Studientag zum Lebenskundlichen Unterricht

Militärbischöfe befassen sich mit Ethikausbildung in den Streitkräften

Plenum im Dietrich- Bonhoeffer - Haus (Berlin) mit Offizieren, Politikern und Militärethikern während des Studientages "Ethische Bildung in den Streitkräften. Konzepte - Inhalte - Methoden" am 05. März 2009
Berlin, 07. 03. 2009. Der Bundesminister der Verteidigung, Dr. Franz Josef Jung, hat mit Beginn dieses Jahres den Lebenskundlichen Unterricht (LKU) für die Soldatinnen und Soldaten neu geregelt und in einer Zentralen Dienstvorschrift (ZDv 10 /4) als verbindliche berufsethische Qualifizierungsmaßnahme erlassen. Für die Dauer von drei Jahren sollen nun, zunächst im Wege der Erprobung und unter dem Leitmotiv "Selbstverantwortlich leben - Verantwortung für andere übernehmen können", Militärseelsorger und Militärseelsorgerinnen als Lehrende den Lebenskundlichen Unterricht in seiner neuen Qualität erteilen.

Dies veranlasste die Militärbischöfe Dr. Walter Mixa und Dr. Martin Dutzmann zu einem Studientag einzuladen, der im Dietrich - Bonhoeffer - Haus (Berlin) eine erste Gelegenheit bot, zusammen mit Offizieren, Ethikern, Politikern, Militärgeistliche und Gästen aus der Militärseelsorge der schweizerischen, österreichischen und niederländischen Streitkräfte den Neuansatz der Ethikausbildung auf den Prüfstand zu stellen.

Militärgeneralvikar Walter Wakenhut konnte deshalb in seinem einleitenden Statement darauf hinweisen, dass die Militärseelsorge beider Konfessionen ihren Beitrag zur berufsethischen Bildung der Soldatinnen und Soldaten leisten wird. Gleichzeitig erinnerte er jedoch daran zu erinnern, dass dieses Ziel eine Querschnittsaufgabe der Inneren Führung ist. Wakenhut dabei wörtlich: "Die Militärseelsorge trägt nicht die Verantwortung für die ethische Bildung der Soldatinnen und Soldaten als ganze."

Militärgeneralvikar Walter Wakenhut anlässlich seines einführenden Statement während des Studientages zur ethischen Bildung in den Streitkräften. Links im Bild: Militärdekan Dr. Peter Brandt (EKA), Brigadegeneral Alois Bach (Zentrum Innere Führung), Brigadegeneral Christof Munzlinger (BEAGenInsp)
Staatsminister a. D. Jochen Riebel, Mitglied des 12. Beirats Innere Führung beim Bundesministerium der Verteidigung und Oberst der Reserve, gab vorab einen Überblick über die geschichtlichen Stationen des griechisch-jüdisch-christlichen Wertefundaments der europäischen Gesellschaften. Er zeichnet dabei den Spannungsbogen von den antiken Zwölftafelgesetzen bis hin zur allgemeinen Erklärung der Menschenrechte.

Brigadegeneral Alois Bach, Kommandeur Zentrum Innere Führung (Koblenz) formulierte im Anschluss daran aus der Perspektive der neuen Zentralen Dienstvorschrift einige Erwartungen an die ethische Bildung und hob dabei hervor, dass es auch unter den veränderten Rahmenbedingungen gilt, einsatzfähige und einsatzwillige Soldatinnen und Soldaten auszubilden. Seiner Auffassung nach ist es jedoch nicht ausreichend, Ordnungen zu erlassen und zu schulen. Wichtig bleibt das beispielhafte und vorbildliche Verhalten von Vorgesetzten, welches durch keine Vorschrift ersetzt werden könne.

Oberstleutnant i. G. Dr. Dieter Baumann, Theologe und Offizier der Schweizer Armee, referierte im Hauptvortrag des Studientages über die Konzeption einer integrativen Militärethik, die in allen Führungsentscheidungen und Ausbildungsabschnitten Eingang in eine moralische Urteilsbildung finden soll. Kernfragen für eine ethische Bildung in Streitkräften und deren Zielgebung könnten demnach lauten: Was soll ein heutiger Soldat tun? Welche legitimen Gründe gibt es, die Menschen berechtigen, in seiner Funktion als Soldat militärisch organisierte Gewalt anzudrohen und anzuwenden sowie in letzter Konsequenz zu töten? Wie soll ein heutiger Soldat sein? Aus welcher Grundhaltung heraus soll ein Soldat handeln und sich verhalten? Mit Blick auf die Beantwortung dieser Kernfragen nannte der für die Ethikausbildung in der Schweizer Armee verantwortliche Generalstabsoffizier vier verschiedene Ebenen die in der unterrichtlichen Ausbildungssituation sich wechselseitig bedingen.

Jochen Riebel (ehemaliger Hessischer Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten, Oberst der Reserve) referiert als Mitglied des 12. Beirates für Fragen der Inneren Führung des Bundesministers der Verteidigung zu Beginn des Studientages vor Politker, Offizieren und Militärethikern zu Grundfragen einer ethischen Bildung für Soldaten.
Dabei stehen das eigene Welt- und Menschenbild, die Ebene grundlegender moralischer Prinzipien, die Kenntnisse der allgemeinen Gesetze, der Regeln und Normen in Wechselwirkung zu einem singulären adäquaten moralischen Urteil des handelnden Soldaten. Ziel aller Bemühungen in der ethischen Bildung mit Soldaten muss dabei sein, die Sensibilisierung für ethische Fragen nicht an Dritte zu delegieren, sondern in der Sprache der Soldaten und im eigenen Verantwortungsbereich zu fördern.

Die Erfahrungen anderer europäischer Streitkräfte mit berufsethischen Bildungskonzepten sowie methodische und didaktische Modelle brachten Militärseelsorger und Militärseelsogerinnen aus den österreichischen und niederländischen Streitkräften ein. In einem Podiumsgespräch wurden dabei unterschiedliche konzeptionelle Ansätze vorgestellt. Trotz Unterschiede im Einzelnen bestand ein hohes Maß an Übereinstimmung in der grundsätzlichen Notwendigkeit, ethische Bildung in allen Ausbildungsabschnitten zu integrieren.

Im Anschluss der Studientagung "Ethische Bildung in den Streitkräften. Konzepte - Inhalte - Methoden" wurde in Berlin durch Militärgeneraldekan Dr. Peter Brandt, Leiter des Evangelischen Kirchenamts für die Bundeswehr (EKA) das neue Handbuch der Evangelischen Seelsorge in der Bundeswehr "Friedensethik im Einsatz" vorgestellt. Das Handbuch "Friedensethik im Einsatz", das im Auftrag des Evangelischen Militärbischofs erarbeitet wurde, soll den Militärgeistlichen eine Hilfestellung zu den besonders kritischen Situationen des Soldatenberufes an die Hand. Hierbei gibt es, nach Auskunft der Autoren, keine schematischen Lösungsvorschläge für verschiedene Fragestellungen. Oberstleutnant Ulrich Kirsch, Bundesvorsitzender des Deutschen Bundeswehrverbandes (DBwV) begrüßte bei der Buchpräsentation des Verlages die Herausgabe des Handbuches.

Text und Fotos: Josef König

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Brigadegeneral Alois Bach (Zentrum Innere Führung) formuliert Erwartungen an die ethische Bildung aus der Perspektive der neuen Zentralen Dienstvorschrift 10/4
Diskussionsbeiträge aus dem Plenum während des Vortrages des schweizer Generalstabsoffiers Dr. Dieter Baumann
Oberstleutnant Dr. Dieter Baumann (rechts) während der Diskussion zu unterschiedlichen Konzepten der ethischen Bildung für Soldaten.
Plenum des Studientages im Dietrich-Bonhoeffer-Haus (Berlin) am 05. März 2009
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