Konferenz junger Militärseelsorger in Hradec Králové (Königgrätz)

Generalmajor Josef Prokš berichtete den Geistlichen von seinen Erfahrungen

Tomáš Holub, leitender Militärpfarrer, daneben Generalmajor Josef Prokš, Leiter des Geheimdienstes (v.r.)
Beim Treffen junger Militärseelsorger in Hradec Králové (Königgrätz) in der Woche vom 16. bis 20. Juni 2003 standen viele interessante Themen und Exkursionen auf dem Programm, die der evangelische Militärseelsorger und ehem. Dissident Jaromír Dus zusammen mit dem katholischen und leitenden Militärpfarrer Tomáš Holub federführend in hervorragender Weise organisiert hat. Verschiedene und gleiche Praktiken und Erfahrungen von Militärseelsorge in unterschiedlichen Ländern Europas konnten ausgetauscht und Ökumene hautnah erlebt werden.

Einen Erfahrungsbericht eigener Art lieferte ein Nichtgeistlicher: der tschechische Generalmajor Josef Prokš, Direktor des Geheimdienstes der Armee der Tschechischen Republik. Dieser Bericht ist deswegen eigener und besonderer Art, weil er einen völligen Neuanfang im Bereich der Militärseelsorge beschreibt, noch dazu aus der Sicht eines Mannes, der nicht aus der Militärseelsorge kommt, sondern von der Truppe. Sein Bericht hat manches Bewährte bestätigt und wird manchen Zweifelnden in seinem Dienst in der Militärseelsorge bestärken.

Die Teilnehmer zusammen mit dem Bischof von Hradec Králové, Dominic Duka (m.)
Kooperation, die auf Erfahrung basiert

Bekanntermaßen ist das Feld der Militärseelsorge in der Tschechischen Republik lange ein Experimentierfeld gewesen, war doch die Militärseelsoge in dem voraufgehenden kommunistischen Regime undenkbar gewesen. Deshalb war es auch nicht das erste Ziel, Regeln und Gesetze festzuschreiben, wie Prokš betonte, sondern eine Kooperation zu wagen, die auf Erfahrung basiert und aufbaut: „Wir beschreiben immer nur Erfahrungen und arbeiten mit diesen weiter“, so Prokš.

Dazu gab es dann auch reichlich Gelegenheit im Bosnieneinsatz vor sieben Jahren. Da gab es erste Kontakte zwischen Militär und Seelsorge und die Möglichkeit, ein Anforderungsprofil an den Militärgeistlichen aus der Praxis im Einsatzalltag zu gewinnen. Daraus ergaben sich Antworten auf Fragen, die General Prokš so formulierte: „Warum Militärgeistliche? – Wir haben Psychologen!“ „Es gibt das Angebot der Seelsorge. – Wie sollen wir es nutzen?“ „Wie lässt sich der Erfolg messen?, werde ich immer wieder gefragt.“ „Erfolg kann man nicht messen, man kann nur sagen: es läuft gut“, bestätigt Prokš, und: „man kann Erfahrungen beschreiben“. Davon nannte Prokš als erste die Mittlerfunktion des Militärgeistlichen zwischen Vorgesetzten und Untergebenen. Ohne die Pflicht zur Verschwiegenheit zu verletzen und ohne namentlich über einzelne Soldaten zu reden, könne der Militärseelsorger Schwierigkeiten und eigene Eindrücke, die hilfreich für Entscheidungen sind, an den Kommandeur weitergeben. Auch habe er wahrgenommen, dass Soldaten „Angst“ hätten, sich bei Problemen an den Psychologen zu wenden; die Soldaten hätten psychologische Tests zu absolvieren, um z. B. die Einsatztauglichkeit für den Auslandseinsatz zu ermitteln, und deren Ergebnisse würden an den Vorgesetzten weitergemeldet. Darum sei das Vertrauen in den Militärseelsorger wesentlich größer, weil er helfen könne, ohne dem Hilfesuchenden in seiner Laufbahn Steine in den Weg zu legen. Umfragen bei Soldaten hätten gezeigt, dass das Ansehen der Militärseelsorger bei ihnen sehr hoch sei.

Eröffnungsgottesdienst in St. Nepomuk in Prag
Militärseelsorger keine religiösen Eiferer

General Prokš schätzt am Dienst des Militärseelsorgers insbesondere, dass es nicht das erste Ziel sei, „Religion in die Truppe zu bringen“, - das würde bei den Soldaten nur „schlechte Erinnerungen an das vergangene Regime wecken“. Der Militärgeistliche gewinne vielmehr „durch sein Verhalten das Vertrauen bei den Soldaten“, indem er „in allem ihr Kamerad“ werde, sei es bei sportlichen oder anderen Aktivitäten. Er, Prokš, habe den Militärseelsorger als „Partner im Team“ erlebt.

Erst in zweiter Linie solle daher der Militärgeistliche auf religiöse Fragen eingehen, wenn dies gewünscht werde. „Andernfalls“ gäbe „es sofort eine Barriere zwischen Soldaten und Seelsorgern“. Aus diesen Äußerungen des Generals konnte man aber nicht ableiten, dass ihm religiöse Fragen ungelegen kämen. Man konnte spüren, dass er das Religiöse keineswegs verdrängen möchte, - er hat schließlich gemeinsam mit Tomáš Holub die ersten Schritte in Richtung Militärseelsorge unternommen -, er aber die Gefahr abwenden will, dass Militärgeistliche sich den Zugang zu Soldaten durch religiösen Eifer an der falschen Stelle und zum falschen Zeitpunkt verbauten. Man müsse in diesem Zusammenhang gewärtigen, dass ein Großteil der tschechischen Bevölkerung eben nicht religiös orientiert sei.

In den tschechischen Streitkräften gibt es derzeit 14 Militärseelsorger, davon neun römisch-katholische, zwei protestantische, einen Baptisten und einen Adventisten. Allein diese Zusammensetzung gibt auch aus der Sicht der Militärseelsorge General Prokš Recht.

Auch der General braucht jemand zum Reden

General Prokš machte auch keinen Hehl daraus, dass es für ihn selbst und Vorgesetzte im allgemeinen hilfreich sei, mit einem Militärseelsorger zu reden. Denn auch für Vorgesetzte ergäbe sich die Frage: „Wer kommt für Gespräche in Frage? – der Untergebene? – Sicher nicht! – der ranghöhere Vorgesetzte? – Ebenso wenig!“ Er würde ihn im schlimmsten Fall nicht mehr unterstützen (Angst vor dem Karriereknick?!). Es bleibe also der Militärgeistliche, der die „Einsamkeit“, an der Kommandeure mitunter leiden, durch seine Gesprächsbereitschaft und zugleich Neutralität, Unabhängigkeit und Verschwiegenheit aufbrechen und mildern kann.

Abendmahlsgottesdienst mit dem evangelischen Militärgeneraldekan Erhard Knauer (l.), mit dem Organisator Jaromir Dus (r.)
„Geöffnete Fenster“ auch beim tschechischen Militär

General Prokš nahm in der sich anschließenden Aussprache auf eine gestellte Frage hin auch die Gelegenheit wahr, sich zur Integration der Soldaten in die neue tschechische Armee nach dem überwundenen kommunistischen Regime zu äußern. Selbstverständlich sei die alte militärische Führung aus dem Amt entfernt worden. Aber die Integration habe sich insgesamt ohne Druck vollzogen. „Es werden viele Fenster geöffnet, gerade ins Ausland, was früher nicht möglich war.“ Alle tschechischen Generäle würden in den USA, Deutschland, Frankreich, in ganz Westeuropa ausgebildet, nur noch einer davon in Russland. Die Soldaten könnten so selbst erfahren und beurteilen, dass das Neue besser sei. Aus deutscher Sicht zu urteilen, könnte man durchaus sagen: Das „Prinzip der Inneren Führung“ wird hier erfolgreich umgesetzt.

Das Ergebnis dieses Vortrages und der Aussprache mit General Prokš könnte nicht besser wiedergegeben werden als mit den Worten eines der Teilnehmer: „Das tschechische Militär und die Militärseelsorge haben die Chance des Umbruchs genutzt und auf der Basis der Sinnhaftigkeit eine Kooperation errichtet und nicht erst Regeln verfasst und die Zusammenarbeit dann in diese gepresst.“ Dieser sich wechselseitig befruchtenden Zusammenarbeit bleibt so nur ein guter und lang anhaltender Fortgang zu wünschen, und zu wünschen, dass es anderen Ländern ebenso ergehen möge.

Text und Fotos: Militärpfarrer Frank Schneider, (Landsberg-Lechfeld)

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