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Vor 100 Jahren in Ulm

Eine Widmung für Garnisonpfarrer Franz Xaver Effinger

Schutzmantelmadonna, die über die Angehörigen des deutschen Heeres und der Marine ihren Mantel ausbreitet (Taufkapelle)
Seinem Hochwürdigen Herrn Garnisonspfarrer Fr. X. Effinger an der katholischen Garnisonskirche zu Ulm zum 25jährigen Priesterjubiläum im Jahre 1907 in kindlicher Liebe und Ehrfurcht gewidmet vom Verfasser - so beginnt ein Buch, das schon durch die äußere Gestaltung seinen besonderen Wert erkennen lässt. Es ist eingebunden in dunkelrotes Leder, das mit Blind- und Goldprägung verziert wurde. Der Titel des Buches ist in Frakturschrift gesetzt und mit floraler Jugendstil-Ornamentik schmückend gerahmt. Unter dem Titel "Die Garnisonskirche zu Ulm 1907" hat der Verfasser auf 79 handgeschriebenen Seiten alle wichtigen Informationen über die erste Garnisonkirche in Ulm zusammengestellt.

Die schöne, jeden Buchstaben in deutscher Schrift lehrbuchmäßig ausschreibende Handschrift gehörte Hermann Maier. Er war Vizewachtmeister und Abteilungsschreiber beim Feldartillerie-Regiment König Karl (1. Württembergisches) Nr. 13 gewesen, bevor er seit dem 26. Oktober 1904 durch Verfügung des königlich württembergischen Kriegsministeriums zum Garnisonküster bestellt wurde.

Er widmete das Buch Pfarrer Franz Xaver Effinger (1857-1926) zu seinem silbernen Priesterjubiläum am 21. Juni 1907. Er war am 5. November 1904 durch den württembergischen König Wilhelm II. (1848-1921) zum ersten Garnisonpfarrer der neuen Garnisonkirche in Ulm ernannt und durch den Rottenburger Bischof Paul Wilhelm Keppler (1852-1926) drei Tage später in sein Amt eingesetzt worden. Mit der Einweihung der Garnisonkirche wurde zugleich eine eigene, von der Zivilpfarrgemeinde unabhängige und selbstständige Militärpfarrgemeinde errichtet.

Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs und trotz der folgenreichen Ereignisse der November-Revolution (1918) und der Bildung der Reichswehr als Berufsheer blieb die katholische Militärpfarrgemeinde weiterhin bestehen. Pfarrer Effinger, der im Ersten Weltkrieg als Divisionspfarrer eingesetzt war, führte sein Amt als Garnisonpfarrer weiter fort. Allerdings wurden seit April 1920 die Stellen für den Hilfsgeistlichen und den Garnisonküster aufgehoben. Der Militärpfarrer unterstützte den Zivilgeistlichen, beide nutzten fortan die Kirche gemeinsam. Der zivilen Kirchengemeinde an der katholischen Garnisonkirche waren aber nur Mitbenutzungsrechte eingeräumt worden. Die Militärpfarrgemeinde bestand weiterhin fort und wurde 1921 vom Bischöflichen Ordinariat Rottenburg als Personalpfarrei betrachtet. Das war eine Besonderheit, denn in anderen Garnisonorten gab es seit 1920 keine eigentlichen Militärpfarrgemeinden mehr. Dort war der Ortspfarrer der zivilen Kirchengemeinde nun zugleich auch für die am Ort wohnenden Militärpersonen zuständig.

Als Garnisonpfarrer Effinger im Jahre 1926 starb, änderte sich am Status der Militärpfarrgemeinde zunächst nichts. Die St.-Georg-Kirche wurde jedoch inzwischen mehr von der zivilen Kirchengemeinde genutzt. Es fanden dort kaum noch Militärgottesdienste statt. Zu Beginn der 1930er Jahre wurden deshalb Verhandlungen aufgenommen, um die Kirche von Reichs- in Kirchenbesitz zu überführen und sie in eine zivile Pfarrkirche umzuwandeln. Dies scheiterte allerdings am beharrlichen Engagement des inzwischen amtierenden Standortpfarrers Maximilian Notz (1873-1958). Mit allen Mitteln suchte er die Garnisonkirche für die Militärseelsorge zu erhalten. Im Mai 1933 hatte er schließlich Erfolg. Der Reichswehrminister zog seine Zustimmung zum Verkauf der Garnisonkirche an die zivile Gesamtkirchengemeinde zurück.

Grundsteinlegung der Garnisonkirche St. Georg in Ulm am Pfingstsamstag, 17. Mai 1902 (siehe auch "zum Bild" unten)
So konnte Hermann Maier im Jahre 1944, inzwischen pensionierter Steuersekretär, das Buch, das er nach dem Tode des Garnisonpfarrers Effinger zurück erhalten hatte, nun ein zweites Mal mit einer Widmung versehen, die zugleich eine unausgesprochene Würdigung des nicht nachlassenden Engagements von Standortpfarrer Notz darstellte. Auf eine nachträglich eingefügte Karte schrieb Maier mit unverändert schöner Schrift: dem Hochw[ürdigen] Herrn Monsignore und Standortpfarrer i. H. M. Notz gewidmet anlässlich des 40jährigen Bestands-Jubiläums der katholischen Garnisonkirche zu Ulm "St. Georg" am 8. November 1944 vom Verfasser Hermann Maier, ehemaliger 1. Garnisonküster und Steuersekr[etär] a. D.

Max Notz, der seit August 1930 als Standortpfarrer im Hauptamt in Ulm an St. Georg berufen worden war, erhielt mit dem Buch eine in zehn Kapiteln gegliederte genaue Beschreibung der Planung und Errichtung des Kirchenbaus, seiner feierlichen Einweihung, seiner genauen inneren und äußeren Gestalt und all der Personen, die an dem Zustandekommen mitgewirkt und die erste personelle Ausstattung gebildet hatten. Hermann Maier hatte sein Buchprojekt nicht nur mit einer schönen Handschrift realisiert, sondern auch mit 20 Fotos bzw. Fotopostkarten illustriert. Auch fügte er seinem einzigartigen Werk einen Grundriss der Kirche bei, der über die Sitzverteilung bei der Einweihungsfeier am 4. November 1904 (vor fast genau 103 Jahren) unterrichtet. Ihre Majestät, König Wilhelm II., saß mit dem Königlichen Haus von Württemberg, den Herzögen Robert und Ulrich, natürlich an exponierter Stelle im Chor.

Bischof Keppler von Rottenburg hatte in seiner Predigt über die St.-Georg-Kirche für heutige Ohren etwas pathetisch gesagt: Mit seinem kraftvollen Gliedergefüge, mit seinen stämmigen Säulen, mit seinem hochragenden Turm ist der Bau fast anzusehen wie ein Held, der Mut und Kraft genug hat, für Jahrhunderte den Kampf aufzunehmen gegen die zerstörende Macht der Zeit. 1904 konnte er nicht ahnen, dass seine Worte fast prophetischen Gehalt haben sollten. Die St.-Georg-Kirche steht auch nach zwei Weltkriegen, nach Liturgiereformen und manch modischem Wandel immer noch so da, wie sie seit 1899 von dem Freiburger Baudirektor Max Meckel (1847-1910) im Zeitalter des Historismus geplant und realisiert worden war: ein Kirchenbau, der in seiner Architektur auf die Formensprache der Spätgotik zurückgreift und einen Innenraum von ähnlichem Reichtum und Farbintensität wie die mittelalterlichen Vorbilder besitzt. Sie hat die zerstörende Macht der Zeit überstanden und erstrahlt nach den Restaurierungen in den Jahren 1977/83 und 1993/95 wieder in der vom Architekten gestalteten Herrlichkeit.

Dr. Monica Sinderhauf


Zum Bild: Grundsteinlegung der Garnisonkirche St. Georg in Ulm am Pfingstsamstag, 17. Mai 1902 (durch Bischof Paul Wilhelm von Keppler in Anwesenheit von König Wilhelm II., der Herzöge Albrecht, Robert und Ulrich von Württemberg, Kriegsminister von Schnürlen, Kultminister Dr. von Weizsäcker, Gouverneur der Festung Ulm von Brodowski und einer Reihe Militärs [Carl Friedrich Frhr. von Weizsäcker (1853-1926), 1900-1906 württembergischer Kultminister, 1906-1918 Ministerpräsident, 1924 Ehrensenator, Großvater des gleichnamigen Physikers und des ehemaligen Bundespräsidenten Dr. Richard von Weizsäcker])
Adresse: St. Georg, Beethovenstraße 1, 89075 Ulm (Oststadt), www.st-georg.telebus.de
Quelle: Archiv des Katholischen Militärbischofs, aus den Teilbeständen "Militärseelsorge vor 1920" und "Standortakten der Militärseelsorge vor 1945"