"Durchs Saaletal ins Altmühltal". Zur Priesterweihe von Jochen Scherzer

Erzbischof Dr. Ludwig Schick salbt dem Neupriester Jochen Scherzer die Hände mit heiligem Öl (Quelle Bistum Eichstätt)
"Feierlicher als eine Hochzeit", meinten viele der Gäste der Priesterweihe und Primiz von Jochen Scherzer. Ja! Und ich vergesse die Entfernung Berlin - Eichstätt mit fast 7 Stunden Bahnfahrt! Mit dem letzten Zug erreiche ich Freitag Nacht das schon schlafende Städtchen.

Weihekandidat Jochen Scherzer hat noch zu tun, Gewänder zurecht legen, organisatorische Überlegungen... Ich betrachte den prächtigen Primizkelch mit den plastischen Heiligenfiguren um den Griff: Darunter der hl. Bonifatius, Bischofsstab und Rationale dem hl. Willibald von Eichstätt übergebend.

Am Weihetag (6.5.06) bin ich schon "rechtzeitig, eine Stunde vorher" im Dom, der jedoch bereits voll ist. Auf einem Platz hinter einer Säule und kann ich die heiligen Handlungen lediglich hören. Über den Mittelgang ziehen bei feierlichem Orgelspiel (Rudolf Pscherer) Erzbischof Dr. Ludwig Schick, über 100 Priester und die 10 Weihekandidaten ein. Ich entdecke dabei nur eine Mitraspitze, dafür sehe ich auf den Domchor im rechten Seitenschiff (Domkapellmeister Christian Heiß). Es erklingen u.a. Messgesänge von Josef Rheinberger. Wenn auch "hinter der Säule", so bin ich "gut versorgt": Drei Stunden Zeit zum Beten, Singen, Hören, Nachdenken!

In meinen Gedanken fährt der ICE noch einmal durch das Saaletal, an meinem Geburtsort vorüber, wo mich in den letzten Tagen des 2. Weltkrieges mein Onkel getauft hat. Die Hebamme meinte: "Wie gefährlich, das neugeborene schwächliche Flüchtlingskind in die Kirche zu tragen. Gibt es jetzt nichts Wichtigeres zu tun?". "Nein, gibt es nicht", entscheidet der junge Kaplan in Sanitäteruniform. An diesem Gründonnerstag 2006 ist er mit 91 Jahren - nach 67 Jahren im priesterlichen Dienst, bis zuletzt - in Christus entschlafen. Im Hohen Dom zu Eichstätt, im Altmühltal, werden nun 10 neue Priester unseres Herrn geweiht! Es scheint mir, als gehörten dadurch Saale- und Altmühltal zusammen!

Während meiner geistigen Fahrt durchs Saaletal sehe die Rudelsburg. Ein "heiliger Ort der Burschenschaften". Im Hohen Dom erweist grade das Banner von Jochen Scherzers "Unitas" - Bundesbrüdern dem Hochaltar die Ehre.

Primizprediger Militärdekan a.D. Walter Theis (r.) beglückwünscht Primizianten Jochen Scherzer
Die Diakone sprechen ihr "Ich bin bereit". Erzbischof Dr. Ludwig Schick weiht sie durch Handauflegung zu Nachfolgern der Apostel. Danach legen ihnen alle Priester die Hände auf. Fast eine halbe Stunde herrscht Stille im Dom. Symbol: Das lautlose Wirken des Hl. Geistes.

Der Erzbischof spricht in der Predigt auch über die Worte "Deus caritas est", "Gott ist die Liebe", die auch Papst Benedikt in seiner ersten Enzyklika behandelt. Ich sehe mich innerlich als Ministrant am Tabernakel meiner Heimatkirche diese Worte buchstabieren und höre den Priester "Ite missa est", sprechen, auch deutbar als "geht, ihr seid gesendet". Im Hohen Dom strecken die Neupriester ihre Arme zum Primizsegen aus. Ja, nun sind sie gesendet.

"Fotografieren verboten", heißt es erfreulicherweise während der heiligen Handlungen im Dom. Die Dom-Medien waren jedoch fleißig. Die Priesterweihe auf www.bistum-eichstaett.de:
Text | Bilder dazu | Bilder des Priesterseminars

Um 12 Uhr vor dem Dom: Herrlicher Sonnenschein. Jedoch ein heftiger Wind wirft eine Straßenabsperrung um und verweht die Handzettel eines Mundkommunion-Verfechters. Des Geistes Wehen? Schon bin ich am Leonrod-Platz vor dem Priesterseminar. Tische und Bänke sind aufgebaut für ein Volksfest. Weiter hat jeder Neupriester einen Stand mit seinem Namen. Es gibt Brötchen mit warmem Leberkäs und Bier gratis. Hunderte von Händen werden den Neupriestern gereicht und Glück- und Segenswünsche übermittelt. Ein polnischer Gratulant kniet auf dem Pflaster vor einem der Neupriester nieder. Für den Segen küsst er ihm die Hände.

Ich sehe Bundeswehr-Barette und treffe sogleich auch Militärdekan a.D. Walter Theis, Primizprediger für Jochen Scherzer. Gern nehme ich die Einladung als Mitfahrer nach Seubersdorf (Oberpfalz), dem Ort der ersten hl. Messe, der Primiz, von Hochwürden Scherzer an. Zunächst habe ich gedankliche Schwierigkeiten mit der "hochwürdigen Anrede" für meinen ehemaligen Arbeitskollegen, gewöhne mich aber schnell daran, als ich sie ab jetzt nur noch so höre, z.B. vom begrüßenden Bürgermeister, der einmal "Herr Scherzer" sagt, aber sofort sich entschuldigend das "Hochwürden" nachträgt. Doch zunächst geht's nach Schnufenhofen.

Begrüßung des Primizianten vor dem Rathaus Seubersdorf durch die Kindergarten-Kinder
Schnufenhofen ist ein Dörfchen, wenige Kilometer von Seubersdorf. Wir fahren vor das kombinierte Dorf- und Feuerwehrhaus. Das spätnachmittägliche Dorf scheint menschenleer. Bald jedoch füllen sich Vorplatz und Straße mit etwa 100 radfahrenden Jugendlichen in bunten T-Shirts, die zur Einholung von Hochwürden gekommen sind, der alsbald - mit Chorrock und Birett im geschmückten Cabriolet gefahren - eintrifft. Dazu etwa eben so vielen Dorfbewohner. Ein alter Mann wendet sich eher fragend an Prälat Theis: "Meine Mutter sagte, für einen Primizsegen soll man sich ein Paar Schuhsohlen durchlaufen." Das Dorf bekommt den Segen! Der Primiziant entsteigt dem Wagen und spendet mitten auf der Dorfstraße stehend den gesungenen Segen. Den Verkehr sperrt die Feuerwehr. Alle schlagen das Kreuzzeichen über sich. Und schon geht's weiter. Der Fahrradkorso fährt vorn weg durch die blühende Flur, das offene Fahrzeug folgt mit Primiziant und Prediger.

In Seubersdorf hört man Böllerschüsse. Das Primizgefährt wird am Ortseingang empfangen. Blasmusik. Bannerträger aller Vereine. Feierlicher könnte man wohl den Hl. Vater nicht einholen! Auf und neben der Rathaustreppe läuft ein Begrüßungsprogramm ab. Bürgermeister Johann Bierschneider spricht. Alle wichtigen Persönlichkeiten treten mit Grußworten und Gedichten auf. Die Seubersdorfer Blasmusik spielt Festliches und Schmissiges, der Männerchor singt "Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre". Ein solches Repertoire habe ich lange nicht gehört, zuletzt vor Jahrzehnten beim Großvater, dem Herrn "Lehrer und Kantor". Der Primiziant singt ein weiteren Segen. Kindergartenkinder überrreichen einzeln Blümchen. Der Primiziant hockt sich herunter und spricht jedes Kind an. Irgendwann nimmt er den Stab und dirigiert die Bläser. Mittlerweile dunkelt es. Kinder legen Blumenbilder: "Ist für morgen. Darf er noch nicht sehen". Man sieht und spürt es sofort: Auf die Primiz hat sich das ganze Dorf wochenlang gefreut und vorbereitet!

Weihe des Messgewandes und Abholung des Primizianten zur Primizmesse
Diese beginnt am 7. Mai (Sonntag) frühzeitig, indem Böller krachen und die Blasmusik musizierend durchs Dorf marschiert. Hochwürden wird vor dem Pfarrhaus erwartet. Das Messgewand, das Jesus als Guten Hirten mit einem Lamm auf dem Schoß zeigt, wird geweiht und angetan. Der Zug der Priester, der Ministrantinnen und Ministranten, der Gemeinde, der bannertragenden Vereine und Burschenschaften zieht bergan zum Primizplatz, der an der Schule gelegen ist. Neben dem Altar-Baldachin sind Zelte für Chor und Bläser. Es wird u.a. die "Missa antiqua" von Wolfram Menschik, dem vorigen Domkapellmeister von Eichstätt, musiziert, der sicherlich auch Anteil am wohltönenden Gesang des Primiz-Zelebranten hat. Primizprediger Theis fragt in der Predigt, ob es wirklich weltliche Beweggründe sein können, vielleicht "ein unkündbarer Job", die einen jungen Menschen den Weg des Priestertum wählen lassen. Schnell wird klar: Eigentlich ist es unbegreiflich, Gott hat die Hand im Spiel! Nur er kann weiter führen. Zum zweiten Mal nach der Konzelebration im Hohen Dom zu Eichstätt wandelt der Neupriester, nun in seiner Praktikum-Gemeide, unter freiem, strahlendem Himmel Brot und Wein in Leib und Blut Christi. Herr Pfarrer Roman Zierer hat den Neupriester im Praktikum begleitet und geführt. Er sei also so etwas wie der Brautführer bei einer Hochzeit, sagt er und spricht seine Glück- und Segenswünsche aus. Der Primiziant erteilt den Primizsegen einmalig als "Päpstlichen Segen", verbunden mit einem päpstlichen Ablaß, und stimmt alsbald "Te Deum laudamus" an und die Gemeinde singt begleitet von den hervorragenden Seubersdorfer Bläsern "Großer Gott wir loben Dich, vor Dir neigt die Erde sich, wie Du warst vor aller Zeit, so bleibst Du in Ewigkeit."

Nach der feierlichen Primizmesse gibt es Schweinebraten und Klöße, das Dorf und die Gäste sitzen beieinander, es werden Reden gehalten, Lieder gesungen, musiziert, Geschenke überreicht, zwei Buben führen ein mundartliches Kabarett auf, das auch den Neupriester nicht verschont. Der ist weiterhin in Soutane, im "hochzeitlichen Gewand". Gegen das Schwitzen bekommt er ein Spitzentüchlein überreicht, das er sich ans Zingulum steckt. Mit Hochwürden Scherzer schwitzen auch andere Soutanenträger. Die Sonne lacht auf das Zelt, in dem nun Frauen aus der Gemeinde ihren Kuchen anbieten. Leider muss ich schon abreisen. Aus dem Altmühltal durch das Saaletal nach Berlin. Wiederum zieht die Rudelsburg vorüber. Der Laptop findet im Internet "An der Saale hellem Strande stehen Burgen stolz und kühn" und auch andere Bundes- und Bierlieder (siehe hier). Man kann die Lieder als herkömmliche Klavierbegleitung oder Keyboard-Version hören. Ein Bundesbruder namens Poplutz hat die Lieder mit aufbereitet. Hieß nicht einer der Bannerträger bei der Primiz so? - Sicherlich wird es für den Neupriester etwas vorbei sein mit "Alte Burschenherrlichkeit". Denn: "Morgen früh halte ich eine hl. Messe für die Verstorbenen der Gemeinde, dann besuche ich die Kranken, die ja schon lange für mich gebetet haben und mich natürlich sehen wollen...".

Wiederum 7 Stunden Bahnfahrt. Sie vergehen wie im Fluge. Ich muss meine Erlebnisse mehrmals erzählen. "Feierlich wie beim Papst!", höre ich und "Das kriegt keine Berliner Gemeinde hin!" Oder doch? Am Sonntag, dem 14.5. 10:30Uhr ist Primizfeier in St. Bonifatius, Berlin, mit anschließendem Stehempfang, Mittagessen und Dankandacht, auch angekündigt vom Neupriester Scherzer selbst auf seiner Homepage.


Weitere Bilder der Primizfeier in Seubersdorf
auch als
Diashow

Text und Fotos: gcjm

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