"Wo Seelsorge draufsteht, soll auch Seelsorge drin sein!"Dokumentation des "Berichtes zur Lage" vom 20. Oktober 2008 | Bericht zur Lage. Militärgeneralvikar Prälat Walter Wakenhut, Apostolischer Protonotar. Foto Halina Kluge | Bericht zur Lage bei der Gesamtkonferenz 2008 in Erkner am 20. Oktober 2008
Die Kirche unter den Soldaten ist eine Kirche in Bewegung, sie ist wie die Bundeswehr einer ständigen Veränderung und Erneuerung unterworfen (Transformation). Wir können nicht auf Traditionen bauen, wie sie in unseren zivilen Gemeinden und Pfarreien vorhanden sind und welche die Verhältnisse positiv wie auch negativ beeinflussen und bestimmen, den Blick für die Wirklichkeit der Welt und des Menschen einengen oder auch weiten können. Die Veränderung in der Zahl und in der Geographie unserer Dienststellen, der durch die dienstlichen Versetzungen bedingte ständige Wechsel der uns anvertrauten Soldatinnen und Soldaten lassen solche nicht entstehen. All das zwingt uns - oder sagen wir doch besser "ermöglicht uns" - ständig neue Wege zu gehen, unsere Arbeit, nämlich den uns anvertrauten Soldatinnen und Soldaten sowie deren Familien die christliche Lehre, die Sakramente der Kirche und die seelsorgerliche Leitung leichter und fruchtbarer zugänglich zu machen *1*, immer wieder den neuen Gegebenheiten anzupassen und unter neuen Umständen zu verrichten. Wir müssen auf der Höhe der Zeit sein, ohne uns dem Zeitgeist auszuliefern, der nostalgische Blick zurück nützt uns nichts. Auslandseinsatz, Familienseelsorge, die neue Gewichtung und Bedeutung des Lebenskundlichen Unterrichts, all das sind Herausforderungen, die uns fordern, aber nicht überfordern.
Innere Ordnung
Wir haben in den letzten Jahren die uns auferlegten, notwendigen Strukturreformen leise und ohne viel Aufhebens durchgeführt, so leise, dass manche schon glaubten, wir wären ungeschoren davon gekommen. Für uns war sicher manches leichter, weil auch unsere Umgebung "transformiert" wurde. Unser Beitrag zur Reduzierung ist aber nichtsdestotrotz erheblich. Ich darf die Neuordnung des Katholischen Militärbischofsamtes in Erinnerung rufen. Von den ursprünglich sechs Referaten im staatlichen Bereich sind drei verblieben; dazu kommen im Bereich der ganzen Kurie, des Militärordinariates, das Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und die Katholische Soldatenseelsorge (Anstalt des Öffentlichen Rechts).
Wir haben die Dienststellen auf der Mittleren Ebene, die Militärdekanate, von ursprünglich acht auf vier reduziert. Mit der Zusammenlegung der Dekanate Hannover und Erfurt im Juli zum neuen Militärdekanat Erfurt hat die Neuorganisation auf dieser Ebene nun ihren Abschluss gefunden. Für unsere Leitenden Dekane bedeutet das nicht nur einen Zuwachs an Gebiet und Dienststellen, sondern vor allem eine enorme Mehrbelastung durch die weiten Wege und den damit verbundenen Aufwand von Zeit und Kraft. Wie das gehen soll, werden die nächsten Jahre zeigen.
Auf der Ortsebene werden wir nach Abschluss der Neustrukturierung noch 90, respektive 91 Militärpfarrämter haben.
Wichtig ist nun, dass sich die neuen Dekanate finden, dass die Militärseelsorger und Militärseelsorgerinnen in diesen neuen, sehr großen Dekanaten zu einer Einheit werden, dass die "corporate identity" stimmt.
Ich bin überzeugt, dass unsere personelle und materielle Ausstattung - trotz mancher sich auftuender Probleme, z. B. im Bereich IT - durch den Staat auf der einen Seite und durch die nicht unerhebliche Unterstützungsleistungen des Militärbischofs in der Gestalt der Katholischen Soldatenseelsorge (Anstalt des Öffentlichen Rechts) auf der anderen Seite, für den uns gestellten Auftrag der Seelsorge ausreichend sind; das heißt aber nicht, dass wir im Überfluss baden können - gerade hinsichtlich eines qualifizierten Personals.
Durch die Umstände bedingt durfte ich zu Beginn dieses Jahres wieder in das von mir einmal im Katholischen Militärbischofsamt in Bonn erlernte und auch lieb gewordene Geschäft des Personalreferenten einsteigen. Es ist sicher nicht das Ideal, dass der Generalvikar zugleich Personalreferent ist. Diesem Zustand kann jetzt nach der Zurruhesetzung von Militärdekan Monsignore Carl Ursprung auch Abhilfe geschaffen werden. Es tat und tut mir aber gut, dass ich jetzt unsere neuen Militärseelsorger und Militärseelsorgerinnen wieder von Anfang an kennen lerne und Berichte und Erlebnisse der aktiven und ausscheidendenden aufnehmen und verwerten kann. Aus dieser Erfahrung heraus darf ich sagen: Die bei uns real existierende und auch erfahrbare Mitbrüderlichkeit / Geschwisterlichkeit ist unsere Stärke. Ich darf einen ausgeschiedenen Militärpfarrer zitieren, der da von seinen ersten Erlebnissen nach seiner Rückkehr in die Heimatdiözese bei unserem gemeinsamen Abendessen im Gästehaus sinngemäß sagte: "Bei uns / bei euch ist es nicht so wie in den Diözesen; da macht keiner dem anderen was vor, wir alle ziehen am gleichen Strick."
Auf diesem Hintergrund sollen nun auch meine sanft kritischen Anmerkungen verstanden werden. In den Augen vieler ist unsere seelsorgerliche Situation durchaus günstig, ja komfortabel, wenn sie dann auch nur sagen: "Ihr habt es besser." Das darf und kann uns aber nicht selbstzufrieden und blind für die auch bei uns vorhandenen Probleme machen.
Durch die Entwicklung in den Diözesen Deutschlands bedingt, die ihre pastoralen Räume neu ordnen, die Seelsorge vor Ort neu gewichten, gelingt es uns zur Zeit leichter, neue Militärpfarrer zu gewinnen. Die Zahl der Vakanzen ist im Schrumpfen, nicht im Wachsen begriffen. Und wenn alles gut geht, können sie im kommenden Jahr in Richtung Null gehen. Dass damit dem Problem Nachwuchs für die Militärseelsorge nur temporär, aber nicht dauernd abgeholfen ist, brauche ich hier nicht extra zu betonen. Für einige Jahre bringt das aber doch eine Entlastung - gerade auch was die Seelsorge im Einsatz und die dadurch verstärkte Sorge um die Familien zu Hause betrifft.
Noch ein Wort zum Dienst unserer Pastoralreferenten und Pastoralreferentinnen in der Militärseelsorge. Dieser Dienst hat an "Selbstverständlichkeit" gewonnen. Für mich ist der beste Beweis, dass der von manchen, von mir allerdings nicht befürchtete Aufschrei, weil Pastoralreferenten und Pastoralreferentinnen in den Einsatz gehen, von soldatischer Seite ganz ausblieb, sondern im Gegenteil für deren Dienst hohes Lob gezollt wird. Sie gehören auch im Einsatz zum Alltag der Militärseelsorge. Und das ist gut so.
Die Militärseelsorger
Die Militärseelsorger und Militärseelsorgerinnen sind anders als viele Mitbrüder, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der zivilen Seelsorge in eine feste Ordnung eingebunden. Das Arbeiten mit einer festen Dienstzeit ist für manchen Neuen oft erst gewöhnungsbedürftig.
Gerade aber neue Situationen bieten eine gute Gelegenheit, nach dem eigenen Grundverständnis als Priester, als Seelsorger oder Seelsorgerin in der Militärseelsorge zu fragen und es eben nicht nur beim Fragen zu belassen, sondern sich selbst wieder eine innere und äußere Ordnung zu geben.
Die Militärseelsorge, als "res mixta" zwischen Staat und Kirche, ist ja nicht nur für den Staat manchmal ein schwer verstehbares Ding, sondern auch für die Kirche. Die Problematik ist nicht neu, denn bereits im Königreich Preußen gab es dieses Problem, als es im 19. Jahrhundert darum ging, eine katholische Militärseelsorge zu institutionalisieren. So fragt ein Bischof *2* voller Sorge nach der Stellung der Militärgeistlichen, die fernab ihrer Diözesen ihrem Dienst in einer eher weltlichen Umgebung nachgehen müssen und dadurch heimatlos werden. Er hat dann große Bedenken, "dass die Berufstätigkeit des Militärpfarrers nicht die Gesamttätigkeit der ganzen christlichen Seelsorge durch alle Lebensverhältnisse vom Kinde bis zum Greise umfasse, sondern dass sie hauptsächlich in einigen das Herz wenig anregenden geistlichen Verrichtungen bestehe". Es ist also nicht neu, dass Bischöfe mit kritischem Interesse auf die Militärseelsorge schauen - vor allem auch dann, wenn es um die Gestellung von Personal geht.
Für mich, für uns soll das aber auch eine Anfrage an uns selbst sein:
Woher beziehen wir die Kraft zum "Leben"?
Wo sind unsere "Quellen"?
Wie geht es mir mit mir selbst?
Bin ich wie einst der Prophet Jona auf der Flucht, oder will ich wie Petrus auf dem Berg der Verklärung gleich drei Hütten bauen, damit ich mich nicht mehr bewegen muss? Für Jona wie für Petrus ging das Leben aber weiter. In der Begegnung mit Gott, der sie sich nicht entzogen, war das möglich.
Wie weit ist das - diese Begegnung mit Gott - für uns noch ein tragendes Element unserer Alltagspraxis?
Ist unser eigener Horizont noch so weit und offen?
Oder haben wir uns diesen durch das Alltagsgeschäft mit seinen Beschwerlichkeiten so verstellen lassen, dass wir keine Zeit und keine Lust mehr haben?
Wie steht es um die geistlich-geistige Fitness?
Ich gebrauche hier ausdrücklich dieses Wort Fitness, denn das bedeutet, dass ich nicht nur schöne Gedanken habe, sondern auch etwas tue, etwas unternehme, anfange und auch zu Ende bringe.
Wir haben auf unseren Dienststellen anspruchsvolle Tageszeitungen und Zeitschriften.
Wir haben eine dienstliche Handbibliothek.
Wir haben den Zugang zu Intranet und Internet.
Wir haben unsere Bischöfliche Ordnung zur Fort-, Aus- und Weiterbildung.
Wir haben unsere Verordnung zur jährlichen Teilnahme an Exerzitien.
Das Papier allein ist geduldig. Ich kann nur einladen, ja aus tiefster Überzeugung sagen, nutzen Sie diese guten Möglichkeiten, nutzen Sie die Zeit, die Sie als Militärseelsorger, als Militärseelsorgerin haben!
Ich habe bereits von dem ausgeschiedenen Militärpfarrer gesprochen, der aus der Rückschau die besondere Geschwisterlichkeit und Solidarität in der Kirche unter den Soldaten hervorhob.
Die allermeisten von uns können diese Erfahrung teilen. Als "Profis der Nächstenliebe" dürfte uns auch der Umgang mit Mitbrüdern, Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in den Militärpfarrämtern und Militärdekanaten nicht schwer fallen. Die Soldatinnen und Soldaten, die zu uns kommen, sind keine Störung des Betriebes, sondern sie sind uns ein Anliegen, sie sind uns Auftrag und Geschenk zugleich - gerade in einer Gesellschaft, die weithin säkularisiert und nicht mehr christlich ist.
Das heißt jetzt nicht, dass ich nicht um die Probleme weiß, die sich immer wieder ergeben. Da gibt es Schwierigkeiten mit dem Pfarrhelfer, der Pfarrhelferin, da gibt es Probleme in der Zusammenarbeit mit dem Seelsorgebezirksrat, da knirscht es in der Ökumene, da muss sich einer kräftig über das Amt ärgern. Da ist einer oder eine so ganz allein auf weiter Flur, die Nachbardienststelle ist vakant, der andere Nachbar im Einsatz, der Dekan auf Dienstreise ...
Wohin soll ich mich wenden? Gerade das zeigt, wie wichtig es ist, dass wir mit uns selbst und unserem Dienst klar kommen, dass wir die nötige geistige und auch körperliche Kondition besitzen, damit wir bestehen können.
Der Einsatz
Dies gilt besonders für die Situation des Einsatzes. Unsere Pfarrer, die Pastoralreferenten und Pastoralreferentinnen leisten da eine hervorragende Arbeit, die manchen bis an die Grenzen des Leistungsvermögens bringt. Es ist uns - vor allem auch unserem Militärbischof - ein großes Anliegen, dass die Einsatzbegleitung in all ihren Phasen optimal vorbereitet, begleitet und vor allem auch nachbereitet wird. An uns den Verantwortlichen ist es, die notwendigen, uns zur Verfügung stehenden Instrumente immer wieder neu zu bedenken, damit wir den augenblicklichen Anforderungen gerecht werden können.
Dass das von allen Beteiligten nicht nur positiv gesehen wird, ist uns sehr wohl bewusst, manchmal aber nicht nachzuvollziehen. Aber Schwierigkeiten sind dazu da, dass wir sie überwinden. Und ich weiß mich hier in edler Kampf- und Leidensgemeinschaft mit unseren evangelischen Brüdern und Schwestern - gerade auch, was die Präsenz der beiden Militärseelsorgen beim Einsatzführungskommando in Potsdam betrifft.
Ich darf hier auch auf unseren Generalinspekteur, General Schneiderhan, verweisen, der bei der letzten Kommandeurtagung sinngemäß gesagt hat: Es gibt nur den Soldaten "für den Einsatz". Der "Brunnenbauer" und der "Kämpfer" gehören zusammen, sie dienen der einen und selben Sache. Das bestimmt die Qualität der Bundeswehr - auch für den unwahrscheinlichen Fall der "Verteidigung des Vaterlandes" in den Grenzen des eigenen Landes. So sind auch wir eine Militärseelsorge im Einsatz und wir müssen uns entsprechend aufstellen und organisieren.
Laienarbeit
Über all die Einsatzplanung und -begleitung dürfen uns die Soldatinnen und Soldaten nicht aus dem Blick geraten, die an den Standorten engagiert und oft mit viel Aufwand von Zeit und Mühe unsere Arbeit mittragen und mitgestalten. Seelsorgebezirksräte, Arbeitskonferenzen, die Zentrale Versammlung (jetzt "Katholikenrat") und nicht zuletzt die Gemeinschaft Katholischer Soldaten sind wichtiger, ja unersetzbarer Teil unserer Arbeit. Auch hier gibt es aber Erschwernisse durch die größeren Seelsorgebezirke und die neuen, doch sehr großen Dekanate. Auch hier heißt es sich neu zu finden. Unsere engagierten katholischen Soldatinnen und Soldaten sind der Zugang zu den vielen, die vielleicht auch katholisch sind, aber zunächst von uns nichts oder nicht viel wissen wollen. Sie sind aber auch Zugang zu denen, die fragend und suchend ihren Weg für ihr Leben suchen, und denen sie und wir aus unserem gelebten Glauben heraus durchaus Antworten zu geben fähig sind. In einer zivilen Pfarrei ist es undenkbar, dass es keinen Pfarrgemeinderat gibt, dass keine Verbände und Gruppen da sind, die das Gemeindeleben mitgestalten. Ich hätte mir das in meiner Pfarrei nicht vorstellen können, ja eine vernünftige Seelsorge wäre ohne diese engagierten Männer und Frauen, junge wie alte, nicht möglich gewesen. So sind auch für uns die Laien in der Militärseelsorge ein wertvolles Gut, das es mit größter Sorgfalt zu wahren und zu mehren gilt. Gerade die Gemeinschaft Katholischer Soldaten als unser Verband hat hier eine besondere Bedeutung, hat sie doch über das Zentralkomitee der deutschen Katholiken auch kirchenpolitischen Einfluss, der nicht hoch genug einzuschätzen ist - ohne jetzt die durch das Kirchenrecht institutionalisierte Arbeit unserer Seelsorgebezirksräte, Arbeitskonferenzen und der Zentralen Versammlung schmälern zu wollen. Geht auf aktive katholische Soldaten zu und ermuntert sie, sich in der Gemeinschaft Katholischer Soldaten und unseren Gremien zu engagieren und mitzutun!
Der Lebenskundliche Unterricht - Die neue ZDv 10/4
Ein wichtiger Punkt ist nicht nur für uns, sondern für alle, die in unserer Bundeswehr Verantwortung tragen, die ethische Bildung des Soldaten, der Soldatin. Sie ist den Militärseelsorgern und Militärseelsorgerinnen im Rahmen des Lebenskundlichen Unterrichts (LKU) anvertraut.
Nach langen Diskussionen wird die Zentrale Dienstvorschrift (ZDv) 10/4, die an Stelle der alten ZDv 66/2 den LKU regeln wird, voraussichtlich im Dezember 2008 / Januar 2009 erlassen.
Man kann an allem herummäkeln. Ich sehe diese ZDv als Gelegenheit, als Chance für uns alle an. Die noch gültige ZDv 66/2 stammte aus dem Jahr 1959, wir schreiben jetzt das Jahr 2008; allein dieser zeitliche Abstand erforderte eine Neupositionierung. Nicht nur die Bundeswehr hat sich verändert, sondern auch Staat und Gesellschaft und die Bedeutung der Kirchen in ihnen. Die neue ZDv bietet uns die Möglichkeit, mit umfassendem Auftrag im LKU mit allen Soldaten und Soldatinnen in Kontakt zu treten und unsere in der christlich-jüdischen Tradition gründende Werteordnung zu vermitteln, die sich in den ersten Artikeln unseres Grundgesetzes widerspiegelt.
Und ich darf hier einen unverdächtigen Zeitzeugen zitieren, den Berliner Kommunikationswissenschaftler Norbert Bolz, der in seinem sehr lesenswerten Büchlein "Das Wissen der Religion" schreibt:
Man muss vor der europäischen Kultur nicht die Knie beugen, aber man sollte ihre großen alten Bücher lesen, die uns die religiöse Erziehung und Tradition ersetzen. In diesem Sinne plädieren wir hier für eine ernste Arbeit an der objektiven Religion, d. h. dem Kultur gewordenen Christentum, als den einzig gangbaren Weg zu einer europäischen Identität. Dieser Weg steht gerade religiös Unmusikalischen offen (Als solcher sieht sich der Autor!). Er sollte ihn unbeirrt von dem gehen, was er im Innern der modernen Gesellschaft beobachtet, nämlich das ästhetische Spiel mit der Religion und das Ressentiment mit der Sozialreligion. Unbeirrt auch von dem, was sich außerhalb der modernen Gesellschaft anbahnt - das anarchische Bündnis der Ausgestoßenen: Gott und Seele.
Mit dem Lebenskundlichen Unterricht haben wir Zugang zu den Soldatinnen und Soldaten und leisten hier, wie die neue ZDv 10/1 "Innere Führung" feststellt, einen unverzichtbaren Beitrag zur Vermittlung und Grundlegung einer soldatischen Berufsethik, die sich an den in unserer christlich-abendländischen Tradition gründenden Werten orientiert. Hier haben wir die Möglichkeit, unsere Kompetenz unter Beweis zu stellen und damit das Vertrauen herzustellen, das für eine gedeihliche Seelsorge unabdingbar ist.
Die Probleme, die sich in der Bundeswehr als einer Armee in der Transformation stellen, sind nicht gering, die Herausforderungen des Alltags, insbesondere des Einsatzes sind groß. So sind die Fragen der Soldaten und Soldatinnen nicht immer einfach zu beantworten. Da sind die Probleme, die Einsatz und Trennung mit sich bringen, da ist die Frage nach der Sinnhaftigkeit der immer robuster werdenden Einsätze der Bundeswehr und da sind die Probleme, die sich aus dem Umgang mit Tod und Verwundung ergeben.
Hier will ich noch einmal auf die schon erwähnte neue ZDv 10/1 "Innere Führung" hinweisen, die hoffentlich auf den Dienststellen nicht nur vorhanden, sondern auch gelesen worden ist. In den Ziffern 670 bis 674 beschäftigt sie sich eingehend mit der Militärseelsorge. An uns ist es, diesen Text mit Geist und Leben zu erfüllen.
Wir alle, besonders aber Sie, die Seelsorger und Seelsorgerinnen vor Ort, haben uns diesen Aufgaben zu stellen. Dazu ist, wie schon gesagt, unsere körperliche und geistlich-geistige Fitness erforderlich, dazu bedarf es aber auch eines Rahmens, in dem wir gut arbeiten können.
Intensivformen der Seelsorge
Ein wichtiges Instrument der Seelsorge und der religiösen Bildung und Bindung der uns anvertrauten Soldatinnen und Soldaten und deren Familien und Angehörigen sind die im Veranstaltungskatalog vorgesehenen Intensivformen. Dazu zählen Familienwochenenden, Werkwochen, Wallfahrten und nicht zuletzt die Familienferien, die wir anbieten. Ich sehe hier gewisse Gefahren, vor allem die der Verflachung. Wo Seelsorge draufsteht, soll auch Seelsorge drin sein, alles andere ist Etikettenschwindel. Aus diesem Grunde haben wir auch unsere Familienferien neu organisiert mit dem Ziel, dass aus billigen Urlauben wieder religiöse Familienferien werden. D. h. jetzt nicht, dass wir uns auf uns selbst zurückziehen sollen. Wir müssen die Leute nach wie vor dort abholen, wo sie sich befinden. Abholen heißt aber immer Einladung einen gemeinsamen Weg zu gehen, die Menschen zu begleiten, ihnen ein Ziel auch attraktiv zu machen.
Gerade bei den Familienferien wird uns das nur gelingen, wenn möglichst viele mitmachen, sich zur seelsorgerlichen Begleitung für diese Maßnahmen bereit erklären; ich denke hier an ausgeschiedene, bereits im Ruhestand befindliche Militärgeistliche, aber auch unsere Schwestern, die jetzt bei uns im Haus sind und dazu bereit und auch qualifiziert sind. Ich kann mir auch gut vorstellen, dass sich aus unseren Reihen, den im Augenblick aktiven Militärseelsorgern und Militärseelsorgerinnen welche finden, die zu diesem Dienst bereit sind. Ich will daran erinnern: Es sind Ferien und keine Exerzitien! Leib und Seele sollen zu ihrem Recht kommen.
In diesem Zusammenhang möchte ich auch noch einige kurze Anmerkungen zur diesjährigen Lourdes-Wallfahrt machen. Zuerst einen herzlichen Dank für den Einsatz und die Werbung. Jetzt muss ich sagen: Wir haben des Guten zu viel getan. Wir konnten nicht alle Interessenten mitnehmen. Zivile Pilger mussten ausgeladen werden. Das gab Anlass zur Verärgerung, die hauptsächlich vor Ort an den Standorten ausgehalten werden musste. Auf der anderen Seite wurde die Wallfahrt aber auch wieder mehr zu dem, was sie sein sollte: eine Soldatenwallfahrt. Als Soldatenwallfahrt für den Frieden in der Welt soll Lourdes nach wie vor ein Schwerpunkt unserer seelsorgerlichen Arbeit bleiben. Bereiten wir also alle mit vollem Einsatz die 51. Lourdeswallfahrt vor.
Lassen sie mich jetzt zum Schluss kommen:
Wir sollten, statt zu jammern, die vorhandenen Möglichkeiten nutzen und die ganz. Wir brauchen auch nicht jeden Tag das Rad neu zu erfinden, sondern können uns auf Bewährtes verlassen und stützen.
Und ich darf die große Hildegard von Bingen zitieren aus ihrem Brief an den Kölner Klerus, in dem sie schreibt :
Aber auch durch die Lehre der vom Feuer des heiligen Geistes verfassten Schriften müsstet ihr die starken Eckpfeiler sein, die die Kirche stützen. Allein ihr liegt am Boden und seid kein Halt für die Kirche. Und wegen so vieler Nichtigkeiten und Eitelkeiten unterweist ihr die Leute nicht und gestattet deshalb nicht, dass sie bei euch Belehrung empfangen, indem ihr sprecht: Wir können unmöglich alles schaffen.
Ihr solltet eine Feuersäule sein, die den Menschen vorauszieht, ihr solltet sie aufrufen, gute Werke vor ihren Augen zu tun, und sprechen: Ergreift die Zucht, damit der Herr nicht zürnt und ihr zugrunde geht, fernab vom rechten Weg.
Am Freitag der 22. Woche im Jahreskreis konnten wir diesen Text alle im Lektionar zum Stundenbuch lesen.
Dank
Dieser Bericht zur Lage ist auch der Ort "Vergelt's Gott!" zu sagen
- unserem Militärbischof Dr. Walter Mixa für seine zahlreichen Bemühungen trotz der großen Diözese Augsburg,
- den Referatsleitern und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Kurie, insbesondere dem Team, das diese Gesamtkonferenz vorbereitet hat und durchführt,
- den Leitenden Dekanen,
- den haupt- und nebenamtlichen Militärseelsorgerinnen und Militärseelsorgern an den Standorten mit ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen,
- allen Soldatinnen und Soldaten und deren Angehörigen, die sich für uns engagieren und dafür viel Zeit und Mühe aufwenden;
- dabei besonders den Mitgliedern von Mitarbeiterkreisen und Seelsorgebezirksräten, den Delegierten bei den Arbeitskonferenzen und der Zentralen Versammlung mit ihrem Vorsitzenden, Herrn Stabsfeldwebel Ralf Eisenhardt, sowie der Gemeinschaft Katholischer Soldaten mit ihrem Bundesvorsitzenden, Herrn Oberstleutnant Paul Brochhagen,
- unseren militärischen und zivilen Ansprechpartnern im BMVg, der militärischen wie der politischen Leitung,
- insbesondere dem Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestags und den Abgeordneten im Verteidigungsausschuss,
- allen, die unsere Arbeit mit Interesse und Wohlwollen und auch mit ihrem Gebet begleiten und
- unseren evangelischen Schwestern und Brüder für das gute ökumenische Miteinander.
Ich danke für die Geduld beim Zuhören.
Walter Wakenhut
*1* Vgl. Päpstliche Statuten für den Jurisdiktionsbereich des Katholischen Militärbischofs für die Deutsche Bundeswehr, Artikel 1.
*2* Vgl. Heinrich Pohl, Die katholische Militärseelsorge Preussens 1797-1888, Stuttgart 1926, S. 240 ff. |