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Unendlich dankbar

von Reinhold Robbe

Wenn ich auf das hinter uns liegende Jahr zurückblicke, habe ich in erster Linie viele Gesprächspartner vor Augen - bekannte und weniger bekannte Gesprächspartner. Menschen innerhalb und außerhalb der Bundeswehr. Menschen, die mir aus ihrem Leben berichteten. Naturgemäß ging es dabei oft um Themen, die direkt oder indirekt mit dem Dienst in der Bundeswehr zu tun hatten. Oder um die großen sicherheitspolitischen Fragen: Wie lange bleiben unsere Soldaten noch auf dem Balkan? Wie geht es weiter in Afghanistan? Aber am meisten berührt haben mich einige Begegnungen mit Soldaten, die gezeichnet waren von den Folgen eines Auslandseinsatzes.

Da war beispielsweise der durch einen Terroranschlag in Afghanistan schwer verletzte Kamerad, den ich in einem Bundeswehr-Krankenhaus besuchte. Seit dem Anschlag waren viele Wochen vergangen. Aber erst wenige Tage vor meinem Besuch hatten ihn die Ärzte aus dem künstlichen Koma geholt. Sein Immunsystem war noch sehr geschwächt, so dass mich die Ärzte baten, Kittel und Mundschutz anzuziehen, bevor ich das Krankenzimmer betrat.

Dem Besuch waren einige Telefonate mit dem Chefarzt der Klinik vorausgegangen. Ich wollte auf jeden Fall unnötige Belastungen für den schwer verwundeten Soldaten vermeiden. Deshalb war ich auch nicht wirklich sicher gewesen, ob ich den Soldaten zu diesem Zeitpunkt überhaupt besuchen sollte. Aber der Arzt hatte mich dazu ermuntert.

Vor mir im Krankenbett lag ein junger Mann, dessen gesamter Körper großflächige Verbrennungen und weitere komplizierte Verletzungen aufwies. Er war sichtlich gezeichnet von den durchlittenen Qualen. Trotzdem strahlte der junge Soldat eine kaum zu beschreibende Zufriedenheit aus, die ich in dieser Situation nicht erwarten konnte. Dann sprach er mit mir recht unbefangenen über die Folgen des Anschlags: Er hob die Bettdecke und zeigte mir sein mit Schrauben und Stahlstiften fixiertes Bein, berichtete mir, wie großartig er gepflegt und versorgt werde im Krankenhaus. Gleichzeitig lobte er die Ärzte und ebenso seine Kameraden vom Heimatstandort, die ihn praktisch rund um die Uhr betreuten.

Ich konnte es kaum fassen: Vor mir lag ein Mensch, der sich aufgrund seiner schweren Verwundungen kaum bewegen konnte und trotzdem nicht einmal den Hauch von Verzweiflung oder Entmutigung erkennen ließ. Dieser junge Soldat war einfach nur unendlich dankbar, dass er den schweren Anschlag überlebt hatte. Nicht einmal die Tatsache, dass er das von mir geschenkte Buch wegen seiner beiden verbundenen Hände nicht anfassen konnte, stimmte ihn traurig. Ganz im Gegenteil. Er bedankte sich herzlich dafür und sagte beim Abschied geradezu aufmunternd: "Keine Sorge – in ein paar Tagen kann ich die Seiten des Buches wieder selber umblättern.“