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Weihnachtsüberraschung in den Akten | | Akten spiegeln nicht nur trockenen Verwaltungsalltag wider, sondern lassen durchaus auch hier und da die schönen Künste aufscheinen. Diese Feststellung erweist sich immer wieder aufs Neue. Nachfolgendes Beispiel ist bei der archivischen Erschließung *) von Akten aus der Planungsphase der Militärseelsorge in den Jahren 1951 bis 1955 dem Vergessen entrissen worden.
In einer Akteneinheit über die Vorbereitung, Entstehung und Drucklegung des ersten Soldatengebetbuches für die Deutsche Bundeswehr war ein großer, brauner, unbeschrifteter Umschlag eingeheftet. Da der Umschlag etwas auftrug, lag die Vermutung nahe, dass – wie so oft – eine Zettelsammlung, z. B. kleinformatige Notizzettel, zum Vorschein kommen würde. Der Griff in das Innere des Umschlags zog mehrere Blätter unterschiedlicher Qualität heraus: dickeren Karton und feines Japanpapier. Das waren nun allerdings keine Notizzettel. Auf diesen Blättern befanden sich eindrucksvolle Grafiken, die in unterschiedlicher Technik ausgeführt worden waren. Die in der Akte vor dem Umschlag eingehefteten Schriftstücke ließen erkennen, dass diese Grafiken als Anschauungsmaterial für eine mögliche grafische Gestaltung des geplanten Soldatengebetbuches dienen sollten.
Diese Grafiken stammen, wie die Recherchen der Archivarin ergaben, von dem Kölner Künstler Peter Josef Paffenholz (1900–1959), einem politisch engagierten Grafiker, der seit 1933 unter nationalsozialistischer Verfolgung zu leiden hatte. In den vierziger und fünfziger Jahren wandte er sich der religiösen Grafik zu und arbeitete u. a. für den Kölner Bachem Verlag. Dafür entstanden wohl auch die nun wieder zum Vorschein gekommenen kleinen grafischen Blätter, die für Publikationen religiösen Inhalts Verwendung finden sollten.
Die in der Akte abgelegten, insgesamt neun Grafiken des Künstlers lassen sich grob in zwei thematische Gruppen unterteilen: zum einen in Christus-Darstellungen und zum anderen in Themen aus den Evangelien. Von diesen Grafiken soll nachfolgend – passend zum aktuellen Zeitpunkt im Kirchenjahr – eine vorgestellt werden. Es ist die zentrale Darstellung des Weihnachtsgeschehens – das Kind in der Krippe im Stall zu Bethlehem. Sie steht in der hier überlieferten Sammlung von Drucken im Zusammenhang mit einer zweiten, in Stil und Technik gleichartigen Grafik, die die Herbergssuche thematisiert (s. Wasserzeichen).
| | Wie drei weitere ist diese Grafik als Holz- bzw. als Linolschnitt auf Japanpapier gedruckt. In dieser Technik wird der Bildinhalt – die Heilige Familie – gerahmt mit einer einfachen schwarzen Linie durch ebenso kräftige schwarze Linien ohne Binnenzeichnung auf die wesentliche Bildaussage konzentriert: Maria und Josef mit dem neugeborenen Kind in der Krippe. Auf Stroh gebettet, liegt das Christuskind, ausgezeichnet mit dem Kreuznimbus, in der Krippe. Seine zentrale Stellung wird durch die gestalterische Position genau in der Bildmitte unterstrichen. Der kastenförmige Unterbau der „Krippe“ trägt die griechischen Buchstaben Alpha und Omega („Ich bin der Anfang und das Ende“, Offb 22,13). Bezogen auf Christus stehen die beiden Buchstaben des griechischen Alphabets seit der frühchristlichen Ikonographie für die Wesensgleichheit mit Gottvater. Durch die unziale Schreibweise der Buchstaben lassen sie zugleich an romanische Architekturformen denken und scheinen damit im wahrsten Sinne des Wortes diesen Glaubensinhalt zu untermauern.
Hinter der Krippe (rechte Bildhälfte) steht Josef – als alter Mann dargestellt mit Vollbart und halblangem Haar, das den Blick auf die tiefen Stirnfalten frei gibt. Er stützt sich auf einen mannshohen Stab, den er mit beiden Händen festhält, und schaut auf das in Tücher gewickelte Kind. Neben der Krippe (linke Bildhälfte) sitzt Maria, bekleidet mit einem Umhang, der Kopf und Schultern bedeckt. In der Seitenansicht, mit geradem Rücken, gesenktem Kopf, auf das Kind blickend und die beiden Hände auf den Knien ruhend, wirkt sie in sich gekehrt. Über ihr schwebt, von drei Sternen am Nachthimmel umgeben, eine Taube herab auf das Kind. Vor der Krippe – in der rechten Bildecke unten – steht eine Schale mit einer Flamme, eine einfache Öllampe.
Das Weihnachtsbild kommt mit wenigen zentralen Bildelementen in traditioneller Formsprache aus, hat aber für denjenigen, der die Bildsprache und Symbolik zu lesen versteht, weit mehr zu erzählen.
Dr. Monica Sinderhauf
Näheres zum Künstler unter:
www.museenkoeln.de/ausstellungen/nsd_0802_kabarett/01-05_Bio2.asp
*) Verzeichnung (beschreiben) und Ordnung (klassifizieren) von Archivgut einschließlich Analyse der Strukturen und Geschichte von Bestand und Behörde. Das Ergebnis sind Findbücher.
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