"Weder Sand noch Öl im Getriebe sein"

Der Katholische Leitende Militärdekan Köln. Militärdekan Rainer Schnettker
Rainer Schnettker: Militärdekan mit Humor und Durchsetzungskraft

Köln. Burschikos ist Militärdekan Rainer Schnettker auf den ersten Blick. Wenn er gut drauf ist, gehen dem 44-jährigen Militärdekan Sprüche ganz locker über die Lippen. Er lacht gerne. Schnettker ist ein Mann der kurzen prägnanten Worte: "Frühmorgens versuche ich als erstes in die Dienststelle nach Düsseldorf zu kommen. Dann geht es als erstes um den Posteingang", beschreibt der Militärdekan seinen "normalen Dienst-Morgen". Dekan Schnettker ist der Verwalter für die Standortpfarrer und kümmert sich um 13 militärische Dienststellen in Nordhein-Westfalen: "Was von oben - vom Katholischen Militärbischofsamt in Berlin - kommt, delegiere ich den Pfarrern", umreißt er mit einem Augenzwinkern seinen Aufgabenbereich. Schnettker ist sozusagen Militärpfarrer-Manager.
Aber nicht nur: Auf Kommandeursebene arbeitet er auch mit höchsten militärischen Dienstgraden zusammen. "Seelsorge innerhalb der Bundeswehr muss ich ermöglichen", sagt Schnettker. Das Verhältnis zwischen den Administrativaufgaben und der praktischen Arbeit sei nicht immer optimal, so der gebürtige Westfale diplomatisch.

- Dem Ernst des Lebens ein Lächeln schenken

Wie viele Kollegen, ist auch Schnettker oft auf Achse: "Im Moment bin ich also froh, wenn ich mal auf der Dienststelle bin", sagt er und lacht. Große Gottesdienste (organisieren) und Begegnung: Das ist es, was Rainer Schnettker am liebsten immer hätte. Ob er den Kontakt zu den Soldaten manchmal als Dekan vermisse? Der 44-Jährige antwortet so: "Ach Gott, das ist eine altersbedingte Sache." Kraft schöpft Dekan Schnettker aus der Orts-Seelsorge und in seiner Heimat.
"Genetisch bedingt ist bei mir landsmannschaftlich gar kein Humor vorhanden", sagt Rainer Schnettker über seine Stärke - den bissigen Humor, der manchmal in Selbstironie verschwimmt: "Ich bin geduldeter Asylbewerber hier im Rheinland", sagt er als "ungewöhnlich durch und durch strukturierter Westfale". Der Karneval sei außerdem eine viel zu ernste Sache, als dass sie den Rheinländern allein überlassen werden dürfe, ergänzt Schnettker. "Wenn der Humor in einem ausgewogenen Verhältnis bleibt, lässt das schwierige Momente aber oft einfacher werden."
Mit dem Fliegerstandort Köln-Wahn hat der Dekan eine sehr ernste Landebahn in seinem geistlichen Alltag: Über Wahn werden Soldaten der Bundeswehr, die aus dem Einsatz nicht mehr lebend oder schwer verletzt nach Deutschland kommen, meist eingeflogen. Eine Situation, in der natürlich auch Schnettker gefragt ist und die seine Miene erstarren lässt.

- Die Heimat-Diözese als Kraftbrunnen

Kontakte, Begegnungen in unserem "Club" - wie er sein Arbeitsumfeld bezeichnet, sind deshalb besonders wichtig. Mitbrüder, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen seien für ihn wichtig, die weiten Wege zu ihnen empfindet er aber als störend. Die Bindung zu seiner Heimat-Diözese hält Schnettker trotz vieler Widrigkeiten aufrecht. "Wichtig ist das, denn irgendwann mit 65 Jahren möchte ich dorthin zurückkehren." Stressausbau drückt Schnettker so aus: "Ich spiele in meinem Heimatverein Trompete. Da stehe ich als Dekan dann nicht in der ersten Reihe und Puste den ganzen Frust einfach raus."
Schnettker hat oft eigene Ideen, das bringt geistige Widerstände mit sich. Seine Ruhe, die er selbst als "stoisch" bezeichnet, hilft ihm dabei. In hektischen Momenten bewahrt er einen kühlen Kopf: "Wenn es irgendwo hektischer wird, werde ich zum Glück ruhiger", fasst er diese Gabe zusammen. Ein Auf und Ab im geistlichen Leben, das ständige hinterfragt Werden - das liebt Dekan Rainer Schnettker an seinem Leben. Genauso mag er es, Teil seiner eigenen Arbeits- und Glaubenswelt zu sein - anders als in der Zivilgemeinde.

- Weder Sand noch Öl im Bundeswehr-Getriebe

Im Ausland seien die Soldaten Gott und dem Glauben oft näher, das hat er in vier Einsätzen in Kroatien, Bosnien, im Kosovo und Kuwait erfahren. Tod, Lebenssinn, ethische Ansätze der Auslandverwendungen: "All das muss thematisiert werden, ohne Sand oder Öl ins Getriebe der Bundeswehr zu gießen." Dafür sei insbesondere die Familienpastorale sehr essentiell in der Arbeit der Militärseelsorger. Diesen Weg möchte Schnettker mitgestalten und voran bringen. Einen besonderen Wunsch hat er aber immer noch: Weniger Bürokratie, mehr perspektivisches, innovatives Arbeiten mit den Brüdern. Das komme aufgrund der vielen Umstrukturierungen aber momentan zu kurz. Nach einer Alternative zum geistlichen Lebensweg gefragt: "Wahrscheinlich wäre ich Land- oder Forstarbeiter geworden. Das könnte ich mir vorstellen, auch wenn es eigentlich nicht zu meinem Hintergrund passt." "Bewahrung der Schöpfung" sei das theologisch gedeutet: "Jedenfalls wäre ich nie Beamter geworden, was ja jetzt näher liegt."

Interview und Fotos:
Stephan Witschas


Der Katholische Standortpfarrer Köln. Militärpfarrer Gregor Ottersbach
"Pfarrer bei der Bundeswehr?"

Die fünf meistgestellten Fragen an Militärseelsorger Gregor Ottersbach

Köln. Armee und katholische Kirche - wie passt das zusammen? Militärseelsorger und -Pfarrer Gregor Ottersbach (43) ist oft im Gespräch mit Soldaten. Viele Fragen hört er regelmäßig und will mit diesem Text die fünf meistgestellten ganz persönlich beantworten.

Wie sind Sie Militärpfarrer geworden?

In einem Gespräch mit dem Personalchef des Erzbistums Köln habe ich erfahren, dass es die Idee gab, mich für einige Jahre dem Militärbischof zur Verfügung zu stellen. Also habe ich mir die Seelsorge bei den Soldaten ein paar Monate angeschaut. Wichtig war mir, mit Militärpfarrern und Soldaten zu sprechen. Nach acht Monaten fiel meine Entscheidung für die Soldatenseelsorge. Jetzt bin ich schon im zehnten Jahr Militärpfarrer.

Die Militärseelsorge unterscheidet sich sehr deutlich von der Pfarrseelsorge: Der Militärpfarrer begegnet vor allem im beruflichen Alltag Soldaten. Einsatzbegleitung in die Krisengebiete und große Einsatzbereiche mit einigen Standorten und mehreren Kasernen lassen den Militärpfarrer zum Vielfahrer und Weltreisenden werden.

Gehen Sie auch mit in die Einsätze?

Wie bei Zeit- und Berufsoldaten, müssen auch wir Militärpfarrer bereit sein, in Einsatzgebiete zu gehen. Ich selbst wurde bislang schon in den Kosovo, mach Mazedonien, Kabul und nach Bosnien geschickt. Dort sollte ich den Soldaten vor allem die Religionsausübung ermöglichen und ihnen in allen Fragen zur Verfügung stehen. Es waren für mich immer gute Zeiten mit den Soldaten im Einsatz, die aber ebenso herausfordernd waren.

Als Angehöriger der Bundeswehr ist der Militärpfarrer Teil des soldatischen Alltags. Er ist untergebracht wie die Soldaten und isst im großen Verpflegungszelt. Alarmübungen im Einsatzland gehören genauso zum Alltag wie der Kampf gegen Hitze, Staub, Dreck und Kälte.

Tragen Sie Uniform und auch eine Waffe?

Im Einsatzland und unter einfachsten Verhältnissen ist der Feldanzug der Bundeswehr sehr praktisch. Er schützt gut gegen Kälte und Hitze und lässt sich einfach waschen. Deshalb ist er für mich als Militärpfarrer im Einsatz und auf dem Truppenübungsplatz gut geeignet. Daneben weist das deutsche Hoheitsabzeichen am Ärmel der Feldbluse den Pfarrer als Angehörigen der Bundeswehr aus und stellt ihn so unter den Schutz des Kriegsvölkerrechts. Als Militärpfarrer trage ich keine Waffe. Dafür ist mir im Einsatzland aber ein Sicherungssoldat zugeordnet.

Der Militärpfarrer trägt also den Feldanzug, hat aber keinen Dienstgrad. Er gibt keine Befehle und nimmt keine Befehle entgegen. Das ist der Unterschied zum Soldaten im Feldanzug.

Zu wem gehen Sie, wenn Sie mal nicht weiterwissen?

Ich bin sehr froh, dass ich mit meinen Eltern, Geschwistern, Freunden und Freundinnen in regelmäßigem und gutem Kontakt stehe. Wir sprechen viel untereinander und ich erfahre hier viel Zuneigung, Hilfe und Annahme.

Konkrete Fragen oder eigene Nöte kann ich sehr gut im Gebet mit Gott besprechen. Gerade das tägliche Gebet ist ein sehr wichtiger Eckpfeiler meines Lebens. Daneben gibt es auch den geistlichen Begleiter, der mir als Pfarrer auf die Sprünge helfen kann. Der geistliche Begleiter ist ein erfahrener, befreundeter Priester, mit dem ein Pfarrer sich regelmäßig trifft. Im Gespräch mit ihm reflektiert der Pfarrer seinen Dienst. Er kann aus fachlicher und aus menschlicher Sicht dem Pfarrer viele Tipps, Ratschläge und Hinweise geben. Damit ist auch nicht selten ein Beichtgespräch verbunden.

Seelsorge, Gott, Kirche und dann Militärdienst, Waffen, kämpfen: Widerspricht die Aufgabe eines Geistlichen nicht der des Soldaten?

Für mich ist das kein Widerspruch, wenn ich die Frage etwas differenziere.
Es geht mir als Pfarrer um die einzelnen Menschen. Unser Militärbischof Mixa hat den Soldaten zugesagt, dass er die Militärpfarrer immer mit in den Einsatz schickt. Die Soldaten sollen ihre Religion auch ausüben können. Dabei geht es nicht darum, die Soldaten kriegsfähig zu machen.

Als Menschen leben wir in einer Welt, die eben nicht nur gut und heil ist. Menschen begehen in ihrer von Gott geschenkten Freiheit Fehler. Sie haben Schwächen und Sünden und werden schuldig. Ganz besonders deutlich wird das an den totalitären Systemen der vergangenen Jahrzehnte. Solange wir also als Menschen in Freiheit leben, wird es Gut und Böse geben. Also werden wir auch Möglichkeiten schaffen müssen, um uns zu schützen: Schützen vor denen, die ihre Macht missbrauchen, Menschen quälen, Hilflosigkeit ausnutzen oder die Menschenwürde mit Füßen treten. Dazu gibt es innerhalb Deutschlands die Polizei und die Bundespolizei. Genauso gibt es die Bundeswehr, die den Staat gegen Angriffe von außen schützt. Also gibt es keinen Widerspruch zwischen dem Verteidigungsdienst des Vaterlandes durch Soldaten und eben der Kirche, der Bibel und den christlichen Inhalten. Jeder muss sich selbst entscheiden, wie er auf einen möglichen Angriff antwortet. Ein Staat trägt Verantwortung für seine Bürger und kann nicht zuschauen, wie ein Aggressor die Stabilität, Frieden und Sicherheit, die Werte des Staates oder sogar das Leben von Menschen zerstört. Dass es für die Anwendung von Gewalt nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil klare Richtlinien gibt, ist selbstverständlich. Nicht zuletzt die Päpste haben in den letzten Jahrzehnten immer wieder Kriege verurteilt. Denn Krieg oder militärische Auseinandersetzungen sollen nach dem Willen Gottes nicht sein und sie sind immer auch eine Niederlage der Menschheit. Eine solche Niederlage gilt es durch Klugheit und Diplomatie zu verhindern.

Militärpfarrer Gregor Ottersbach

Fotos: Stephan Witschas

zurück   oben