„Die neuen Kriege. Privatisierung und Kommerzialisierung kriegerischer Gewalt und ihrer Folgen“Vortrag für Offiziere in der Katholischen Akademie in Bayernam 13. März 2003 in München | Prof. Dr. Herfried Münkler | „Die neuen Kriege. Privatisierung und Kommerzialisierung kriegerischer Gewalt und ihrer Folgen“. Unter diesem Thema stand eine Vortragsveranstaltung am 13. März 2003, die von der Katholische Akademie in Bayern zusammen mit dem Katholischen Leitenden Militärdekan München, Reinhold Bartmann, durchgeführt wurde. 400 Offiziere aus verschiedenen Bundeswehrstandorten in Bayern waren der Einladung nach München gefolgt.
Der Referent des Tages, der Berliner Professor Dr. Herfried Münkler, stellte an den Beginn seiner Ausführungen die Frage: „Wann spricht man vom Krieg?“ In seiner Antwort bezog er sich auf Clausewitz, den wohl bekanntesten „Kriegstheoretiker“. Dieser spreche von einer „wunderlichen Dreifaltigkeit“, was in einem katholischen Bildungshaus fast blasphemisch klinge, fügte der evangelische Christ Münkler etwas ironisch hinzu. Diese „Dreifaltigkeit“ setze sich im einzelnen aus den Begriffen „Gewaltsamkeit“, „Spiel der Wahrscheinlichkeit und des Zufalls“ und „politisches Instrument“ zusammen. In die heutige Sprache übersetzt würde „Spiel der Wahrscheinlichkeit und des Zufalls“ die strategische Kreativität, z.B. Gewaltmittel zu Kombinieren, meinen, und „politisches Instrument“ die politische Rationalität bzw. der politische Wille, der mit Hilfe der Gewalt durchgesetzt wird.
| Nach dem Vortrag im Gespräch: Militärdekan Reinhold Bartmann, Dr. Herfried Münkler und Dr. Florian Schuller, der Leiter der Katholischen Akademie (v.l.) | In einem zweiten Schritt ging Münkler auf die Frage ein, was an dieser Beschreibung von Krieg, bei der auch nur dann von Krieg zu reden sei, neu sei.
1.) Nur noch ein Drittel bzw. ein Viertel der Kriege nach 1945 seien zwischenstaatliche Kriege.
2.) Das Verhältnis der Opferzahlen bei Kombattanten und Nonkombattanten habe sich nahezu umgekehrt: Waren es Anfang des 20. Jahrhunderts noch 90 zu 10, so verhielte sich Ende des 20. Jahrhunderts das Verhältnis 20 zu 80.
Als dritten Punkt fügte er eine aus den sogenannten Schwellenländern bekannte Realität an: Kinder würden sich an „Warlords“ verkaufen. Dies geschehe nach dem Prinzip: Man kaufe für 25$ eine Kalaschnikow und verdiene 50$ pro Monat. Dies meine er, Münkler, nicht spöttisch, sondern so sei die Realität aus der Sicht der Kinder zu kommentieren. Denn dies sei für sie die einzige Möglichkeit ihre Arbeitskraft zu verwerten und eine höhere Überlebenschance zu erzielen.
| Der Katholische Leitende Militärdekan Reinhold Bartmann dankt dem Referenten für seinen Vortrag | Mit dieser traurigen Realität leitete der Politikprofessor über zur These von der „Privatisierung des Krieges“. Er tat dies nicht, ohne auf Entwicklungen in der Geschichte hinzuweisen. Er verwies dabei auf die Aktivitäten der Söldner, wie z.B. der Condottièri in Italien. Der Einsatz solcher Söldner schien anfangs lukrativ, führte aber nach Feststellung Münklers zur Verteuerung des Krieges, weil naturgemäß Söldner nicht an einer frühzeitigen Beendigung eines kriegerischen Konflikts interessiert gewesen seien. Daraufhin hätten zunehmend die Staaten diese Aufgabe an sich gezogen und die Möglichkeit genutzt, das Militär unter ihre Aufsicht zu bringen. Nebenbei hätte dies auch zu einer strengen Unterscheidung zwischen Kombattanten und Nonkombattanten geführt. Heute nun sei man wieder bei einer Art Söldnerkrieg angelangt. Der führe heute wieder zu einer Verbilligung des Krieges, weil in deren Bilanzen die Folgekosten nicht auftauchten. Im Gegenteil entwickelten solchermaßen geführte Kriege eine Eigendynamik nach dem Motto: „Der Krieg ernährt den Krieg“.
Erstaunt waren die Zuhörer über die These Münklers, dass internationale Hilfsorganisationen (OECD u.a.) ungewollt solche Kriege unterstützten. Die Hilfsbereitschaft der Reichen und deren Mitleid stärke die Durchhaltefähigkeit der Bürgerkriegsparteien.
Text und Bilder: Militärpfarrer Frank Schneider
Bearbeitung: Scherzer/KMBA
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