Geschenk aus der Heimat, ein Hungertuch

Erstaunen nach dem Öffnen des Päckchens. Pfarrer Thomas Bohne wirft den ersten Blick auf das Hungertuch für das Feldlager im afghanischen Feyzabad
Feyzabad, 06.02.2008. Wer im Einsatz ist, der freut sich auch über die kleinsten Geschenke. Sie lockern den Alltag auf und festigen die Bindung an zu Hause. Beim 15. Deutschen Einsatzkontingent der Bundeswehr in Feyzabad/Afghanistan wurde der dort eingesetzte Standortpfarrer mit einem etwas ungewöhnlichen Präsent überrascht.

So staunte Militärpfarrer Thomas Bohne nicht schlecht, als er von der Poststelle die Aufforderung erhielt, ein Paket abzuholen. Schnell offenbarte sich der Inhalt. Das Katholische Militärbischofsamt finanzierte ein Fastentuch, das dem Militärseelsorger pünktlich zum Beginn der Fastenzeit zugeschickt wurde. Es ist auch als Hungertuch, Palmtuch, Passionstuch oder Schmachtlappen bekannt. Dabei handelt es sich, wie in diesem Fall, um ein kunstvoll bemaltes Tuch, das während der Fastenzeit in katholischen Kirchen die bildlichen Darstellungen Jesu, in der Regel das Kruzifix, verhüllt. Der Ursprung liegt im jüdischen Tempelvorhang, welcher im Neuen Testament im Zusammenhang mit dem Kreuzestod Jesu erwähnt wird.

Bis ins 12. Jahrhundert blieb es ein schlichtes, symbolisches Objekt aus einfarbigem Stoff, der nur im Einzelfall durch ornamentale Stickerei verziert wurde. Danach wurde es als Sakralkunst entdeckt. Eine Beschreibung aus dem Jahr 1493 belegt, dass zwischen 1126 und 1149 im Kloster St. Ulrich und Afra zu Augsburg ein Fastentuch mit künstlerischen Darstellungen entstand.

Im feierlichen Gottesdienst wird das Fastentuch der Militärgemeinde im afghanischen Feyzabad gesegnet
Das Fastentuch der kleinen Militärgemeinde in Afghanistan hat gar nichts mit den eher nüchternen Tüchern des Mittelalters zu tun. Für die farbenfrohe Gestaltung zeichnet die Leipziger Diplomgrafikerin Angelika Pohler verantwortlich. Sie hat in ihrem Bild die Symbole verarbeitet, die sie aus Gesprächen mit Pfarrer Bohne gewann. Gern schilderte der Militärgeistliche der Künstlerin seine Eindrücke. Er ahnte nicht, dass in diesen privaten Gesprächen bereits der Entwurf für ein Hungertuch gewachsen ist.
Es ist nicht ihr erstes Hungertuch. Sie hat bereits eines für die Kapelle in der Sachsen-Anhalt-Kaserne in Weißenfels hergestellt.

So zeigt das Tuch eine afghanische Berglandschaft mit einem Regenbogen und einer Taube mit Ölzweig im Schnabel. Symbole für Hoffnung und Frieden. Als Gegenpol hat die 57-jährige Künstlerin für die durch Kriege gezeichnete Landschaft Ruinen gemalt. Der Bogen zum Jetzt wird durch eine rote Fläche interpretiert. Sie symbolisiert ein Mohnfeld und damit eines der Probleme der afghanischen Gegenwart. Am unteren Rand des Hungertuches sind flehende und hilfesuchende Hände zu sehen, wie bereits in ihrem Werk in Weißenfels.

Beide Tücher wenden sich an Soldatinnen und Soldatinnen, die ihren Dienst im Einsatz oder der Katastrophenhilfe leisten. Der biblische Hintergrund des Tuches im Feldlager Feyzabad findet sich sowohl in der jüdisch-christlichen Überlieferung als auch in der muslimischen Glaubenstradition wieder.

Der Zeitpunkt der Ankunft des Hungertuches hätte nicht besser gewählt werden können. Rechtzeitig zur Fastenzeit wurde es an dem Altar der Kirche befestigt und vom sichtlich gerührten Militärpfarrer Thomas Bohne gesegnet.

Text und Fotos: Hauptmann Waldemar Boczek

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