zu stellen.

Partnerschaft, Ehe und Familie im Spannungsfeld unserer mobilen Arbeitswelt

Als eine große Herausforderung für Ehen und Familien sehen wir heute in der modernen Arbeitswelt den stärker werdenden Mobilitätsanspruch. Während sich die gesamtgesellschaftlichen Rahmenbedingungen sukzessive geändert haben und sich weiterhin im Wandel befinden, sind es bleibende Prinzipien wie Zuverlässigkeit, klare Strukturen und feste Abläufe, wodurch beispielsweise Partnerschaft oder die Entwicklung eines Kindes positiv beeinflusst werden. Inwieweit die berufliche Mobilität in Zeiten der Globalisierung noch mit Familie vereinbar ist, diese Frage stellt sich die Mobilitätsforschung ganz explizit, nachdem mit dem Umzug des Bundestages von Bonn nach Berlin auch die deutsche Politikerelite in starkem Maße von Fernbeziehungen betroffen ist. In Deutschland ist inzwischen jede siebte Beziehung eine Fernbeziehung, somit sind rund vier Millionen Paare davon betroffen. Diese Lebensform ist meist nicht freiwillig und bewusst gewählt, sondern häufig ohne Rücksichtnahme auf den Familienstand und den Wunsch der jeweils Betroffenen vom Arbeitgeber erzwungen (vgl. "Berufsmobilität als Lebensform").
Ein hoher Prozentsatz mobiler Arbeitnehmer befindet sich in der Bundeswehr, bedingt durch zahlreiche Lehrgänge, viele Versetzungen mit der Folge von Wochenendbeziehungen und die steigende Anzahl von Auslandseinsätzen. Letztere sind ein Spezifikum der Fernbeziehungen, zumal zur räumlichen Trennung der Familien zusätzlich die Belastung durch die Gefährdung im Einsatz und die damit verbundenen Ängste zu bewältigen sind.

Hilfestellungen für Familien - überflüssig oder notwendig?

Ergebnis dieses Forschungsprojektes sind konkrete Hilfestellungen für Paare und Eltern in Fernbeziehung. Nachdem das Buch "Gelingende Fernbeziehung. Entfernt zusammen wachsen" von Peter Wendl bereits in dritter Auflage vorliegt und die Elternbroschüre "Wir schaffen das!" von Johanna Mödl über 7000 Mal bezogen worden ist, stellt sich die Frage: Muss das denn sein? Kommen Eltern und Paare nicht auch so ganz gut klar? Natürlich, irgendwie geht es immer! Aber die Erfahrungen gerade in der Elternarbeit zeigen, wie dankbar Eltern Tipps und Anregungen aufgreifen. In drastischen Fällen ist es manchmal "höchste Eisenbahn", dass Eltern dafür sensibilisiert werden, wie sehr ihr Kind unter der Trennung vom Vater leidet. Oft sind es aber auch nur Kleinigkeiten, die dazu beitragen, das Miteinander in der Familie trotz örtlicher Distanz aufrecht zu erhalten. Das Kuscheltier, welches vor der Abreise zwischen Vater und Sohn/Tochter ausgetauscht wird, stellt beispielsweise so ein "Bindeglied" dar und häufig wird daraus ein Ritual: Die Kinder wissen genau, wenn Papa geht, hat er mein Tier dabei und ich bekomme seins - ohne diesen Austausch findet kein Einsatz statt. Oder das Mitbringsel als etwas, das den Einsatz versüßt: "So schlecht war es gar nicht, wenn Papa weg war, weil er dann immer was mitgebracht hat." Solche Erfahrungen weiterzugeben, Eltern und gerade Vätern nahe zu bringen, wie wichtig eine vertrauens- und liebevolle Bindung zu den Kindern ist, stößt auf große Akzeptanz. Eltern, die sich auf die Thematik einlassen, sprechen hinterher von einer Bereicherung und äußern häufig den Wunsch, dass nicht nur die Militärseelsorge solche Angebote für Familien liefern, sondern sich die Bundeswehr selbst als Arbeitgeber deutlich mehr dem "Familienthema" widmen sollte.
Mir dem "Fern-Beziehungs-Projekt" ist gelungen, dass Wissenschaft und Kirche zum Wohle der Familie zusammenarbeiten.

Johanna Mödl Katholische Universität Eichstätt- Ingolstadt, Pädagogin und Geschäftsführerin am Zentralinstitut für Ehe und Familie in der Gesellschaft http://www.kueichstaett. de/zfg