„Gott ist alles, ich bin nichts“ (Johannes XXIII.)

Einweihung der neuen Kapelle im Bundeswehrkrankenhaus Amberg am 15. Mai 2002

Militärbischof Dr. Walter Mixa mit Militärgeneralvikar Walter Wakenhut (r.) und Militärpfarrer Stefan Scheifele (l.)
Amberg, 15.5.2002. Der helle Sonnenschein eines warmen Maitages durchflutete die neue Bundeswehrkrankenhauskapelle in Amberg. Es war soweit. Jahrelange Bemühungen fanden nun ihren krönenden Abschluss: Im Neubau des Bundeswehrkrankenhauses konsekrierte am 15. Mai 2002 Militärbischof Dr. Walter Mixa Altar und Kapelle, die dem Patronat des Seligen Papstes Johannes XXIII. anempfohlen wurde. Patienten, Angestellte, Soldaten und Soldatinnen haben nun endlich einen würdigen Raum erhalten, in dem sie mit all ihrer Freude und Hoffnung, Trauer und Ängsten zu Gott finden können.

Seit einigen Jahren vollzieht sich abschnittsweise die gesamte bauliche Erneuerung des Bundeswehrkrankenhauses in Amberg. Der bisherige Andachtsraum befand sich disloziert im zweiten Stock des Altbaus. Nur wenige Menschen hatten den komplizierten Weg in diesen Raum der Stille gefunden. Von daher waren die Überlegungen durchaus berechtigt, im Konzept des Neubaus auch an eine neue Kapelle zu denken. Was sich hier in einem Satz beschreiben lässt, war aber eine jahrelanger und mühevoller Weg. Bei allen sinnvollen Überlegungen und Offenheit aller Verantwortlichen stand die finanzielle Machbarkeit eines solchen Projektes immer in Frage.

Nach Absprache beider zuständigen Wehrbereichsdekane der katholischen wie der evangelischen Militärseelsorge übernahm ab März 1997 die Katholische Militärseelsorge die Federführung des Projektes. Konzepte, Planungen und Entwürfe sammeln sich seit diesem Zeitpunkt in einem dicken Ordner. Hand in Hand wurde zwischen Militärseelsorger, Pfarrhelfer, Chefarzt und den zuständigen Verantwortlichen der Wehrbereichsverwaltung und des Hochbauamtes verhandelt, entdeckt, entworfen, geplant und durchgeführt. An dieser Stelle sei allen gedankt, die in diesen Jahren mit Hand angelegt haben, vor allen jenen, die am Tag der Einweihung nicht vor Ort sein konnten.

Wie willkommen ein neuer Andachtsraum ist, zeigt sich allein dadurch, welchen Platz er im Konzept des Neubaus erhalten hat. Im zentralen Bereich des Erdgeschosses liegt die Kapelle gut zugänglich am Rande, ohne dabei sich im Abseits fühlen zu müssen. Wer in die Kapelle die Begegnung mit Gott sucht, kann sich ungehindert über Eingangsbereich an der Besuchercafeteria vorbei dorthin bewegen. Selbst die Betreuungseinrichtungen der Soldaten finden sich in direkter Nachbarschaft zur Kapelle. Jeder, ob Angestellter oder Soldat, kann nun zu einem kurzen Gebet unauffällig und auf kurzem Weg die Kapelle aufsuchen.

Altarweihe: Weihrauch wird als erstes Opfer auf dem Altar entzündet
Die weiten Eingangstüren eröffnen den Besucher ein ovales Halbrund, das den Betrachter sogleich die Einzigartigkeit des sakralen Raumes einladend erschließt. Erstaunt wird der Betrachter sein, wenn sein erster Blick auf das Zentrum fällt: Ambo, Altar und Tabernakel sind in ihrer Art ungewohnt und einmalig. Glattes, festes Buchenholz wird ummantelt mit knorrig zerfrästen Holzpanelen. Der sich fragende Besucher wird einen Schritt nach vorne gehen und die Antwort dann neben sich finden. „Durchblick“ heißt die Skulptur des Bildhauers Andreas Kuhnlein. Sie steht in der letzten Stuhlreihe und solidarisiert sich so mit jedem, der die Kapelle betritt. Sie stellt den heutigen Menschen dar.

Die Person, dargestellt in gebückter, beinahe gebeugter Haltung ist in ihrer Oberfläche nicht glatt geschliffen und schön anzusehen, sondern vielmehr zerklüftet und verletzt - eben wie jeder und jede unter uns. Niemand ist bislang ohne Verletzungen und Verwundungen durchs Leben gegangen. Manchmal sind die seelischen oder körperlichen Schmerzen so groß, dass kein Ausweg mehr in Sicht ist. So platzierte der Künstler diese Skulptur stehend vor einem Brett, das auf Augenhöhe eine Öffnung in sich birgt. Durch diese Öffnung vollzieht sich der „Durchblick“, der Blick auf Ambo, Altar und Tabernakel. Dort findet der ratsuchende Mensch die Antwort Gottes, weil er sich selber dort wieder findet, ungeschminkt und zerklüftet mit all seinen Sorgen, haftend an Gottes Wort und lebend von der Wirklichkeit der Gegenwart Gottes in der Eucharistie.

Der Mensch darf ungeschminkt bei Gott sein, darf ohne Maske in diesem Raum sein, braucht bei Gott keine Zerrbilder leben, sondern darf einfach nur er selber sein. Das glatte und feste Buchenholz, an dem das grobe Holz haftet, symbolisiert unsere untrennbare Verbundenheit mit Gott. Von ihm leben wir, aus diesem Zentrum erhalten wir die Kraft für den Alltag. Die Hl.Geist Taube über dem Tabernakel zeigt diese Verbindung zwischen Gott und uns Menschen am besten, in und an ihr findet sich beides, das Glatte und das Verwundete in uns Menschen.

Diese Begegnung zwischen Gott und den Menschen bewirkt die Gesamtatmosphäre unseres Daseins und somit die Gesamtatmosphäre dieser Kapelle. Da die Begegnung mit Gott nichts statisches und festes ist, kann sie schlecht in feste Formen gepackt werden. So musste zur Vollendung der Kapelle noch ein künstlerisches Moment gefunden werden, dass die Dynamik in der Gottesbegegnung eröffnet, sich aber zugleich in das bereits entstandene Gesamtbild einbettet.

Der Künstler Ralf Meisner vollendete mit seinen Glasfenstern dieses Durchatmen Gottes in diesem Raum. In sechs vertikalen Glasfenstern, vom Boden bis zur Decke verlaufend, zeugen unaufdringlich komponierte Farbgebungen von der Lebendigkeit Gottes. Sicherlich gibt es für die farbige Illustration vom Künstler gedachte Titulierungen, aber bewusst werden sie hier verschwiegen, denn die Beziehung Gottes zu den Menschen ist so individuell geartet, dass ein jeder selbst seinen eigenen Titel finden darf, wenn Gott durch diese Fenster zu ihm spricht.

Militärbischof Walter Mixa segnet die Kapelle und den Altar
Glocken, vor allem große Glocken, sind in einem Krankenhaus sehr ungewöhnlich. Nichtsdestotrotz gibt es in dieser Kapelle zwei große Kirchturmglocken – zwar ohne einen Kirchturm, der wurde uns verwehrt, aber beide hängen an der Seitenwand der Kapelle in einem Glaskasten auf Augenhöhe. Der Werdegang dieser beiden Glocken aus den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts entspricht einer langen Odyssee, beginnend in Münsingen über München und nun mit all ihren Spuren der letzten Jahrzehnte hängend in der neuen Kapelle. Das Betrachten dieser Glocken ermöglicht tiefe Meditation, den die unleugbaren Spuren der Vergangenheit laden metaphorisch ein, seine eigene Vergangenheit in diesen Rahmen zu stellen, denn auch wir stehen im Spannungsfeld der göttlichen Atmosphäre und der irdischen Wirklichkeit. So öffnen die Glocken die Wand der Kapelle zur Welt hin und selbst der Mensch, der Gott fern steht, wird durch diese Komposition der eingebetteten Glocken von außen neugierig auf das Innere der Kapelle gemacht.

So sind alle Verantwortlichen und Beteiligten froh und dankbar, dass als Lohn aller Bemühungen am 15.Mai 2002 die Kapelle in einem feierlichen Pontifikalamt ihrer eigentlichen Bestimmung übergeben werden konnte. Zahlreiche Gäste aus Politik und Bundeswehr waren der Einladung durch Chefarzt Flottenarzt Dr. Hans-Peter Klieser zur Einweihungsveranstaltung des Bauabschnitts 2 gefolgt. Unter Ihnen befand sich der Kommandeur Sanitätskommando IV Generalarzt Dr. Jürgen Dick, der Oberbürgermeister der Stadt Amberg, Wolfgang Dandorfer, Militärgeneralvikar Prälat Walter Wakenhut und der Leitende Katholische Militärdekan für den Zuständigkeitsbereich München, Reinhold Bartmann.

Da die Konsekration eines Altares und die Einweihung einer Kapelle durchaus nichts alltägliches ist, war der Gottesdienst an diesem Nachmittag für die meisten Gottesdienstbesucher etwas erst- und wahrscheinlich auch einmaliges. Der Reichtum katholischer Liturgie wird bei einem solchen Geschehen voll und ganz ausgeschöpft und vor allem die Salbung des Altares hinterließ bei Gläubigen wie Nichtgläubigen ein tiefes Erlebnis religiöser Tiefe. Die brillant gewählten Worte bei der Predigt des Bischofs erschlossen noch einmal mehr das Gesamtgeschehen und nahmen den Gottesdienstbesucher in seiner Ganzheit hinein, so intensiv, das kaum einem die Länge der Feier aufgefallen ist.

Der Geist dieses Gottesdienstes lässt sich noch heute in dieser Kapelle nachempfinden und es bleibt die berechtigte Hoffnung, dass noch vielen Menschen, die diesen Raum betreten, der Geist Gottes in seiner Tiefe entgegen kommt.

(Text: Militärpfarrer Stefan G. Scheifele, Katholischer Standortpfarrer Amberg)

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