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"Ja, ich will"

Von Reinhold Robbe

Mike Reichelt *), Mitte zwanzig, ist als Feldjäger im Kosovo eingesetzt. Genauer gesagt als Personenschützer. Man sieht, dass Sport für ihn eine große Bedeutung hat. Kräftige, durchtrainierte Figur, gelenkig und wendig. Kahler Kopf, Sonnenbrille und der unvermeidliche "Knopf im Ohr", an dem alle Bodyguards schnell zu erkennen sind. Er ist ein gebürtiger "Ossi" und hat keine Probleme damit, so bezeichnet zu werden.

Anlässlich meines letzten Truppenbesuches bei den deutschen KFOR-Soldaten in Prizren lernte ich Mike Reichelt kennen. Er gehörte zu jenem Personenschutz-Kommando, das für meine Sicherheit zusammengestellt worden war. Während der Fahrten zu den einzelnen Programmpunkten komme ich mit ihm ins Gespräch. Er ist höflich, antwortet präzise auf meine Fragen. Ein fröhlicher Typ, der umsichtig und freundlich reagiert. Ich spüre schnell, dass ihn der Soldatenberuf in jeder Hinsicht ausfüllt, trotz der besonderen Belastungen, die er als Feldjäger zu bewältigen hat.

Am Sonntag steht die Teilnahme am Gottesdienst auf meinem Programm. Ein Kamerad aus Mike Reichelts Feldjäger-Kommando bittet mich, beim Fürbittengebet im Gottesdienst einen Part zu übernehmen. Dies wäre eine große Freude für Mike, denn er werde doch am Sonntag getauft. Seine Feldjäger-Kameraden hätten sich bereit erklärt, als Taufpaten zu fungieren. Und wenn der Wehrbeauftragte ohnehin am Gottesdienst teilnehme, so Mikes Kamerad weiter, wäre es eine schöne Sache, wenn der Gast aus Berlin eine Fürbitte für Mike "übernehmen" könnte. Ich stimmte gern zu, und so sollte ich eine Erwachsenentaufe im Einsatz miterleben, wie schon einige Male zuvor.

Der Gottesdienst musste wegen der großen Beteiligung von der Kapelle in die "Oase" verlegt werden. Viele haben sich eingefunden. Mike Reichelt ist eben sehr beliebt. Die Hauptperson hat in der ersten Reihe Platz genommen, "eskortiert" von seinen Kameraden, die alle in voller Montur erschienen sind, mit Bristol-Schutzweste und Pistole im Halfter. Die anfängliche Nervosität legt sich nach dem zweiten Lied, das von Gitarre und Harmonium begleitet wird. Die Pastorin findet sofort den richtigen Ton für die Soldaten. Sie vergleicht in ihrer Predigt das Leben mit einer Schaukel, die mal unten und mal oben ist. Zur Unterstreichung ihrer Worte hat sie unmittelbar neben dem Altar eine Schaukel befestigt.

Dann wird es ernst für Mike. Gemeinsam mit seinen Taufzeugen schreitet er zum Taufbecken und antwortet mit leiser, aber fester Stimme auf alle ihm gestellten Fragen mit einem "Ja, ich will". Die Pastorin überreicht eine Kerze und wünscht dem neuen Gemeindeglied Gottes reichen Segen. Dem schließen sich alle an.

Nach dem Gottesdienst beim "Kirchenkaffee" sitze ich mit Mike Reichelt zusammen. Er schildert mir seine Beweggründe für die Taufe. Er ist erleichtert, diesen für ihn wichtigen Schritt nun vollzogen zu haben. Ihm ist die Freude darüber anzumerken, dass er jetzt in der Christengemeinde seinen festen Platz hat.

Für mich war es sehr bewegend, bei diesem besonderen Ereignis dabei sein zu dürfen - bei dem Taufgottesdienst für einen Soldaten, der aufgrund verschiedener Lebensumstände erst sehr spät mit Fragen des Glaubens in Berührung kam. Die Tatsache, dass gerade im Einsatz recht viele Soldaten den Wunsch verspüren, sich durch die Taufe zum Christentum zu bekennen, spricht für sich. Ohne die besonderen Erfahrungen im Einsatz, ohne die Konfrontation mit schwierigen und oft auch gefährlichen Situationen wäre Mike Reichelt vielleicht nicht auf den Gedanken gekommen, sich taufen zu lassen.

*) Name wurde vom Verfasser geändert