18 
           

Null – Toleranz bei menschenverachtendem Video!

Von Reinhold Robbe

Der Wehrbeauftragte Reinhold Robbe beim Truppenbesuch
Bei meinen Truppenbesuchen stehen die Gespräche mit den Soldatinnen und Soldaten immer im Mittelpunkt. Hier können sie mir das sagen, was ihnen unter den Nägeln brennt. Offen und ungeschönt, ohne Anwesenheit ihrer Vorgesetzten.

Vor wenigen Wochen führte mich ein solcher Truppenbesuch zu einem Standort, an dem Rekruten ausgebildet werden. Nachdem ich mir einen Eindruck vom Zustand der Kaserne verschafft hatte, kam ich in einer Gesprächsrunde mit den Ausbildern - überwiegend Feldwebeldienstgrade - zusammen. Bereits nach wenigen Minuten entwickelte sich eine muntere Debatte über alle möglichen Themen. Mir fiel ein Hauptfeldwebel auf, der sehr eindeutige und klare Vorstellungen hinsichtlich einer optimalen Ausbildung hatte. Er sprach von der Notwendigkeit, mehr Gewicht auf die Charakterbildung der jungen Rekruten zu legen. Denn dies komme häufig zu kurz, wie er meinte. Ein Ausbilder müsse Vorbild sein. Seine Kameraden in der Gesprächsrunde stimmten ihm zu.

Nach dieser Diskussion hatte ich Gelegenheit, mir die Ausbildung vor Ort einmal anzuschauen. Auf dem Programm stand das Überwinden einer Hindernisbahn. Die Rekruten hatten eine Vielzahl von Hürden mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden zu bewältigen. Die Gesichter mit Flecktarnfarben geschminkt, waren die Soldaten kaum mehr voneinander zu unterscheiden. Und so musste ich zweimal hinschauen, um in der Gruppe jenen Ausbilder wieder zu erkennen, der mir noch vor einer Stunde im Gespräch gegenüber gesessen hatte.

Hier draußen war er in seinem Element. Er hatte "seine" Rekruten über die Besonderheiten der einzelnen Geländeübungen genauestens informiert und führte selbst vor, was er anschließend von ihnen erwartete. Mir wurde schnell bewusst, dass er von jedem Einzelnen die Stärken und Schwächen kannte. Er wusste, auf was zu achten war. Und: er lobte immer wieder gerade diejenigen, die nicht ganz so elegant und schwungvoll die Hürden überwanden, wie er selbst dies vorzumachen verstand. Dabei fiel mir noch etwas auf: Vor jeder Übung machte der Ausbilder den Rekruten bewusst, was wirklich zählte - dass nämlich die Stärkeren in der Gruppe auf die Schwächeren zu achten hatten.

Von Bedeutung war, dass nicht nur die sportlich fitten Rekruten schnell das Ziel erreichten, sondern die gesamte Gruppe. Auch diejenigen, die eben Mühe hatten, über die Bretterwand zu klettern oder durch einen engen Erdtunnel zu robben. Rücksichtnahme, Kameradschaft, Solidarität: diese Tugenden standen im Mittelpunkt. Das spürten die Rekruten, und deshalb hatten sie großes Vertrauen zu ihrem Ausbilder.

An diesen Truppenbesuch musste ich unwillkürlich denken, als ich vor wenigen Wochen ein Video sah, das inzwischen auch der Öffentlichkeit bekannt ist. Die zweiminütige Aufnahme zeigt, wie einem Rekruten bei dessen Schießausbildung von seinem Ausbilder befohlen wurde, menschenverachtende, ja rassistische Beleidigungen auszurufen. So etwas ist aus meiner Sicht weder nachvollziehbar noch zu entschuldigen. Vor allem aber haben solche Szenen rein gar nichts mit dem Ausbildungsalltag gemein, wie er regelmäßig in der Truppe stattfindet - und wie auch ich ihn bei meinen Besuchen immer wieder erlebe. Insofern betrachte ich es als besonders schlimm, dass diese Videoszenen alle vorbildlichen Ausbilder in Misskredit bringen - auch jenen, den ich bei meinem eingangs geschilderten Truppenbesuch erleben konnte. Nicht zuletzt deshalb darf es für derartige Vorkommnisse bei der Bundeswehr nach meiner festen Überzeugung nur einen Grundsatz geben: "Null-Toleranz".