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Heruntergekommen!Weihnachtsfest in Kunduz | Militärpfarrer
Andreas Ullrich,
Katholisches
Militärpfarramt Münster | Es war das ungewöhnlichste und unvergesslichste Weihnachtsfest meines bisherigen Lebens – Weihnachten 2005 im afghanischen Kunduz.
Bei der Vorbereitung der Christmette, die im Verpflegungszelt stattfinden sollte, überlegten wir mit einigen Kameraden, dass zu einem solchen Weihnachtsgottesdienst neben dem obligatorischen Weihnachtsbaum, der ohnehin schon lange vor dem Heiligen Abend im Zelt stand, auch eine richtige Krippe gehört. Aber woher nehmen? Aus Deutschland schicken lassen – dafür war es eine Woche vor dem Fest viel zu spät. Also selber machen – mit dem was vorhanden war und was sich auf die Schnelle auftreiben ließ: Pappe, Folie, Stifte, ... So wurde gezeichnet, geschnitten und gemalt, und kurz vor dem Festtag waren die Figuren fertig – alles sah etwas improvisiert aus – war aber selbstgemacht und allein das zählte.
Nun fehlte nur noch der Stall. Wir dachten darüber nach, was wohl passend und machbar wäre? Wir nahmen eine Alukiste, drehten sie mit der Öffnung nach vorne, legten Sandsäcke darum, von denen es im Lager ja genug gab, und stellten sie auf einen mit einem Tarnnetz gedeckten Tisch – nun sah der Stall von Bethlehem aus wie einer der vielen Wohncontainer im Lager. So eigenartig, improvisiert und vielleicht auch primitiv diese Krippendarstellung auch wirkte, sie hatte doch einen ganz tiefen Hintergrund, der uns in der Feier der Heiligen Nacht und darüber hinaus den Sinn des Geburtsfestes Jesu erschloss.
Um Mensch zu werden, nimmt Gott was vorhanden ist, das, was gerade zur Verfügung steht – den Platz im Stall, zwischen den Tieren, in einer Futterkrippe, am Rand eines Dorfes, fernab der damaligen Weltzentren: Er kommt im wahrsten Sinne des Wortes ganz tief herunter.
Gott wird da Mensch, will da ankommen, ist da zu Hause, wo die Menschen leben – damals wie heute, in besagtem Stall, in den Elendsvierteln dieser Welt, in der Lehmhütte oder im Wohncontainer – eben bei uns.
Gott wird Mensch, nicht irgendwo hoch oben bei den Reichen und Schönen, bei den Mächtigen und Angesehenen, sondern ganz unten im Stall von Bethlehem, bei den Hirten, den Outlaws der damaligen Gesellschaft, bei denen, die mit den Tieren lebten.
Gott wird Mensch und erhebt damit den Menschen – jeden Menschen – zu einer unendlich hohen Würde. Genau darin liegt unser Menschenbild begründet, genau darin liegt die Ursache, die am 8. Dezember 1948 – vor genau 60 Jahren – zur Erklärung der Menschenrechte geführt hat. Weil Gott den Menschen als sein Abbild geschaffen hat, und weil er selbst einer von uns wurde, hat jede und jeder von uns eine solche unveräußerliche Würde, die man ihm nicht aberkennen, abkaufen, entziehen oder wegnehmen kann. Eine Würde, die ihn freimacht, selbst zu entscheiden, was er denkt und was er glauben möchte.
Christen glauben, dass sie Abbilder des unendlich großen und unbegreiflichen Gottes sind, Schwestern und Brüder seines Sohnes – was dann zur Folge hat, dass sie auch Schwestern und Brüder eines jeden anderen Menschen sind.
Christen glauben, dass ihnen Gott, dass ihnen der Gottessohn Jesus in jedem anderen Menschen begegnet, besonders in Armen, Notleidenden und Schwachen, in denen, die am Rand stehen.
Christen glauben, dass Gott auch heute noch und immer wieder neu geboren wird, da wo Menschen leben, und dass er dabei das nimmt, was vorhanden ist, dass er bei jedem und in jedem von uns Mensch werden will – nicht weil wir so sind, wie wir sein sollen, sondern weil wir so sind, wie wir sind. Er will zu uns, zu einem jedem von uns herunterkommen. Oder wie es der Dichter Angelus Silesius mit wenigen Worten formuliert: „Und wäre Gott auch tausendmal zu Bethlehem geboren und nicht in dir, du wärest doch ewiglich verloren!“
Militärpfarrer Andreas Ullrich, Katholisches Militärpfarramt Münster
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