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Der Zeitgeist kann die Fragen nach Gott nicht beantworten

Militärgeneralvikar Wakenhut zum Thema der 53. Gesamtkonferenz

Apostolischer Protonotar Walter Wakenhut, Militärgeneralvikar und Generalvikar der Kurie des Katholischen Militärbischofs
Kompass: „Heute von Gott reden. Gottesverkündigung im Horizont von Atheismus und Religions-
kritik“, so lautet die inhaltliche Leitidee für die 53. Gesamtkonferenz der katholischen Militärgeistlichen, Pastoralreferenten und Pastoralreferentinnen, die vom 20. bis 24. Oktober 2008 im brandenburgischen Bildungszentrum Erkner stattfinden wird. Warum diese Leitidee für eine wichtige Veranstaltung der Katholischen Militärseelsorge in Deutschland?

Militärgeneralvikar Prälat Walter Wakenhut: Wir sprechen von unserer Zeit als einer säkularen, postchristlichen Zeit. Und wir empfinden die Welt um uns herum, in der wir leben und arbeiten, auch vielfach so: blind, taub und verschlossen für die Sache Gottes. Auf der anderen Seite sehen wir aber auch, dass gerade diese für Gott unsensiblen und unansprechbaren Menschen nach Sinn fragen und suchen, einen tragenden Grund für ihr eigenes Leben brauchen. Und – sie geben sich nicht mit vorletzten, vordergründigen Antworten zufrieden. Als Militärseelsorger und Militärseelsorgerinnen stellen wir uns diesen Fragen. Denn sie sind das Thema unserer Zeit. Der Zeitgeist kann sie nicht beantworten, der ist zu schnelllebig, zu oberflächlich. Und da haben wir wirklich etwas zu sagen.

Kompass: Mit Blick auf die pastorale Situation in der Bundeswehr: Reden Soldatinnen und Soldaten eigentlich von Gott, oder ist ihnen wichtiger, dass z. B. Mechanik, Hydraulik und Elektronik so fehlerfrei zusammenwirken, dass sie weitgehend gefahrlos und sicher den Dienst ausüben können? Welche Erfahrungen gibt es in der Katholischen Militärseelsorge? Blenden Soldatinnen uns Soldaten Gott in ihrem Dienstalltag aus?

Militärgeneralvikar Wakenhut: Der Soldat übt zunächst einen Beruf aus, den er beherrschen muss. Dieser Beruf führt ihn allerdings immer wieder an Grenzen, die nur aus einem fundierten Berufsethos heraus zu bewältigen sind. Töten und Tod, Verwundetwerden und Verwunden sind nicht nur Fragen, die theoretisch beantwortet werden können, sondern praktische Probleme, die gelöst werden müssen. Militärseelsorger und Militärseelsorgerinnen berichten, dass sie hier nicht nur gefragt werden, sondern dass sie gebraucht werden, im echten Sinne notwendig sind. Dass sich da natürlich auch die Gottesfrage stellt, ist naheliegend. Es geht um den Gott, der sich Israel als Jahwe, als der nahe, der gegenwärtige Gott, offenbart hat und der uns in Jesus als der liebende und barmherzige Vater begegnet.

Kompass: Zunehmend weniger Soldatinnen und Soldaten in der Bundeswehr gehören einer der beiden Kirchen an. Stellt sich die Katholische Militärseelsorge darauf ein und mit welchen Angeboten will sie diese Herausforderung meistern?

Militärgeneralvikar Wakenhut: Zunächst geben Statistiken Tatsachen wieder, mit denen wir leben müssen – nicht nur in der Bundeswehr, sondern auch in Staat, Gesellschaft und Kirche. Für mich bedeutet dieses Faktum: Wir Christen müssen uns unseres Christseins wieder neu und verstärkt bewusst werden. Das Abendland ist nicht von irgendwelchen Aufklärern erfunden worden, sondern es baut auf eine Jahrtausende alte Tradition, die in unserem gemeinsamen jüdisch-christlichen Erbe gründet. Menschenwürde und Menschenrechte haben hier ihren Platz, das Grundgesetz unseres Staates ist davon geprägt.

Kompass: Abschließend eine Frage zur Zukunft des Lebenskundlichen Unterrichts (LKU) in der Bundeswehr. Sehen Sie Chancen für die Katholische Militärseelsorge - auch unter der veränderten Vorschriftenlage - im Rahmen der Ethikausbildung als „Kirche unter den Soldaten“ erkennbar zu bleiben?

Militärgeneralvikar Wakenhut: Der Generalinspekteur, General Schneiderhan, spricht in der Weisung für die Zusammenarbeit mit den Angehörigen der Militärseelsorge vom Dezember 2003 von den Militärseelsorgern und Militärseelsorgerinnen als besonders für den LKU qualifizierten Lehrkräften. Nach langen Diskussionen und einer letzten Korrektur durch den Beirat Innere Führung kann die Zentrale Dienstvorschrift (ZDv) 10/4, die an Stelle der alten 66/2 den LKU regelt, jetzt erlassen werden. Man kann an allem herummäkeln. Ich sehe diese ZDv als Gelegenheit, als Chance für uns alle an. Die Vorgänger-ZDv 66/2 stammt aus dem Jahr 1959, wir schreiben jetzt das Jahr 2008. Allein dieser zeitliche Abstand erforderte eine Neupositionierung. Nicht nur die Bundeswehr hat sich verändert, sondern auch Staat und Gesellschaft.

Die neue ZDv bietet uns jetzt die Möglichkeit, mit umfassendem Auftrag im LKU an alle Soldaten und Soldatinnen heranzukommen und unsere in der jüdisch-christlichen Tradition gründende Werteordnung zu vermitteln, wie sie sich in den ersten Artikeln unseres Grundgesetzes widerspiegelt. Mit dem Lebenskundlichen Unterricht haben wir Zugang zu den Soldatinnen und Soldaten und hier werden die Grundlagen geschaffen für eine fundierte Berufsethik, hier haben wir die Möglichkeit, unsere Kompetenz unter Beweis zu stellen und damit das Vertrauen herzustellen, das für eine gedeihliche Seelsorge unabdingbar sind.

Das Interview führte Josef König