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Liebe Leserinnen und Leser, | „Es kann durchaus passieren, dass die Generalbundesanwältin eine Entscheidung darüber, um welchen Konflikt und dessen Rechtsnatur es sich eigentlich in Afghanistan handelt, treffen wird.“ | zu einem Zeitpunkt, zu dem auf internationalen Konferenzen – zuletzt im Januar in London – und in nationalen Parlamenten und Regierungen über Bedingungen und Voraussetzungen für ein Ende des Einsatzes in Afghanistan beraten wird, gerät in Deutschland eine Frage in den Blickpunkt des öffentlichen Interesses, deren Beantwortung folgenreich sein kann: Welches Recht gilt in einem Einsatz, der seit dem 21. Dezember 2001 als Stabilisierungseinsatz politisch näher umschrieben wird? Oder anders gefragt: Welches Recht kommt zur Anwendung, sofern Umstände bekannt werden, die hinlänglich begründen anzunehmen, dass dagegen verstoßen wurde?
Inzwischen gehen dem zwei Instanzen nach: Zum einen nimmt sich der Verteidigungsausschuss als Untersuchungsausschuss der Sache an, zum anderen befasst sich die Generalbundesanwältin beim Bundesgerichtshof als oberste Strafverfolgungsbehörde der Bundesrepublik Deutschland auf dem Gebiet des Staatsschutzes ebenfalls mit dem, was sich am 4./5. September 2009 unter der Verantwortung des damaligen Kommandeurs des Provincial Reconstruction Teams (PRT) in Kunduz zutrug.
Dass die Generalbundesanwältin die Zuständigkeit dafür bekommen hat liegt daran, dass der Generalstaatsanwalt in Dresden am 6. November 2009 feststellte: Dies ist keine Sache, die in Dresden zu beurteilen ist. Es könnte sich um Straftaten eines deutschen Staatsbürgers und Offiziers handeln, die nach dem Völker-Strafgesetzbuch zu beurteilen sind. Nach den Vorschriften dieses Gesetzbuches gilt für alle Verbrechens-Tatbestände das uneingeschränkte Weltrechtsprinzip. Das bedeutet, dass diese Taten ungeachtet des Tatorts und der Staatsangehörigkeit des Täters immer dem deutschen Strafrecht unterliegen. Und dafür kann die Generalbundesanwältin, unter Vorliegen bestimmter Umstände, zuständig werden. Es kann durchaus passieren, dass die Generalbundesanwältin eine Entscheidung darüber, um welchen Konflikt und dessen Rechtsnatur es sich eigentlich in Afghanistan handelt, treffen wird.
Ob daran gedacht war, als der 14. Deutsche Bundestag kurz vor Weihnachten 2001 dem Antrag der Bundesregierung, welcher mit der Vertrauensfrage verbunden war, zustimmte? Und sich damit für eine Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz einer Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe (ISAF) in Afghanistan auf Grundlage der Resolutionen 1.378, 1.383 und 1.386 von 2001 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen aussprach.
Gut neun Jahre später gibt es weiterhin berechtigte Fragen – auch und gerade unter den Soldatinnen und Soldaten, die bereits zum Zeitpunkt der Mandatserteilung in den Blick hätten genommen werden müssen. Daran musste der Katholische Militärbischof Dr. Walter Mixa mehrfach in den zurückliegenden Wochen erinnern. Nicht unwesentlicher Bestandteil des erteilten ISAF-Mandats sind – über zivile und humanitäre Aspekte hinaus – bewaffnete Streitkräfte, die als äußerstes staatliches Mittel eingesetzt werden. Mit in den Fokus galt also zu nehmen, dass ein Einsatz von Streitkräften auch unter den politischen Bedingungen eines sogenannten Stabilisierungseinsatzes letztendlich immer mit dem einhergeht, was mit dem tatsächlichen Auftrag von Soldaten und Streitkräften verbunden ist. Schutz bedeutet gerade für den Auftrag von Soldaten immer: kämpfen gegen diejenigen, vor denen zu schützen ist. Ob eine ausreichende Mehrheit im damaligen Deutschen Bundestag trotzdem zustande gekommen wäre, sofern dieser Gesichtspunkt stärker in den Mittelpunkt gerückt worden wäre?
Tatsache bleibt, dass die Nacht des 4. September 2009 in Kunduz – sowohl für die dort Dienst leistenden Soldaten als auch für die Politik in Deutschland – folgenreich war: In persönlicher Hinsicht für den Offizier, dem bewusst war, dass jede Entscheidung – egal wie sie ausfiel –, auch Nichthandeln, auch Unterlassen, weitreichende Folgen haben musste. In politischer Hinsicht deshalb, weil Regierung und Parlament nun von einer „Übergabe in Verantwortung“ sprechen. Zudem nahmen sie eine rechtliche Neubewertung des Afghanistan-Einsatzes vor. Auch im Norden handele es sich inzwischen um einen „bewaffneten Konflikt“ im Sinne des Völkerrechts. Dies hat rechtliche Konsequenzen für das Handeln der Soldaten.
Josef König, Chefredakteur
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