„Den Hauch einer Ahnung“Militärpfarrer nehmen an einsatzbezogener Basisausbildung teil | Gruppenbild der Teilnehmer und Ausbilder | „Den Hauch einer Ahnung sollen Sie gewinnen können.“ Mit diesen Worten begrüßte Oberstarzt Dr. Michael Hautmann am 18.11.2003 die Militärpfarrer, die an der einsatzbezogenen Basisausbildung, durchgeführt von der II. Inspektion der Lehrgruppe A der Sanitätsakademie der Bundeswehr in München, teilgenommen haben. „Den Hauch einer Ahnung“, das war der Schlüssel zum Verständnis des gesamten Lehrgangs, der für einen Geistlichen mit seelsorglichem Auftrag an Soldaten zunächst ungewohnt militärisch erschienen haben mag. Doch gegen jeden Anschein war dieser Lehrgang natürlich nicht dazu geeignet perfekte Soldaten aus den Militärpfarrern zu machen, einmal, weil die Ausbildung aus der Sicht eines wohlwollenden Betrachters eher im Schongang vonstatten ging, zum anderen, weil dies nicht Sache eines Militärpfarrers ist.
| Einweisung in den Umgang mit Karte und Kompass | Belastungen von Soldaten miterleben
Und dennoch war es sinnvoll den Belastungen des Soldaten im Ausbildungs- und vor allem im Einsatzalltag ein Stück näher zu kommen, damit der Militärpfarrer nachempfinden, mitreden und dann auch tatsächlich gut vorbereitet in den Auslandseinsatz mitgehen kann. Deshalb war ein Ausbildungsziel durchaus physisch und vielleicht psychisch an Grenzen geführt zu werden. So war der Aufstieg auf die Reiteralpe (bei Bad Reichenhall) bestimmt kein Honiglecken, kostete das Erklimmen eines Teils einer Felswand und das sich Abseilen an derselben bei dem einen oder anderen ein Stück Überwindung und war der Ab- und Aufstieg innerhalb einer Höhle kein Fall für diejenigen, die rasch unter Beklemmungsgefühlen leiden. Gewöhnungsbedürftig dürfte für die „Pfarrherrn“, die sonst das Einzeldasein in einem geräumigen und gepflegten Umfeld gewohnt sind, ebenfalls das Lagerleben im Zwei-Mann-Zelt rund um das Lagerfeuer gewesen sein. Dank des außergewöhnlich trockenen und nicht zu kalten Wetters traf die Teilnehmer gottlob nicht die ganze Härte unwirtlichen Naturlebens. Zudem wurde die „pfarrherrliche Gesellschaft“ vor Mehrfachübernachtungen unter freiem Himmel bewahrt und konnte schon ab der zweiten Übernachtung in einer Hütte (Lenzenkasa II) bei wohligen Temperaturen und bester Verpflegung übernachten, wenngleich auch hier die sonst nicht gewohnten „Schlafgeräusche“ anderer Mitbewohner „verkraftet“ werden mussten. Aber dies war notwendig, um wenigstens „den Hauch einer Ahnung“ dessen zu bekommen, was den Soldaten blüht, die im Auslandseinsatz auf engstem Raum zusammenleben müssen.
Der einsatzerfahrene Militärpfarrer Alfons Hutter (in Kabul von Dezember 2002 bis Mai 2003), der zugleich die Gruppe der Militärpfarrer im Auftrag des Militärbischofsamtes begleitete und vertrat, gab diesbezüglich bei der Konferenz der Mitarbeiterkreise und Vertreter der GKS im Kloster Roggenburg zu Protokoll, dass es vermutlich einigen hundert Soldaten ungleich leichter fiele auf engstem Raum zusammenzuleben als einer Handvoll Pfarrer, die es gewohnt sind als Individualisten ihr Leben zu bestreiten. Diese Bemerkung Hutters mag nochmals unterstreichen wie wichtig dieses gemeinsame Erlebnis für die teilnehmenden Militärgeistlichen war, wenngleich sich das bei diesem Teilnehmerkreis eher unkompliziert darstellte.
| Abseilübung | Gefahren wahrnehmen, um sich und andere zu schützen
Ebenso wichtig, wenn auch weniger anstrengend war die erste von zwei Ausbildungswochen. Auch hier wieder der Tenor: „Einen Hauch von Ahnung“ gewinnen. Etwas mehr als ein Hauch war auf jeden Fall die Begegnung mit der Hinterhältigkeit und Zerstörungswucht von Minen, die Hauptmann Gunder Pitzke von der Pionierschule beinahe hautnah und so eindrucksvoll erleben ließ. Manchem liefen kalte Schauer über den Rücken bei der Vorstellung, wie viel Phantasie und Geist vor allem Verantwortliche nichtregulärer Streitkräfte darauf verschwenden, anderen möglichst heimtückisch zu schaden, das heißt zu verstümmeln und zu töten, ohne dabei selbst den geringsten Schaden zu riskieren. „Nichts anfassen, was man nicht selber an eine Stelle gebracht hat“, lautete daher die Mahnung Gunder Pitzkes an alle Teilnehmer. Sonst könnte im Einsatz passieren, was jedem ordnungsliebenden Deutschen geschehen würde, der ein schief hängendes Bild an einer Wand in einem ihm fremden Gebäude gerade rücken will. Er würde geradewegs in eine Falle laufen, weil durch das Geraderücken ein Zündmechanismus aktiviert würde und eine Sprengladung zur Detonation bringen würde, und das in der Regel auf Augenhöhe. Da bedarf es keiner ausschmückenden Schilderung mehr über die Auswirkungen, sondern des Dankes, dass man im Rahmen einer solchen Ausbildung aufgeklärt und gewarnt wird. Leichtsinn kann hier tödlich sein; das bestätigte ebenfalls Alfons Hutter von seinen Erfahrungen in Kabul.
Neben so nahegehenden Ausbildungstakten gab es ebenso wichtige, aber nicht so emotional wirkende Ausbildungsabschnitte, die hier nicht in aller Vollständigkeit dargestellt werden können: Einsatzrelevant waren beispielsweise Rettungs- und Bergeverfahren im Rahmen der Ersten Hilfe. Der Sozialdienst der Bundeswehr, hier vertreten durch Frau Simone Fischer, vermittelte kompetent und engagiert die Nöte der Soldaten, deren Partnern und Familien im Rahmen von Auslandseinsätzen und gab zugleich gute Hinweise und Ratschläge für die Seelsorger selbst, die ja der Einsatz genauso betrifft. Über hohe Verschuldung, hohe Trennungsraten und andere persönliche Probleme bei Soldaten wurde offen gesprochen, ebenso über die Maßnahmen, die vom Sozialdienst eingeleitet werden können. Dass Soldaten mit zweierlei Recht (zivilem und militärischem) in Konflikt geraten aber auch für sich in Anspruch nehmen können, darüber gewährte unter anderem der Rechtsberater, Oberregierungsrat Harald Droegenkamp, einen Einblick. Wie sehr von ABC-Kampfstoffen, besonders wenn Terroristen davon Gebrauch machten, und von ABC-Altlasten in Einsatzländern Gefahren ausgehen können und wie damit präventiv und bei Anwendung umgegangen werden kann, ließ die Teilnehmer Major Benno Jung erahnen. Zu guter letzt ermöglichten Hauptmann Herbert Hackenberg und Hauptfeldwebel Christian Avendano Einblick in ihre Einsatzerfahrungen, um somit die Militärgeistlichen mit realistischen Einsatzbedingungen und deren Auswirkungen zu konfrontieren.
| Biwak unter freiem Himmel | Seelsorger und Soldaten sind Kameraden
All diese holzschnittartigen Eindrücke blieben jedoch unvollständig, wären sie den Teilnehmern nicht in einer angenehmen und kameradschaftlichen Weise nahegebracht worden. Dafür bedankten sich die Militärpfarrer herzlich bei denen, die für diesen Lehrgang verantwortlich zeichneten: bei Oberstleutnant Werner Huber, Chef der II. Inspektion, Major Volker Dewenter mit dem ganzen Personal, das neben den bereits Genannten für interessante und erlebnisreiche zwei Wochen zur Verfügung gestellt wurde: Kapitänleutnant Oliver Dersch, Stabsfeldwebel und Kompaniefeldwebel Peter Fritschi, die beiden Hauptfeldwebel Wolfgang Sippl und Uwe Grädler und Feldwebel Marcel Höbig, dazu noch einige Mannschaftsdienstgrade. Mit allen verband die Teilnehmer ein angenehmer Umgang, der Ernstes mit Humor zusammenzubringen in der Lage war. Und darum war der Lehrgang aus beider Sicht – Ausbilder und Lehrgangsteilnehmer – eine rundum gelungene Sache. Das brachten die Teilnehmer und Ausbilder abschließend in der gemeinsamen Feier der heiligen Messe am Kreuz auf dem Schrecksattel zum Ausdruck und buchstäblich vor ihren Herrgott. Eine zusätzliche Freude bereitete den Militärgeistlichen das Interesse eines jungen Ausbilders, der aus Zwickau stammt, am katholischen Glauben. Selten durften sie eine so intensive Neugierde und Wissbegierde wahrnehmen, die man als Seelsorger bei bereits Getauften vielleicht manchmal sogar vermisst. Somit war die Zeit des Lehrgangs in der Tat eine gewinnbringende Zeit und manch einer mag sogar mehr als „den Hauch einer Ahnung“ mit nach Hause genommen haben.
Text und Fotos: Frank Schneider/Landsberg - Lechfeld Weitere Bilder | Besuch bei der Tragtierkompanie 230 der Gebirgsjägerbrigade 23 in Bad Reichenhall: Der Kommandeur der Tragtierkompanie, Oberfeldveterinär Dr. Wolfram Noreisch, berichtet über die bevorstehende traditionelle "Stallweihnacht". |
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