Statement des Katholischen Bischofs für die Deutsche Bundeswehr bei der Zweiten Europäischen Konferenz der Militärbischöfe in Rom vom 17. bis 19. Januar 2002"Die Gesetzgebung zur Katholischen Militärseelsorge in der Bundesrepublik Deutschland"Nach der vernichtenden Niederlage Deutschlands im Zweiten Weltkrieg und dem Ende der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft bestanden in der (westdeutschen) Bundesrepublik bis 1955 keine bewaffneten Streitkräfte. Vor der Gründung der Deutschen Bundeswehr im Jahre 1955 waren sich Bundesregierung und Bundestag darüber im klaren, dass sich die neuen deutschen Streitkräfte wesentlich von ihren historischen Vorgängern unterscheiden mussten. Zu den verfassungs- und staatsrechtlichen Grundsätzen, die bei der Einrichtung der Bundeswehr darum Anwendung fanden, gehört die volle parlamentarische Kontrolle über die Armee, die Trennung von Streitkräften und Bundeswehrverwaltung, die Prinzipien "Innerer Führung" sowie die Eingliederung der Streitkräfte in ein westliches Verteidigungsbündnis.
1. Allgemeine Rechtsgrundlagen der Militärseelsorge
"Die Militärseelsorge ist der von den Kirchen geleistete, vom Staat gewünschte und unterstützte Beitrag zur Sicherung zur freien religiösen Betätigung in den Streitkräften", (Zentrale Dienstvorschrift 66/1 Militärseelsorge vom 28. 08.1956, Nr. 1). In diesem Grundsatz kommt zum Ausdruck, dass die eigentliche Grundlage für jede Militärseelsorge im Grundrecht des Soldaten auf die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die des religiösen Bekenntnisses sowie des Rechtes auf ungestörte Religionsausübung (Art. 4 Abs. 1 u. 2 GG ) besteht. Nicht ein irgendwie geartetes Interesse des Staates oder der Streitkräfte, sondern das verfassungsmäßige Grundrecht des Soldaten steht also im Mittelpunkt. Der Staat sichert den organisatorischen Aufbau der Militärseelsorge und trägt ihre Kosten, ihre inhaltliche und personelle Ausgestaltung ist Sache der Kirche. Insofern ist es nur konsequent, dass zur Grundlegung der Militärseelsorge jeweils entsprechende Verträge mit der sie ausgestaltenden Kirche abgeschlossen werden (kooperatives Selbstbestimmungsrecht der Kirche gem. Art. 140 GG i.V.m. den "Kirchenartikeln" 136 - 139 und 141 der Weimarer Verfassung). Die vertragsmäßige Rechtsgrundlage für die Katholische Militärseelsorge in Deutschland findet sich im Reichskonkordat vom 20. Juli 1933, Art. 27 mit Zusatzartikeln im Schlussprotokoll. Dementsprechend werden die "Statuten" in Verbindung mit einem "Apostolischen Breve" geregelt, zuletzt durch "Moventibus Quidem" vom 23. November 1989.
Mit der Evangelischen Kirche in Deutschland wurde analog dazu der durch ein Bundesgesetz ratifizierte "Militärseelsorgevertrag" vom 22. Februar 1957 abgeschlossen. Zentrale organisatorische Regelungen wurden - einvernehmlich zwischen beiden Kirchen und der Bundesregierung - in analoger Weise getroffen.
Im grundlegenden "Soldatengesetz", in dem die statusrechtlichen Bestimmungen für alle Angehörigen der Streitkräfte enthalten sind, wird in Paragraph 36 festgelegt, dass "der Soldat einen Anspruch auf Seelsorge und ungestörte Religionsausübung" hat.
Alle den Bereich der Streitkräfte betreffenden Regelungen werden grundsätzlich in Form von Zentralen Dienstvorschriften oder ministeriellen Erlassen des Bundesministers der Verteidigung getroffen; insofern sie die Militärseelsorge betreffen, geschieht dies einvernehmlich mit dem Militärbischof oder seiner Kurie.
Ingesamt lässt sich feststellen, dass die genannten allgemeinen rechtlichen Grundlagen der Katholischen Militärseelsorge in Deutschland die Freiheitsrechte der Kirche sowie der Katholiken in vollem Umfang wahren und darauf abstellen, eine fruchtbare und leistungsfähige pastorale Tätigkeit in der Militärseelsorge zu gewährleisten. Deshalb besteht zwischen Staat und Kirche Einvernehmen, dass auch künftig an diesen Grundlagen keine Veränderungen vorgenommen werden sollen.
Schließlich bleibt noch anzumerken, dass eine Seelsorge für die Soldaten der Nationalen Volksarmee der (kommunistischen) Deutschen Demokratischen Republik seitens der Staatspartei SED und der Regierung der DDR ausdrücklich abgelehnt worden war. Eine Seelsorge konnte darum nur in der heimatlichen Ortsgemeinde bzw. - meist in heimlicher Form - in den Kirchen und Pfarrhäusern der Garnisonsorte stattfinden; institutionelle oder auch nur offizielle Beziehungen zwischen kirchlicher Seelsorge und den militärischen Verbänden und Dienststellen gab es nicht.
2. Hauptmerkmale der staats-kirchenrechtlich vereinbarten Struktur der Katholischen Militärseelsorge in Deutschland
Die organisatorische Struktur der Militärseelsorge in Deutschland zeichnet sich durch folgende Elemente aus:
a. Die Leitung der Militärseelsorge obliegt dem Militärbischof, der dieses Amt neben dem eines residierenden Diözesanbischofs wahrnimmt. Er steht in keiner unmittelbaren Rechtsbeziehung zum Staat und ist von staatlicher Weisung unabhängig.
b. Der vom Militärbischof im Einvernehmen mit der Bundesregierung ernannte Generalvikar ist als Staatsbeamter Leiter einer Bundesoberbehörde (Katholisches Militär- bischofsamt). Er ist der alleinige und unmittelbare Dienstvorgesetzte aller Militärseelsorger.
c. Die Militärgeistlichen sind keine Soldaten, sondern Beamte (Zivilisten). Sie sind in Wahr- nehmung der Seelsorge von staatlichen Weisungen frei. Sie werden im Einvernehmen mit dem entsendenden Diözesanbischof oder Ordensoberen für den Dienst in der Militärseselsorge frei- gestellt.
3. Zukunftsperspektiven
Angesichts der veränderten weltpolitischen Lage werden deutsche Streitkräfte vermehrt unter der Verantwortung der Vereinten Nationen oder im Rahmen des Nato-Bündnisses eingesetzt. Hinsichtlich der Militärseelsorge gelten hier ausschließlich die nationalen rechtlichen Regelungen.
Um eine wirkungsvolle Zusammenarbeit der (Katholischen) Militärseelsorgen der einzelnen Länder im Rahmen von Auslandseinsätzen gewährleisten zu können, sind künftig allgemeine Normen bzw. Absprachen zwischen den betreffenden Militär-Ordinariaten erforderlich. Dies ist insbesondere darum erforderlich, weil sich die jeweiligen nationalen staatlichen und militärischen Rechtsgrundlagen von anderen nicht unerheblich unterscheiden.
Da auf mittlere und längere Sicht mit einer Integration der Streitkräfte der einzelnen Staaten der Europäischen Union zu rechnen ist, werden die entsprechenden Rechtsgrundlagen einer Weiterentwicklung bedürfen. Aus der Sicht der Katholischen Militärseelsorge in Deutschland muss dabei darauf geachtet werden, dass die hier bestehenden kirchlichen Rechte, insbesondere die Unabhängigkeit der Militärseelsorge, gewahrt bleiben. |