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Blick in die Zeitgeschichte

Labor-Service-Seelsorge - Vorläufer der Militärseelsorge in der Deutschen Bundeswehr (Teil 2)

Brückenbau im badischen Ettlingen. In der Mitte mit Sonnenbrille Senior Chaplain Georg Werthmann, an seiner linken Seite im Hintergrund Chaplain Martin Zeil (Ettlingen), 05.08.1952
Georg Werthmann, seit 1946 Stadtpfarrer und Dechant in Kronach, wurde am 1. Mai 1951 von seinem Ortsordinarius, Erzbischof Joseph O. Kolb in Bamberg, für die Labor-Service-Seelsorge freigestellt. Seit Ende desselben Monats war er im Heidelberger Hauptquartier der U. S. Army Europe (USAREUR) als Senior Chaplain mit dem Aufbau und der Organisation der Seelsorge bei den deutschen zivilen Arbeitseinheiten für die US-amerikanischen Streitkräfte in Deutschland befasst.

Für den organisatorischen Aufbau der Seelsorge kamen ihm seine (Leitungs-) Erfahrungen aus der Wehrmachtseelsorge (1935-1945) zugute. Seit dem 8. Oktober 1951 war auch für die evangelische Seelsorge beim Labor-Service der Posten des Senior Chaplain besetzt - mit Pastor Hermann Pleus von der oldenburgischen Landeskirche. Im Gegensatz zur katholischen Seelsorge wechselte der Senior Chaplain auf evangelischer Seite jeweils nach Jahresfrist.

Senior Chaplain und Exerzitienmeister Georg Werthmann (Heidelberg) begrüßt die Teilnehmer des 6990th Labor Service Quartermaster Battailon/Giessen in Braunshardt zu Beginn der viertägigen Exerzitien, 16.April 1953
Im August 1951 bat die Fuldaer Bischofskonferenz Kardinal Michael Faulhaber von München, das Protektorat über die katholische Labor-Service-Seelsorge zu übernehmen. Nach seinem Tod im Juni 1952 übernahm sein Nachfolger Kardinal Joseph Wendel dieses Amt. In regelmäßigen Abständen ließ er sich vom Senior Chaplain über die Labor-Service-Seelsorge berichten. Bis Ende des Jahres 1951 konnte die katholische Seelsorge die zur Verfügung stehenden zehn Chaplain-Stellen besetzen.

Die deutschen Geistlichen wurden als Labor-Service-Chaplains von den Amerikanern angestellt. Die Finanzierung der Seelsorge erfolgte durch die amerikanischen Streitkräfte. Die Chaplains waren aber nicht Mitglieder der Armee, sondern behielten ihren zivilen Status. Von ihren Kirchenbehörden wurden sie für die Seelsorge des Labor-Service beurlaubt. Seitens der amerikanischen Militärbehörde war vorab betont worden, dass die Geistlichen nicht für politisch-propagandistische oder militärische Zwecke eingespannt würden.

Feldgottesdienst in Berchtesgaden mit Chaplain Alois Krautwurst (München) am 25.09.1953
Ihre Aufgabe war umschrieben mit der Feier öffentlicher Gottesdienste, der persönlichen seelsorgerlichen Betreuung, der religiösen Unterweisung gemäß ihrer Konfession und der je eigenen Gewissensüberzeugung, Beratung des deutschen "Central- und Area-Commanders" und seines Stabes in religiösen und moralischen Angelegenheiten sowie Vorträgen im Zusammenhang der "Character Guidance". Aus letzterem entwickelte sich der Unterricht in Lebenskunde als organischer Teil des gesamten Ausbildungsprogramms.

Die Notwendigkeit, eigene Labor-Service-Chaplains zu berufen, resultierte auch aus der Erfahrung, dass die den Kasernen der Arbeitseinheiten benachbarten Ortspfarrer keinerlei Initiativen zur Seelsorge beim Labor-Service-Personal entwickelten.

Gruppenbild von der Konferenz der Chaplains (kath./evang.) bei den deutschen Labor Service-Einheiten, Garmisch vom 9.-13.02.1953 Vordere Reihe 3. v. l/r Chaplain Ludwig Steger (Stuttgart), Senior Chaplain (evang.) Dr. Ernst Grau, unbekannt, Senior Chaplain (kath.) Georg Werthmann
Die Labor-Service-Chaplains standen im engen Kontakt mit den Angehörigen der Einheiten. Sie waren mit ihren Lebensgewohnheiten in den Kasernen, mit ihren internen Problemen und Möglichkeiten vertraut. Zudem nahmen sie eine besondere Stellung ein. Obwohl sie in einer Ordnung von Vorgesetzten und Untergebenen lebten, waren sie selbst weder Vorgesetzter noch Untergebener. Vielmehr fungierten sie für alle als Mittler, vor allem zwischen Offizier und dem einzelnen Arbeitsmann. Als einzige Personen im Labor-Service waren die Chaplains nicht an die üblichen Dienstwege gebunden.

Aus den monatlichen Berichten ("monthly situation report") der Chaplains gehen auch die anfänglichen Schwierigkeiten bei der Mobilität der Geistlichen hervor. Werthmann aber gelang es, Abhilfe zu schaffen. Er trat in Verbindung mit dem ihm bekannten Oblatenpater Paul Schulte. "Der fliegende Pater" gründete 1927 die Missions-Verkehrs-Arbeitsgemeinschaft (MIVA) und wurde 1949 Präsident der Diaspora-Miva. Er ermöglichte, dass jedem katholischen Geistlichen der deutschen Labor-Service-Seelsorge ein werksüberholter Volkswagen zur Verfügung gestellt wurde.

(Fortsetzung folgt)

Dr. Monica Sinderhauf