12 
           

Heldinnen

von Reinhold Robbe

Foto: © Norman Plaster
Mein letzter Truppenbesuch in den Vereinigten Staaten führte mich zu den deutschen Soldatinnen und Soldaten nach Fort Bliss und Holloman. Zuvor hatte ich schon das Führungskommando in Washington besucht und war in der amerikanischen Hauptstadt auch mit der Leitung des großen Militär-Krankenhauses „Walter Reed Army Medical Center“ zusammengetroffen. Hier wollte ich mich über aktuelle Behandlungs- und Forschungsergebnisse sowie Möglichkeiten der deutsch-amerikanischen Kooperation im Zusammenhang mit Posttraumatischen Belastungsstörungen informieren lassen.

Den für mich sehr konstruktiven Gesprächen mit den Spezialisten folgte ein Rundgang durch die Rehabilitationsabteilung der Klinik. In den Behandlungsräumen und auf den Fluren begegnete ich vielen schwer verwundeten Soldaten in Rollstühlen. Vielen fehlten Gliedmaßen, fast alle waren sichtlich gezeichnet von dem, was sie im Irak- oder Afghanistan-Einsatz erlebt hatten.
In einem Aufenthaltsraum fiel mir eine freundliche ältere Dame im Arztkittel auf, die sich um die dort wartenden verwundeten Soldaten kümmerte. Sie begrüßte jeden, drückte liebevoll die Hände, fragte nach dem Befinden und ob sie irgendwas tun könne. Ich erkundigte mich beim Klinikleiter nach dem Hintergrund dieser alten Dame. „Ach“, sagte er, „das ist unsere Liesa, die gute Seele des Hauses!“ Nein, Liesa sei weder Ärztin noch Krankenschwester. Sie sei bereits über achtzig und seit vielen Jahren ehrenamtlich tätig, wurde mir berichtet. Liesa habe für jeden Soldaten ein aufmunterndes Wort und kümmere sich in geradezu rührender Weise um die Verwundeten. Für die Soldaten sei sie so etwas wie eine treusorgende Mutter. Liesa sei eine wahre Heldin, sagte der Klinikchef.

Szenenwechsel

Einweihungsfeier des Ehrenmals der Bundeswehr Anfang September. Viele Gäste waren gekommen. Der Bundespräsident und der Vater eines gefallenen Bundeswehrangehörigen sprachen den Zuhörern und insbesondere den Hinterbliebenen von gefallenen und verunglückten Soldaten aus dem Herzen. Anschließend lud Verteidigungsminister Franz Josef Jung zum Empfang.

Bereits im Eingangsbereich des Saales traf ich auf Ina Schlotterhose und Marlies Böken. Die beiden Frauen hatte ich vor einiger Zeit bei einem Treffen von Hinterbliebenen in meinem Amt kennengelernt. Ina Schlotterhose verlor ihren Ehemann bei einem Anschlag in Afghanistan und hat gemeinsam mit anderen Hinterbliebenen eine Selbsthilfegruppe für Angehörige von getöteten Soldaten gegründet. Voller Stolz berichtete sie mir von ihrem gerade fertig gestellten Internet-Auftritt www.du-bist-nicht-allein.net.

Marlies Böken sitzt im Rollstuhl und erholt sich derzeit von einem schweren Verkehrsunfall. Sie ist die Mutter von Jenny Böken, die vor einem Jahr auf dem Segelschulschiff „Gorch Fock“ tödlich verunglückte. Auch für Marlies Böken war dieser furchtbare Verlust ein Anlass, sich um andere zu kümmern.

Sie gründete die „Jenny-Böken-Stiftung“ www.jenny-boeken-stiftung.de) und stellte hierfür die ausgezahlte Lebensversicherung als Grundstock zur Verfügung.

Die drei Frauen, von denen ich hier berichte, sind bewundernswerte Menschen – und es sind drei bemerkenswerte Beispiele für praktizierte Nächstenliebe.