12 
           

Betroffen - nicht ängstlich

Pater Thomas Bohne C.Or., Militärpfarrer, Katholisches Militärpfarramt Leipzig
Foto: © Kompass / Volpers
Es verging in den vergangenen Wochen kaum ein Tag, an dem in der Öffentlichkeit nicht irgendetwas über Afghanistan, Bedrohungen und Gewalt oder über Folgen solcher Gewalt für Bundeswehrsoldaten mitgeteilt wurde. So beispielsweise mit den Spielfilmen "Willkommen zu Hause" am 2. Februar in der ARD oder "Nacht vor Augen", der noch in unseren Kinos läuft.

Es geht um Traumatisierungen von Soldaten nach schlimmen Ereignissen während ihres Afghanistan-Einsatzes, und es geht darum, wie solche Schrecken und Kriegsfolgen in unsere Familien und gesellschaftlichen Beziehungen hineinreichen und alles beeinflussen. In beiden Filmen kommen die Angehörigen und Freunde mit so einem Einbruch von Schrecken in ihre Welt nicht klar.

Es wird gezeigt, dass solche Ereignisse nicht einfach nur im fernen Afghanistan passieren, sondern dass wir auch in unserer vergleichsweise behüteten und heilen Welt nicht daran vorbeikommen. Am Schicksal der Soldaten und am Beispiel ihrer Erfahrungen im Einsatz lässt sich zeigen, dass die Problemfelder dieser Welt und eine oft katastrophale, unheile Welt von unserer heilen Welt nicht mehr fernzuhalten ist.

Es gehört inzwischen zu unserer deutsch-westlichen Wirklichkeit dazu, dass bedrohliche und Angst machende Lebenswirklichkeiten nicht mehr nur vor unserer Haustür stattfinden, sondern immer mehr in unser gepflegtes deutsches Haus eindringen und durch manchen Bundeswehrsoldaten plötzlich mitten im Wohnzimmer stehen.

Als Seelsorger werden wir oft gefragt, wie Soldaten mit solchen Traumatisierungen klarkommen. Ich frage inzwischen gern zurück: "Wie kommen Sie denn damit klar, dass katastrophale Welten immer mehr bei uns ankommen?" Da braucht man zunächst keine langen Diskussionen über Sinn oder Unsinn von Auslandseinsätzen zu führen, sondern es gehört inzwischen zu unserer gesellschaftlichen Realität, dass uns Probleme und Katastrophen dieser Welt immer mehr berühren, mehr als vielleicht noch vor zehn oder zwanzig Jahren.

Als Seelsorger suche ich natürlich auch religiöse Antworten darauf und befrage manchmal die Heilige Schrift, wie ich aus biblischer Sicht auf dieses Phänomen antworten kann: "Ihr werdet von Kriegen hören, und Nachrichten über Kriege werden euch beunruhigen. Gebt acht, lasst euch nicht erschrecken! Das muss geschehen. Es ist aber noch nicht das Ende. Denn ein Volk wird sich gegen das andere erheben und ein Reich gegen das andere, und an vielen Orten wird es Hungersnöte und Erdbeben geben. Doch das alles ist erst der Anfang der Wehen." (Mt 24,6-8)

Wie oft haben wir diese oder ähnliche Worte im Gottesdienst schon gehört; gerade am Ende des Kirchenjahres oder in der Advents- und Fastenzeit? Und weiter gefragt: Haben mich diese Worte berührt? Sind mir solche Ankündigungen von Not und Schrecken überhaupt nahe gegangen?

Die einfachste Antwort darauf ist natürlich: "Ja, wenn es in meiner Familie, in meinem Freundes- und Bekanntenkreis oder in irgendeinem persönlichen Bereich Vergleichbares gab." Mir hat eine gute Bekannte einmal gesagt, dass Sie während meines Afghanistaneinsatzes Nachrichten über Afghanistan oder Vorfälle bei Bundeswehrsoldaten mit ganz anderen Ohren gehört hat - auch hätte sie sich durch diese Nachrichten wesentlich mehr betroffen gefühlt. Wir brauchen also Betroffenheit, um Botschaften, um Texte, ja auch biblische Texte in uns eindringen zu lassen.

Der biblische Ruf in der Fastenzeit heißt: "Kehrt um!", "Bekehrt euch!" Gott scheint uns manchmal in unserer eingerichteten und heilen Welt Hilfestellungen geben zu wollen. Es scheint so, dass er uns durch manches betroffen machende Ereignis oder durch einen Bundeswehrsoldaten, der von einer Katastrophe betroffen wurde, die Umkehr zu dieser Welt leichter machen will.

Nehmen wir Einbrüche in unsere Welt nicht als Katastrophe, sondern als Möglichkeit, zu einer weithin realen Welt umzukehren. Und nehmen wir vielfältige, Angst machende Einbrüche als Anlass, um auf einen Gott zu schauen, der sich auf eine katastrophale Welt eingelassen hat.