Gedenkansprache des Katholischen Militärbischofs für die Deutsche Bundeswehr, Dr. Walter Mixa - Bischof von Eichstätt, am Ehrenmal des Heeres in Koblenz

am 22. November 2001

Frau Parlamentarische Staatssekretärin Brigitte Schulte,
Herr General Gudera,
Herr Präsident des Kuratoriums General Schulz,
meine Herren Generale,
verehrte Anwesende!
Am Ende dieser Gedenkfeier am Ehrenmal des Deutschen Heeres werden wir als Trompetensolo das Lied vom guten Kameraden hören. Immer, wenn wir diese Weise hören, berührt es uns. Das Lied vom guten Kameraden geht unter die Haut.


Der Text zu diesem Lied stammt von Ludwig Uhland. Es heißt da:

Der gute Kamerad

Ich hatt einen Kameraden,
Einen besser´n findst du nit.
Die Trommel schlug zum Streite,
Er ging an meiner Seite
In gleichem Schritt und Tritt.

Eine Kugel kam geflogen,
Gilt´s mir oder gilt es dir?
Ihn hat es weggerissen,
Er liegt mir vor den Füßen,
Als wär´s ein Stück von mir.

Will mir die Hand noch reichen,
Derweil ich eben lad:
"Kann dir die Hand nicht geben,
Bleib du im ew´gen Leben
Mein guter Kamerad!"


Koblenz, 22.11.2001. Als Hinterbliebene der guten Kameraden stehen wir heute hier, als Hinterbliebene gedenken wir der Opfer der Kriege und der Gewaltherrschaft. Es berührt uns merkwürdig, wenn wir in einer Todesanzeige unseren eigenen Namen in der Reihe der Hinterbliebenen lesen. Wir wissen, dass wir selbst in dieser Reihe immer höher rücken, bis eines Tages auch dieser unser eigener Name in großen Lettern und fett gedruckt wird. Heute stehen wir aber als Hinterbliebene an diesem Denkmal, das uns mahnt: Denk mal nach!

Die, derer wir hier gedenken haben in Treue ihre Pflicht getan. Wie wir Heutigen wissen, sind die meisten aber einen sinnlosen Tod gestorben, von einem totalitären System in die Vernichtung geschickt. Und deswegen spricht ihr Schicksal über das Grab hinaus zu uns. Das Gedenken ist nicht nur Erinnerung, sondern auch Mahnung. Eine Mahnung heißt, dass der Staat nie für das Ganze (totum) zuständig sein darf, denn dann wird er totalitär, wie wir an der braunen und roten Diktatur gesehen haben. Gebt nicht dem Kaiser, was Gottes ist! Diese Gefahr sehen wir heute in unserem Gemeinwesen so nicht, dafür aber ist eine andere real. In aller innerweltlichen Betriebsamkeit, die uns umtreibt, scheint der Sinn für das Transzendente immer mehr zu schwinden.

Dabei steht doch in unserer Verfassung: "In Verantwortung vor Gott und den Menschen..."

Wenn der Begriff "Gott" hier nicht nur steht als philosophische Chiffre, für ein Prinzip, für ein zwischenmenschliches Etwas, für ein leeres All ohne Echo, sondern gemäß unserer christlich abendländischen Tradition den Gott der Väter meint, der in Jesus Christus offenbar geworden ist, so fordert dies unser Denken und Handeln immer neu heraus.

Wir stehen immer und überall unter seinem Anspruch, unter seinem Gebot. Eines dieser Gebote heißt: "Du sollst deinen Nächsten lieben, wie dich selbst." Wir brauchen uns ja nur eine Minute lang ausmalen, was auf diesem Globus los wäre, wenn dieses Gebot Gottes "Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst" wirklich beachtet würde!?

Es gäbe keine Soldaten mehr, keine Bomben, keine Gefängnisse, keine Schlösser, keine Riegel.

Wir wissen aber, dass die Realität auf dieser Erde eine andere ist. Es gibt immer wieder Menschen, die - wie wir in unserer deutschen Muttersprache sagen - keinen Gott und kein Gebot kennen.

Wenn der Diktator, der Terrorist, der Folterknecht wirklich daran glauben würde, dass er einmal vor Gott Rechenschaft über sich und sein Leben ablegen müsse, so würde er doch das nicht tun, woran andere verzweifeln. Um den schlimmen Verbrechen gegen die Menschheit Einhalt zu gebieten, braucht es weiter den Dienst des Soldaten. Sein Tun aber muss von hohem Verantwortungsbewusstsein geprägt sein, sein Dienst im Lichte des göttlichen Anspruches reflektiert werden.

So verstehen wir es richtig, wenn der Völkerapostel Paulus uns im Brief an die Epheser zu ruft:

"Werdet stark durch die Kraft und Macht des Herrn! Zieht die Rüstung Gottes an ... gürtet euch mit Wahrheit, zieht als Panzer die Gerechtigkeit an ... als Schuhe die Bereitschaft für das Evangelium vom Frieden zu kämpfen, greift zum Schild des Glaubens, ... nehmt den Helm des Heiles und das Schwert des Geistes, das ist das Wort Gottes."

Wenn wir in dieser Stunde dem Leben, dem Sterben und dem Tod der Gefallenen nur einen gewissen Sinn zusprechen würden, in dem dass er uns Mahnung ist, so wäre dies dürftig. Der kritische Theoretiker der Frankfurter Schule stellt einmal fest, dass das Glück der Enkel das Leid der Ahnen nicht wieder gut macht.

Was ist also mit denen, derer wir heute gedenken, was ist mit diesen Toten? Im Credo der Kirche bekennen wir: "Wir erwarten die Auferstehung von den Toten." Dies mag sich nach unwirklichem Trost, ja nach Vertröstung anhören. Trotzdem: Ich kann es auch in dieser Stunde nicht weniger direkt und anstößig formulieren.

Wir wissen als Gläubige Menschen, dass es sich hier um eine verläßliche Wahrheit handelt, von der es in der Totenpräfation der Heiligen Messe heißt: "Deinen Gläubigen, oh Herr, wird das Leben gewandelt nicht genommen!"

Beten wir in diesem Sinn für unsere Toten!

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