Militärbischof Mixa besucht deutsche Soldaten in Kabul

"Sehr bewegend"

KNA-Interview vom 18.10.2002

Der katholische Militärbischof für die Bundeswehr, Walter Mixa, ist von einem Besuch bei deutschen Soldaten in Afghanistan zurückgekehrt. In einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) schilderte der Bischof von Eichstätt am Freitag in Berlin seine Eindrücke aus Kabul.

KNA: Herr Bischof, welchen Eindruck haben Sie von der humanitären Situation in Kabul?

Mixa: Die Situation ist bedenklich, ja erschütternd. Die Industrieanlagen der Stadt sind fast ganz zerstört, auch viele Wohnviertel sind in einem furchtbaren Zustand. Die Menschen leben in Behelfsbehausungen oder hausen in besseren Höhlen. Was dann aber doch stark beeindruckt, ist die Bereitschaft der Bevölkerung, den Neuaufbau zu wagen. Ich habe Soldaten bei einer Patrouillenfahrt durch Kabul und seine Umgebung in einem so genannten Wiesel, einem gepanzerten Fahrzeug, begleitet. Dabei sieht man, wie viele Handwerker ihre Existenz neu aufbauen. Es ist ein regelrechter Aufbauwille in der Bevölkerung zu spüren.

KNA: Wie bewerten Sie die Arbeit der deutschen Soldaten?

Mixa: Diese Arbeit wird von der Zivilbevölkerung mit großer Dankbarkeit aufgenommen. Das gilt vor allem für den Sicherungsdienst. Grund für die Sympathie der Bevölkerung ist auch, dass Deutschland vor Ausbruch des 23-jährigen Krieges wegen seiner Entwicklungshilfe in Afghanistan einen guten Ruf hatte. So werden unsere Soldaten auch auf Patrouille nicht abgewiesen, sondern dankbar aufgenommen. Die Atmosphäre wirkt also gut bis sehr gut.

KNA: Haben Soldaten Ihnen auch Sorgen vorgetragen?

Mixa: Ja. Gerade beim Patrouillengang, aber auch im Camp hatte ich Gelegenheit, eben nicht nur mit der Generalität oder höheren Offizieren, sondern auch mit Mannschaftsdienstgraden zu sprechen. Zwei Aussagen kehrten immer wieder. Zum einen leisten gerade jüngere Soldaten diesen Frieden sichernden Dienst gern, trotz der wirklich schwierigen Bedingungen. Zum anderen haben Soldaten sich auch ganz kritisch geäußert und mich gebeten, darauf hinzuwirken, dass ihr Halbjahreseinsatz gesplittet werden könnte. Viele empfinden die Dauer von sechs Monaten - trotz eines 14-tägigen Heimaturlaubs zwischendurch - als Belastung. Die Soldaten sprechen offen darüber, dass das manchem für seine Beziehung zur Familie, zu Partnern und Freunden doch eine Belastung ist.

KNA: Halten Sie solche Auslandseinsätze der Bundeswehr trotz der hohen Gefährdung für notwendig?

Mixa: Ich persönlich bin ja immer sehr skeptisch und voller Bedenken gegen solche Einsätze gewesen. Nun habe ich auch noch unmittelbar eine erschütternde Erfahrung gemacht. Gleich nach der Landung in Bakram, wir waren gerade in den Fahrzeugen, sahen wir ein Stück neben der Straße einen vielleicht 20-jährigen Einheimischen. Plötzlich ein Knall, eine Stichflamme - er war auf eine Landmine getreten und verlor einen Fuß. Das zeigte beängstigend auf, wie bedrohlich die Situation ist. Aber auf der anderen Seite habe ich verspürt, dass die ISAF-Truppen wirklich einen Frieden sichernden Dienst leisten. Und die Menschen, vom Krieg deprimiert, sind für diese Schutztruppen regelrecht dankbar. Dieser Dienst bringt also etwas. Wir können hoffen, dass dieses Land allmählich zur Befriedung kommt.

KNA: Wurden Sie, zum Beispiel von der Generalität, schon auf das Thema Irak angesprochen?

Mixa: Von der Generalität wurde ich auf das Problem Irak nicht angesprochen, aber von Offizieren und Mannschaftsgraden. Da herrscht die Sorge vor, dass womöglich ein weiterer Einsatz auf die deutschen Soldaten zukommen könnte. Ja die Angst: Hoffentlich trifft uns das nicht. Ich habe den Eindruck, dass die Bundeswehr mit den verschiedenen Auslandseinsätzen wirklich an den Rand der Belastung kommt. Schichtdienste und lange Einsätze, Patrouillenfahrten und ständige Bedrohung verlangen ja auch von den 1.280 Soldaten in Kabul das Äußerste.

KNA: Sie kamen als Militärbischof in ein islamisches Land. Gab es Begegnungen mit dem Islam?

Mixa: Es gab keine offizielle Begegnung mit Vertretern des Islam in Kabul. Aber ich besuchte Projekte der Caritas und hatte zwei Begegnungen mit Kleinen Schwestern von Charles de Foucauld, die die ganze Taliban-Herrschaft in der Stadt ausgeharrt haben. Seit 40 Jahre leisten sie dort in einer ganz unauffälligen Weise ihren christlichen Dienst und leben vor allem in der Armenfürsorge, der Krankenfürsorge und der Sorge für die Kinder ein Zeugnis der Nächstenliebe. Schließlich traf ich die evangelische Christophorusgemeinschaft, die in einem großen Krankenhaus ambulante Arbeit leistet und, so weit es geht, zum Beispiel solchen schwer verletzten Minenopfern hilft. Alle berichteten mir, dass sie durch den Islam im Moment keine Behinderung erfahren. Die Kleinen Schwestern des Charles de Foucauld sagten, auch während der Talibanherrschaft hätten sie bei der einfachen muslimischen Bevölkerung Ansehen und großen Respekt gefunden. Der Vertreter der Caritas, die seit zehn Monaten im Land ist, erzählte, dass die bundesdeutsche Caritas in dieser kurzen Zeit bereits 15 Schulen neu aufgebaut hat, und das wird von der Regierung Karsai wohl nicht nur wohlwollend, sondern mit höchster Dankbarkeit registriert.

KNA: Auch die Militärseelsorge ist möglich, zum Beispiel mit Gottesdiensten?

Mixa: Ja, im Feldlager. Dieses Lager ist im Grunde genommen eine Welt für sich, die Feiern dort finden unter primitivsten Voraussetzungen statt. In einer Autohalle haben wir Gottesdienst gefeiert, die Männer und die Soldatin, die dabei war, haben gut mitgesungen, und ich konnte eine kurze aufbauende Predigt halten. Es war die Erfahrung des jesuanischen Satzes: Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, bin ich mitten unter ihnen. Egal unter welchen Umständen. Das war für mich schon sehr bewegend.

Interview: Christoph Strack (KNA)

zurück   oben   Bilderstrecke Format 1   Bilderstrecke Format 2

Weitere Bilder
zurück   oben   Bilderstrecke Format 1   Bilderstrecke Format 2