"Dieser Bischof segnet keine Kanonen"

Artikel in der WELT am Sonntag, 15. Dezember 2002

Der katholische Militärbischof Walter Mixa kritisiert die Irakpolitik von US-Präsident Bush

von Heimo Schwilk

12/2002. Militärbischof Walter Mixa weiß, wovon er redet, wenn er „große Bedenken" gegen einen Einsatz deutscher Soldaten in Afghanistan äußert und die US-Regierung immer wieder wegen ihrer technischen Kriegsführung tadelt. Als er im Herbst letzten Jahres in einer Transall auf dem Militärflugplatz Bagram landen musste, weil der Flughafen Kabul wegen einer Terrorwarnung gesperrt war, sah er sich mit der Grausamkeit moderner Kriegsführung unmittelbar konfrontiert. Vor seinen Augen trat ein afghanischer Zivilist auf eine Anti-Personen-Mine und wurde dabei schwer verstümmelt. Das hat seine Sorge bestätigt, der Afghanistankrieg würde vor allem auch die Zivilbevölkerung treffen.

Militärische Einsätze müssten immer einer Reihe von strengen Bedingungen genügen, um ethisch vertretbar zu sein, hatte der katholische Bischof nach den Terrorangriffen vom 11. September gemahnt - und viel Unverständnis bei der Bundesregierung und sogar in der eigenen Kirche geerntet. Doch Walter Mixa versteht sich nicht als „Armeebischof", der die Kanonen segnet. Im Gespräch sagt er, man müsse die christliche Botschaft auch schon mal in der Art alttestamentlicher Propheten in die Welt „hinausschreien".

Das Schreien ist eigentlich nicht die bevorzugte Kommunikationsform von Walter Mixa, der zugleich das Amt eines Bischofs im fränkischen Eichstätt innehat. Der Nachfolger des verstorbenen Erzbischofs Johannes Dyba gilt als großer Kommunikator, der auch zuhören kann. Der da mit großen Schritten und vereinnahmender Gestik das „Gobelinzimmer" seiner barocken Residenz betritt, ist ein überaus freundlicher, im Gespräch konzilianter Mensch. Soeben kehrte er von einer Visite in einem Beschäftigungszentrum der Caritas aus Ingolstadt zurück, wo er mit Langzeitarbeitslosen und suchtkranken Jugendlichen ins Gespräch zu kommen suchte. Lachend sagt er: „Man müsste Herrn Hartz nach Ingolstadt schicken! Diese Leute würden auch durch das Hartz-Konzept fallen."

Die Fülle seiner Ämter - Walter Mixa ist auch Großkanzler der Katholischen Universität Eichstätt und arbeitet in mehreren Kommissionen der Bischofskonferenz mit - bewältigt der gebürtige Oberschlesier mit großem Elan. Die Freude an der menschlichen Begegnung und ein kaum unterdrückter Drang zum Missionarischen treiben ihn an. „Pastoralreisen" führten ihn bereits nach Bosnien-Herzegowina, ins Kosovo, nach Mazedonien, Usbekistan und Afghanistan. „Wenn ich da mit den Soldaten beim Frühstück oder am Abend zusammensitze, dann kommen die Fragen nach Gott von selbst. Warum ich überhaupt an Gott glaube, was der Gottesglaube denn bringt, werde ich gefragt", erzählt Mixa. Bei den Feldgottesdiensten seien oft mehr als fünfzig Prozent der teilnehmenden Soldaten Nichtkatholiken oder konfessionslos. „Wir hoffen natürlich, dass sich auch Soldaten und Soldatinnen, die nicht getauft sind, für den christlichen Glauben interessieren. Bei Wallfahrten erlebe ich immer wieder, dass Soldaten sich für die Aufnahme in die katholische Kirche, für ein Theologiestudium oder gar für den Priesterberuf entscheiden."

Bei den Auslandseinsätzen der Bundeswehr werden die Seelsorger oft mit ganz profanen Sorgen der Soldaten konfrontiert. Oft muss der Feldgeistliche als Eheberater auftreten, um Partnerschaftsprobleme zu lösen, die durch die lange Trennung entstanden sind. Oder es gilt, Ängste über bevorstehende Einsätze zu beschwichtigen. Die Sinnfrage spiele immer dann eine große Rolle, erläutert Bischof Mixa, „wenn sich durch die Trennung von der Familie oder angesichts einer militärischen Situation, in der man vom Tod bedroht ist, eine große Leere auftut". Er sehe es dabei geradezu als eine Verpflichtung für den Seelsorger an, „dass er mit unserer christlichen Hoffnung nicht hinterm Berg hält".

Der rasante Wandel, den die Bundeswehr in den zurückliegenden Jahren durchlaufen habe, mache auch vor der Militärseelsorge nicht Halt. „Wir sind durch die neuen Herausforderungen gezwungen, unsere Pfarrer zu schulen und auf die neuartigen Einsätze vorzubereiten." Man müsse aber auch für die zu Hause Gebliebenen Sorge tragen. Militärpfarrer, Pastoralreferenten und Gemeindereferentinnen versuchten durch Familienfreizeiten und Kontakte die Angehörigen der Soldaten emotional zu unterstützen.

Die Gewissensentscheidung, ob der Auftrag, den die Soldaten zu erfüllen haben, ethisch zu rechtfertigen ist, kann der katholische Militärbischof den Betroffenen nicht abnehmen. Aber in Vorträgen, Erklärungen und Hirtenbriefen hat Walter Mixa Hinweise gegeben, mit welchen Maßstäben der Christ sich dieser Frage nähern kann. Die Überzeugung, man könne Gewalt „strukturell" und damit dauerhaft überwinden, teilt der 61-jährige promovierte Theologe nicht: „Ich bin wie Augustinus der Meinung, dass es in dieser vergänglichen Welt niemals einen totalen Frieden geben kann, weil der Mensch mit der Erbsünde behaftet ist." Doch ein „gerechter Friede" - Mixa hält den Begriff des „gerechten Krieges" für überholt - setze voraus, dass man auf eine kriegerische Handlung oder einen Terroranschlag nicht mit den gleichen Mitteln antwortet. Der Grundsatz „Wie du mir, so ich dir" sei zutiefst unchristlich und dürfe in einer Demokratie nicht gelten: „Das Zweite Vatikanische Konzil hat in seiner Konstitution ,gaudium et spes' die gegenwärtige Kriegsführung mit ihrer hoch technisierten Vernichtungsmöglichkeit als absolut unmoralisch verurteilt. Und Papst Johannes XXIII. hat in seinem Schreiben ,pacem in terris' zum Ausdruck gebracht, dass der Krieg nur als letzte Möglichkeit zu vertreten ist, wenn friedliche Mittel nicht mehr greifen, um ein noch größeres Unrecht zu verhindern."

Was bedeutet das für den Konflikt mit dem Irak? Ja, auch er hat in den Nachrichten gehört, dass Präsident Bush gedroht habe, auf mögliche ABC-Angriffe des Irak sofort mit Nuklearwaffen zu antworten. „Ich halte dieses Gerede des amerikanischen Präsidenten für provozierend und gefährlich." Und mit einer für ihn ungewöhnlichen Schärfe fügt er hinzu: „Mit solchen Drohworten, die eine entsprechende Machtposition zum Ausdruck bringen, wird der Gegner nur unnötig gereizt. Im Grunde genommen wird dadurch eine Spirale der Gewalt in die Höhe geschraubt, um dann zu einem furchtbaren Ausbruch zu kommen. Damit wird jede Bereitschaft zur Verständigung und der gegenseitigen Anerkennung von Religionen und Kulturen zunichte gemacht. Politisch ist eine solche Haltung verantwortungslos." Verantwortungsbewusste Politiker müssten im Dialog vielmehr alles denkbar Mögliche ausschöpfen, um einen Nuklearkrieg zu verhindern.

Militärbischof Mixa lässt keinen Zweifel aufkommen, dass auch der Dialog seine Grenzen hat. Die Kritik am Kriegskurs der USA bedeute nicht, dass er vor der Militanz des Islamismus die Augen verschließe. Mit leiser, aber nachdrücklicher Stimme sagt er: „Einige Suren des Koran rufen zum Heiligen Krieg auf, so wie früher im Namen des Kreuzes Kriege geführt wurden. Brutale Eroberungskriege kann ich aber nicht mit der Person Christi oder dem Evangelium rechtfertigen. Beim Islam sehe ich allerdings das Problem, dass Gewalttätigkeit gegenüber einem Andersgläubigen bis hin zur Tötung mit dem Koran begründet werden. Hier muss im Dialog der Religionen ganz hart diskutiert werden. Aus purer Friedseligkeit heraus dürfen keine Unterschiede verwischt werden."

Das Letzte, was sich ein Militärbischof leisten könne, sei es, „feige" zu sein, hat Walter Mixa einmal gesagt. Für diese undiplomatische, aber umso prinzipienfestere Offenheit schätzen ihn seine Soldaten.

Artikel erschienen am 15. Dez 2002

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