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BuchbesprechungJesus von Nazareth. Von der Taufe im Jordan bis zur Verklärung | Joseph Ratzinger / Benedikt XVI.: Jesus von Nazareth. Von der Taufe im Jordan bis zur Verklärung, Freiburg 2007, € 24,-. ISBN 78-3-451-29861-5 | Gelehrt, weil fromm und umgekehrt: das neue Jesus-Buch für Gottsucher.
Angenommen, Gott hätte vor, Mensch zu werden. Geboren von einer Jungfrau, würde er sein Reich predigen, Wunder wirken. Dabei würde er verraten werden. Er würde leiden, sterben und am dritten Tage auferstehen. Die Zeugen seiner Auferstehung würden diese Kunde in alle Welt tragen und mit ihrem Leben dafür bezahlen. Andere würden beschließen, Worte und Werke des menschgewordenen Gottes aufzuschreiben. Das Neue Testament entstünde.
Nehmen wir weiter an, diese Schriften würden dann Exegeten in die Hände fallen. Spätestens jetzt müsste Gott seine Pläne aufgeben. Denn die Professoren würden Gott erklären, dass er gar nicht Mensch werden, den Heilstod für die verlorene Menschheit sterben und leiblich auferstehen könne. Deswegen müsse das Neue Testament von kreativen nachösterlichen Gemeinden nicht nur verfasst, sondern schlicht erfunden worden sein.
Nur ein Gedankenexperiment? Mitnichten. Zum Einen hat Gott seinen Plan wahr gemacht. Zum anderen haben Generationen von Theologiestudenten gelernt: Vom Glauben der Kirche führt kein Weg zum historischen Jesus und zurück. Der Jesus der Geschichte und der Christus des Glaubens sind nicht nur zu unterscheiden, sondern strikt voneinander zu trennen. Denn was wir von Jesus wissen, das passt, so der protestantische Exeget Rudolf Bultmann, auf eine Briefmarke. Und füllt auf gar keinen Fall ein ganzes Buch. Ein solches aber hat der Papst geschrieben mit dem Anspruch, dem Glauben ein geschichtlich gesichertes Fundament zu legen.
Nur wie? Bleibt dabei nicht die Wissenschaft auf der Strecke? Nein, im Gegenteil. Der Papst zeigt auf, dass weite Teile der Exegese philosophische Vorurteile haben: Danach kehrt in der Welt nichts wieder als das Gleiche. Weltanschauung tritt so an die Stelle der Wissenschaft. Wenn Gott aber Gott sein und frei in der Geschichte handeln können soll, dann muss das Große, die Gottessohnschaft Jesu, am Anfang stehen dürfen. Dann muss es auch möglich sein, davon Kunde zu erhalten, die nicht erst Produkt nachösterlicher Dichtung ist. Dann gewinnt übrigens auch die Wissenschaft.
Der Papst: "Ich bin überzeugt und hoffe, auch die Leser können sehen, dass diese Gestalt viel logischer und auch historisch betrachtet viel verständlicher ist als die Rekonstruktionen, mit denen wir in den letzten Jahrzehnten konfrontiert wurden. Ich denke, dass gerade dieser Jesus - der der Evangelien - eine historisch sinnvolle und stimmige Figur ist."
Jeder Historiker weiß: ein Text ist nach seiner Aussageabsicht zu interpretieren. Man darf nicht voreingenommen an ihn heran gehen. Ansonsten tut man ihm Gewalt an. Und dann zerfällt er einem unter den Händen. Eben das ist die Situation der heutigen Exegese, die sich in kaum einer Frage einig ist. Sicher, beweisen kann der Historiker den Glauben und seine Inhalte nicht. Die Glaubwürdigkeit und innere Stimmigkeit seiner Quellen aber schon.
Selten hat bisher ein theologisches Buch die öffentliche Diskussion bestimmt wie dieses. Auf Anhieb landete es in der Bestsellerliste von Focus und Spiegel. Jesus von Nazareth - von der Taufe Jesu bis zur Verklärung. Diesen Weg geht der Autor mit seinem Leser. Ein anspruchsvoller Weg, keine Frage. Aber auch ein lohnender, an dessen Ende klar wird, was uns Jesus eigentlich gebracht hat: Gott.
Oliver Maksan
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