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Nicht noch den zweiten Tod sterbenÜber die Gefahr des Vergessens | Thomas Stephan,
Pastoralreferent
beim
Katholischen
Militärpfarramt
Bruchsal | "Aus den Augen, aus dem Sinn", so lautet eine altbekannte Wahrheit - nicht nur innerhalb der Truppe. Im Rahmen von Lehrgängen, Einsätzen und Versetzungen trifft man immer wieder auf Kameraden, die man schon vorher irgendwo kennen gelernt hat. Alte Erinnerungen, gute und weniger gute, leben dann auf und einem wird wieder bewusst, wie klein doch die (Bundeswehr-) Welt ist.
Auch wenn nicht jedes Wiedersehen freudig begangen wird, so ist es doch eine immer wieder gemachte Erfahrung, dass es guten Kameraden gegenüber sehr schade ist, sich mit der Zeit aus den Augen zu verlieren. So vieles steht einem regelmäßigen Kontakt zwar nachvollziehbar im Weg, doch im Grunde genommen fehlt es dabei im Wesentlichen auch an der Erkenntnis, wie wichtig diese Menschen für einen selbst sind und wie unabdingbar es ein gerütteltes Maß an Arbeit und Energie erfordert, die Verbindung zu ihnen zu halten.
Gegen eine Mentalität des Vergessens, für die auch das Sprichwort "Aus den Augen, aus dem Sinn" steht, will der Monat November mit seinen Feier- und Trauertagen Zeichen der Erinnerung setzen. Besonders im Hinblick auf unsere Verstorbenen soll in diesem Monat das Gedenken durch das Aufstellen von Kerzen und das Niederlegen von Kränzen lebendig gehalten werden. Dabei spielt neben der Bewältigung des ersten "biologischen" Todes das Verhindern des zweiten Todes, nämlich der Tod des Vergessens, eine zentrale Rolle. Beide "Todesarten" sind an sich schmerzlich, aber nur die erste wird bewusst empfunden, während die zweite ohne eine Träne im Verborgenen stattfindet.
Aus christlicher Sicht gibt es vor Gott kein Vergessen. Bei Gott haben wir auf ewig einen Namen, an den er sich erinnert. Wenn alle nur noch ein nichts ahnendes Schulterzucken für unsere Existenz übrig haben, weiß Gott um uns. Den zweiten Tod des Vergessens brauchen wir vor ihm nie zu sterben. Aus unserem christlichen Glauben heraus dürfen wir vielmehr noch hoffen, dass nicht nur unser Name, sondern unser ganzes Wesen bei Gott aufgehoben ist.
Die altbekannte Wahrheit "Aus den Augen, aus dem Sinn" taucht im Zusammenhang mit lebenden und verstorbenen Kameraden auf. Für nicht wenige (Soldaten) sind die Feier- und Trauertage des November nur ein Pflichtprogramm, das teilnahmslos abgespult wird, weil kein Bezug zu den Menschen, derer gedacht werden soll, hergestellt werden kann. Aber ich denke, wir sind es allen schuldig, ob wir sie mochten oder nicht, ob wir sie gekannt haben oder nicht.
Lebenden und Verstorbenen gegenüber besteht die Gefahr des Vergessens. Aufgrund von Schnell lebigkeit und Nichtwertschätzung kann es passieren, dass wir sie aus den Augen verlieren. Dementsprechend braucht es vielleicht Zeiten, in denen wir gezwungen sind, uns zu erinnern. Beziehungen gilt es zu pflegen. Das ist eine Arbeit, die es nicht zum Nulltarif gibt. Auch im Hinblick auf unsere Verstorbenen ist das so. Ihr (mahnendes) Beispiel wird mir nur bewusst, wenn ich mich mit ihnen auseinandersetze und versuche, Gelungenes fortzusetzen und aus Fehlern zu lernen.
Wegweisend und hilfreich mag in diesem Zusammenhang für alle, die sich mit den Feier- und Trauertagen des November schwer tun, das Wort von Markus Aurelius Augustinus, einem frühchristlichen Kirchenlehrer und Bischof aus Karthago, sein: "Der Mensch, den wir lieben, ist nicht mehr da, wo er war, aber überall, wo wir sind und seiner gedenken."
Thomas Stephan,
Pastoralreferent beim Katholischen Militärpfarramt Bruchsal
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