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Wenn der Krieg nicht endet

Schicksale von traumatisierten Soldaten und ihren Angehörigen

von Leah Wizelman

Verlag Balance Buch + Medien, ISBN: 978-3-86739-052-1, €14,95
Dass Krieg neben körperlichen Verwundungen auch Auswirkungen auf die menschliche Seele haben kann, ist keine Erkenntnis der Neuzeit: Als „Soldatenherz“ bezeichnete man im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg psychisch gezeichnete Frontkämpfer; „Kriegszitterer“ und „Kriegsneurotiker“ kamen aus dem ersten Weltkrieg nach Hause; Soldaten erkrankten im zweiten Weltkrieg an „Kriegsmüdigkeit“ und der Vietnamkrieg schließlich prägte den Begriff der „Posttraumatischen Belastungsstörung“ (PTBS). Nach den Filmen „Willkommen zuhause“ und „Nacht vor Augen“ wurde das Thema auch in Deutschland einer breiteren Öffentlichkeit bekannt, und die steigende Zahl der aus dem Auslandseinsatz traumatisiert zurückkehrenden Soldaten zeigt, wie wichtig die Beschäftigung mit dem Thema ist, auch wenn die Fallzahlen in der Bundeswehr deutlich unter den Vergleichszahlen anderer Nationen liegen.

Leah Wizelmans Buch füllt diese nüchternen statistischen Zahlen mit Leben. Ihre Sammlung von sehr persönlichen Schicksalen an PTBS erkrankter Soldaten und ihrer Angehörigen bietet einen Streifzug durch die Streitkräfte verschiedener Nationen. Dabei kommen auch deutsche Soldaten und ihre Lebenspartner zu Wort, die von ihrem Trauma, ihrer Erkrankung und dem Weg zur Heilung erzählen. Der Autorin gelingt es eindrücklich, die Symptom-Trias der Störung in insgesamt 21 unterschiedlichen Biografien herauszuarbeiten. So hat jeder Betroffene ein individuell einzigartiges Erleben seiner Erkrankung. Die Symptome jedoch ähneln sich: Aus der Vielzahl der Einzelschicksale kristallisiert sich Stück für Stück ein allgemeingültiges Bild der Krankheit in der Vorstellung des Lesers heraus.

Neben den Erfahrungsberichten der Betroffenen bilden eine kurze Darstellung der Kriterien der Posttraumatischen Belastungsstörung, ein Überblick über Schutz- und Risikofaktoren für die Entwicklung einer PTBS, Therapiemöglichkeiten sowie Hilfsangebote und Ansprechpartner innerhalb und außerhalb der Bundeswehr den sachlichen Rahmen dieses Buches.

In den Kontext der vorhanden Literatur gesetzt, stellt Wizelmans Buch ein Novum dar: Erstmals kommen in einem deutschsprachigen Buch auch betroffene Bundeswehrsoldaten zu Wort. Die Thematik wird durch eine gelungene Mischung von Information und kurzen biografischen Erzählungen nicht nur dem fachlich versierten Leser, sondern auch interessierten Laien erschlossen.

Leider schaffen es die kurzen Biografiesplitter nicht immer, den Leser vollständig in das einzelne Schicksal hineinzuversetzen. Die Autorin hat sich dazu entschieden, Interviews zu einzelnen Geschichten zusammenzufassen und dabei Gemeinsamkeiten der Krankheitsbilder herauszuarbeiten. Die Beschränkung auf wenige Betroffene hätte vielleicht Raum gegeben, einzelne Traumabiografien detaillierter zu beschreiben und damit ein lebendigeres und intensiveres Bild der einzelnen Schicksale zu zeichnen. Zu hinterfragen ist auch die ausführliche – oft präparatsbezogene – Erwähnung der Medikation der Traumapatienten. Das Interesse der Autorin als in der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie promovierende Biologin an pharmazeutischen Details ist verständlich, für einen Laien in dieser Tiefe jedoch kaum interessant.

Insgesamt ist die Intention der Autorin mit ihrer Publikation aufgegangen: Sowohl Betroffene als auch Angehörige sind in der Lage, sich in dem Buch wiederzuerkennen und festzustellen, dass sie nicht „verrückt“ und keine „Weicheier“ sind. In der breiten Öffentlichkeit kann dieses Buch das Bewusstsein für die psychische Krankheit weiter schärfen und damit der Entstigmatisierung von PTBS-Betroffenen dienen. Im psychosozialen Bereich arbeitende Fachleute (Psychologen, Seelsorger und Sozialarbeiter) sind mit diesem Buch in der Lage, auf sehr persönliche Berichte zurückzugreifen, um Theorie und Fachwissen mit Leben zu füllen.

Oliver Krückel