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Mehr Ehrlichkeit in der Politik

Nicht nur Helfer in Flecktarn

Thomas Wiegold, Redakteur FOCUS
Wenn es um die Bundeswehr geht, ist nur die Linkspartei ehrlich. Sofortigen Abzug der deutschen Soldaten aus allen Auslandseinsätzen fordern die Nachfolger von SED, PDS und WASG - das kann man für blauäugig halten, aber man muss ihnen zu Gute halten: Sie sind konsequent in ihrem Umgang mit den Streitkräften.

Von den anderen Parteien, aber auch und vor allem von der deutschen Öffentlichkeit kann man das kaum sagen. Sicher, in der jüngsten Erhebung des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr (SoWi) landete die Truppe bei der Frage nach dem Vertrauen in öffentliche Einrichtungen mit 87 Prozent auf dem dritten Platz hinter Polizei und Verfassungsgericht (zum Vergleich: die evangelische Kirche landete auf Platz 6, die katholische auf Platz 10). Doch dieses scheinbar so positive Bild täuscht: Die Bevölkerung weiß kaum etwas über die Bundeswehr. "Freundliches Desinteresse", so nannte es Bundespräsident Horst Köhler, bestimmt diese Wahrnehmung.

Und das ist gefährlich. Denn das wohlwollende Bild ist geprägt von einer Politik, die die Bundeswehr als Helfer in Flecktarn verkauft, sozusagen als bewaffnetes Technisches Hilfswerk. Kein Wunder, wenn in der SoWi-Umfrage nur drei Prozent eine Auslandsmission wie die Brandbekämpfung in Griechenland rundweg ablehnen. Bei der ISAF-Schutztruppe in Afghanistan sieht's schon ganz anders aus: Da ist mehr als ein Drittel der Bevölkerung strikt dagegen.

Die Politik handelt dann dem entsprechend. Kein Politiker-Statement zum Einsatz am Hindukusch, in dem nicht die Worte "Wiederaufbau und Entwicklung" auftauchen, aber so gut wie nie das Wort Kampf. Fast so, als schicke das Nato-Mitglied Deutschland seine mehr als 3.000 Männer und Frauen in Uniform zum Brunnen bohren und Schulen bauen nach Afghanistan. Dass zu diesem Einsatz - auch im deutschen Verantwortungsbereich im relativ ruhigen Norden - der gefährliche Krieg gegen Aufständische und Taliban gehört, fällt da gerne hinten runter. Über eine Operation gegen Aufständische im November, die ein deutscher General kommandierte, gibt es bis heute keine offizielle Information aus Berlin.

Die Bevölkerung lässt sich das gefallen. Kein Wunder: so muss man nicht darüber nachdenken, was es eigentlich bedeutet, bewaffnete Soldaten an die Krisenherde dieser Welt zu schicken. Muss sich nicht damit auseinandersetzen, was sich geändert hat seit den Tagen des Kalten Krieges, als jeder Bundeswehrsoldat als Schutz gegen den Warschauer Pakt wahrgenommen wurde. Deutsche Soldaten weltweit im Einsatz - das erinnert viele immer noch an die unseligen Zeiten, als das Militär Instrument verbrecherischer Angriffskriege war. Selbst wenn sie diese Zeiten nur vage vom Hörensagen kennen.
Die Bundeswehr und ihre Aufgaben haben sich seit dem Fall der Mauer schneller geändert, als die Bevölkerung es wahrhaben wollte. Jetzt müsste sich eigentlich die Bevölkerung mal damit auseinandersetzen, welche Haltung sie in dieser geänderten Welt zu deutschen Streitkräften einnehmen will.

Die Politik könnte ihr dabei helfen - wenn die Politiker endlich aufhören würden, eine milliardenteure und schwer bewaffnete Truppe nur als eine Abart von Entwicklungshelfern darzustellen. Ihre Waffen, übrigens, haben diese Soldaten zwar auch zur Selbstverteidigung. Vor allem aber, um einem Auftrag gerecht zu werden: Soldaten sind das Mittel eines Staates, legitime Gewalt einzusetzen. Dazu kann man stehen wie man will. Aber man kann es auf Dauer nicht leugnen.

Internet-Tipp:
"Augen geradeaus!"