"Auf ein Wort"

Weihnachten steht vor der Tür. Wie fromm wir auch sein mögen - die Frage, was dieses Fest bedeutet, das im Gemüt der Menschen so tief verwurzelt ist, stellt sich immer wieder. Ein ganz großer Bischof und Glaubenslehrer der Kirche, Athanasius der Große, der im 4. Jahrhundert gelebt hat, hat das Geheimnis dieses Festes kurz und zugleich unübertrefflich schön beschrieben: "Gott ist Mensch geworden, damit der Mensch vergöttlicht werde."
Der Mensch ist vergöttlicht? Das heißt, wir sollen vergöttlicht sein? Ist das nicht eine wahnsinnige Anmaßung? Der Mensch, der so viel unmenschlich Böses tun kann, der in grausamen Kriegen so viel Unglück, Schmerz und Trauer über Frauen, Männer, Mütter, Väter und Kinder bringen kann?
Ja! Vergöttlicht - ganz nahe an und mit und bei Gott! Das ist das große Paradox, das große Wunder, das große Trotzdem! Das kleine, so unscheinbar erscheinende Kind in der Krippe, über das die Engel zu den Hirten sagen: "Fürchtet euch nicht, denn ich verkünde euch eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteil werden soll: Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Messias, der Herr." Und mit den Engeln jubelt ein himmlisches Heer: "Verherrlicht ist Gott in der Höhe, und auf Erden ist Friede bei den Menschen seiner Gnade." In diesem Kind ist uns der Retter geboren. Durch dieses Kind verbindet sich Gott mit der Schöpfung und in besonders inniger Weise mit dem Menschen, den er als sein Ebenbild geschaffen hat.
Diesem Menschen hat Gott in Jesus Christus in unüberbietbarer Weise seine Liebe offenbart. Gott ist Mensch geworden heißt: Gott hat sich dem Menschen zugeneigt, weil er ihm zugeneigt ist. Er hat sich klein gemacht, um uns groß zu machen. Dabei hat Gott seine Würde nicht verloren oder verringert, was wir so oft meinen, wenn wir uns jemandem gegenüber gering machen sollen. Nein, Gott hat dem Menschen durch die Menschwerdung eine nicht zu übertreffende Würde verliehen - und zwar unverdientermaßen. Das sollte uns zu denken geben, wenn wir uns dem Nächsten zuwenden. Wir büßen unsere Würde nicht ein, wenn wir dem Nächsten dienen, wenn wir über den Schatten nur vermeintlicher, selbstgemachter Würde springen. Nein, wir werden der uns von Gott geschenkten Würde gerecht, wenn wir Gottes Liebe aufscheinen lassen.
So sollten wir diesem Geschenk Gottes, das uns in seiner Menschwerdung in der Heiligen Nacht zuteil wird, dankbar entgegensehen und die Adventszeit, die Zeit der Erwartung, zur Umkehr nutzen.
Ich wünsche Ihnen eine besinnliche Adventszeit, eine gnadenreiche Weihnacht und Gottes Schutz, Kraft und Begleitung für das neue Jahr 2005
Ihr
Dr. Walter Mixa
Katholischer Militärbischof
für die Deutsche Bundeswehr
Bischof von Eichstätt