Für einen Gedenktag

Militärgeneralvikar Wakenhut zum Ehrenmal der Bundeswehr

Militärgeneralvikar Wakenhut: Gefallenen Soldanten gebührt Platz in der Erinnerung des Volkes. Foto: kna
03.09.2009. Am Dienstag wird in Berlin das zentrale Ehrenmal für die Angehörigen der Bundeswehr eingeweiht. Der katholische Militärgeneralvikar Walter Wakenhut äußerte sich am Donnerstag in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Berlin zu dem Monument und zum Umgang mit dem Thema Tod bei der Bundeswehr. Dabei sprach er sich auch für einen eigenen Gedenktag aus.

KNA: Herr Prälat, nach etlichen Jahren weiht die Bundesregierung das Ehrenmal für die im Dienst ums Leben gekommenen Bundeswehrangehörigen ein. Welche Bedeutung hat diese Stätte?

Wakenhut: Dieses Ehrenmal ist wichtig. Die Soldaten, die im Einsatz für unsere Grundwerte, für Frieden, Freiheit und Menschenwürde ums Leben gekommen sind, bekommen damit ihren Platz in der Erinnerung des Volkes. Für mich ist es schlichtweg eine Respekterweisung für den Staatsbürger in Uniform, die schon lange notwendig war.

KNA: Gegen den Willen des Bundestags hat das Ehrenmal seinen Ort nicht in der Nähe des Reichstages, sondern am Verteidigungsministerium im Bendlerblock.

Wakenhut: Das Ehrenmal ist zunächst einmal das Ehrenmal der Soldatinnen und Soldaten. Der Bendlerblock als Ort des Widerstandes gegen ein Unrechtsregime ist deshalb der geeignete Ort. Es geht um das Gedenken der Soldaten an ihre getöteten und gefallenen Kameraden. Sollte das Parlament ein Ehrenmal beschließen, kann das seinen Platz am Reichstag haben.

KNA: Sie sprechen von „Gefallenen“. Ist diese lange umstritten gebliebene Wortwahl ehrlicher?

Wakenhut: Dahinter steht ja die Auseinandersetzung: Ist in Afghanistan Krieg oder nicht? Sind militärische Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung nun Kriege im Sinne des Völkerrechts? Das sind sie ja offensichtlich nicht. Aber die Soldaten, die dort durch Gewalteinwirkung ums Leben kommen, sterben als „Diener der Sicherheit und der Freiheit der Völker“. Deshalb finde ich es richtig, von Gefallenen zu reden - unabhängig von der Diskussion, ob Afghanistan ein Krieg im klassischen Sinne ist.

KNA: Wie wichtig ist nach Ihrer Erfahrung den Soldaten draußen das Gedenken im Bewusstsein der deutschen Bevölkerung?

Wakenhut: Ganz wichtig. Viele sind der Meinung, dass der Einsatz in Afghanistan in der Gesellschaft nicht ernst genommen wird, dass die immensen Gefahren zum Teil auch nicht gesehen werden. Und wenn die Soldaten nach Hause kommen, müssen sie sich für den Einsatz manchmal noch rechtfertigen.

KNA: Bei Verabschiedungen von gefallenen Bundeswehrangehörigen sieht man in Fernsehbildern auch oft die Seelsorger. Wie sehr hat der Ernstfall Tod die Arbeit der Militärseelsorger verändert?
Wakenhut: Das fing nicht mit Afghanistan an, sondern schon im Kosovo-Krieg. Wer dort als Soldat von Anfang an mit dabei war, erlebte bei der Öffnung von Massengräbern Schreckliches. Das war eine erste schwere Belastungsprobe für die Bundeswehr. In Afghanistan erfahren die Soldaten jetzt, dass ihre Kameradinnen und Kameraden in Lebensgefahr sind oder ihr Leben lassen. Das hinterlässt Spuren. Kein Mensch ist so abgehärtet, dass er das ungerührt hinnimmt. Es kann zu nachhaltigen Störungen kommen. Wir bilden unsere Militärseelsorger aus, bei den sogenannten posttraumatischen Belastungsstörungen der Soldaten sensibel zu reagieren und soweit vonnöten, seelsorgerliche Hilfe anzubieten. Natürlich ersetzen sie nicht den Arzt oder Psychologen.

KNA: Wie sehr sind die Seelsorger beim Kontakt mit den Angehörigen involviert?

Wakenhut: Wenn ein Soldat ums Leben kommt und die Todesnachricht überbracht werden muss, begleitet gewöhnlich der Pfarrer den militärischen Vorgesetzten und bietet seine Hilfe an. In sehr vielen Fällen wird sie auch gut angenommen. Wir drängen uns nicht auf. Aber wo wir gefragt werden, sind wir da. Die religiösen Trauerfeiern werden auch von Angehörigen, die nicht kirchennah sind, angenommen.

KNA: Deutschland hat ab dem 8. September mit dem Ehrenmal einen Ort für dieses Gedenken auch an die Gefallenen. Sehen Sie im Volkstrauertag eigentlich einen Termin für dieses Gedenken?

Wakenhut: Nein. Am Volkstrauertag gedenken wir der Opfer von Hass, Elend und ungerechter Gewalt in den vergangenen Kriegen. Mit dem 23. Mai 1949 hat in unserem Land eine neue Zeit begonnen. Die Soldaten der Bundeswehr werden von einem demokratisch gewählten Parlament in die Einsätze geschickt. Sie sind Bürger in Uniform. Deshalb braucht die Bundeswehr einen eigenen Gedenk- und Ehrentag für ihre im Dienst ums Leben gekommenen Soldaten und Soldatinnen.

KNA: Sehen Sie bei diesem Gedenken eine Rolle des Parlaments?

Wakenhut: Das Parlament sollte sich hinter diesen Ehrentag stellen. Das muss ja kein eigener Feiertag sein. Aber es soll ein würdevoller Gedenktag sein, der eben von all jenen, die unseren Staat tragen, also auch von den Repräsentanten des Staates, wahrgenommen wird.

KNA: Die Bundeswehr hat immer öfter mit dem Thema Tod zu tun. Wie wichtig sind an diesen Grenzen des Lebens und bei der Bewältigung Rituale?

Wakenhut: Wir Menschen fühlen uns aufgehoben, wenn wir in feste Formen hineinkommen. Jeder Mensch braucht eine Heimat, ein Dach über dem Kopf. Und so braucht auch der Trauernde einen Ort, wo er sich mit seiner Trauer wiederfindet. Das Ehrenmal ist so gestaltet, dass man sich in einer guten Atmosphäre der eigenen Toten erinnern kann.

Es hat einen tiefen Sinn, dass man dem Erinnern an die Toten eine Gestalt und einen Ort gibt. Das eine ist der Grabstein zu Hause, der zählt zum privaten Bereich der Angehörigen. Aber auch der Staat hat Respekt vor diesen Toten.

Das Interview führte Christoph Strack (KNA)

Quelle: domradio.de

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