10 
           

Mehr als ein Schweigen der Waffen

Gedanken zum Frieden als Geschenk Gottes

Militärpfarrer Andreas Ginzel, Katholischer Standortpfarrer Burg
43 Kriege und bewaffnete Auseinandersetzungen zählte die Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung der Universität Hamburg für 2006. Von den meisten nehmen wir in Deutschland kaum Notiz.

Die täglich neuen Meldungen über Opfer im Irak oder in Afghanistan sorgen nur noch dann für Aufregung, wenn Deutsche betroffen sind. Die Rede vom Krieg gegen den Terror und von höheren Sicher-heitsrisiken auch in Deutschland lassen abstumpfen gegenüber der Gewalt und auch gegenüber dem, was man versucht, dieser Gewalt entgegenzusetzen.

Wenn am 11. September an die Anschläge in New York und Washington erinnert wird, geschieht das nicht erst zum sechsten mal. Die Frage: Was ist zu tun? ist vielfach der Frage: Kann man überhaupt etwas tun? gewichen. Dennoch ist die Sorge um den Frieden in einer globalisierten Welt ständig präsent. Im September werden gleich zwei Friedens- oder Antikriegstage begangen: Während der 1. September an den Beginn des 2. Weltkrieges erinnert und dazu mahnt, die Geschichte nicht zu vergessen und aus ihr zu lernen, geht der Weltfriedenstag am 21. September auf einen der UN-Beschluss von 1981 zurück, der die Idee des Friedens in und zwischen den Völkern stärken wollte. Seit 2004 ruft der Ökumenische Rat der Kirchen an diesem Tag international zum Gebet für den Frieden auf. Wie bei dem bereits 1967 von der katholischen Kirche zum Weltfriedenstag erklärten Neujahrstag soll damit die Verbundenheit der Kirche mit allen Menschen zum Ausdruck kommen.

Gleichzeitig macht das Gebet um den Frieden deutlich, dass Frieden mehr ist als ein Schweigen der Waffen oder ein Gleichgewicht der Kräfte, die sich feindlich gegenüberstehen. Frieden ist allein mit politischen Verhandlungen und militärischem Geschick nicht herzustellen. Frieden hat immer auch eine religiöse Dimension. Der muslimische Gruß Salam, das jüdische Schalom wie der christliche Friedensgruß meinen in erster Linie den Frieden mit Gott und als Geschenk Gottes, dessen Frucht dann der Friede untereinander ist.

Im arabischen Salam schwingt die Vorstellung von "sich ergeben" im Sinne von Kapitulation mit. Gemeint ist zunächst die Hingabe an Gott (das ist die Bedeutung von Islam). Sich auf Gott verlassen, sich ihm anzuvertrauen und seinen Gesetzen zu folgen ist Kernstück des jüdischen Glaubens. Christliche Hingabe an Gott drückt sich vor allem in der Liebe zum Nächsten aus. "Was ihr von den anderen erwartet, das tut auch für sie!" Wenn wir mit diesem Maßstab von Gerechtigkeit an die Lösung der Konflikte in unserer Welt gingen, wären wir vielleicht weiter. Dagegen spricht ein Establishment, das sich in allen Teilen dieser Welt gut eingerichtet hat. Jeder möge für sich selbst prüfen, wie weit (durchaus örtlich verstanden) sein Gerechtigkeitsempfinden ihn zum Handeln führt. Und dabei geht es nicht nur um Verteilungsgerechtigkeit sondern auch um die gerechte Bewertung von Geschichte und um die Bereitschaft zur Vergebung.

Wenn es um solche praktischen Fragen geht, scheuen wir uns heute, von Hingabe an Gott zu sprechen oder gar die Unterwerfung unter seinen Willen zu fordern. Zu sehr haftet dem der Geruch von Fanatismus und Fundamentalismus an. Wer genau hinsieht, wird aber entdecken, dass der Fanatiker und Fundamentalist die Hingabe verfehlt hat, er unterwirft sich nämlich nicht Gott, sondern einem starren System. So kann er auch nicht die Vergebung Gottes erfahren, die allein zu Vergebung und Frieden befähigt. Sich zu unterwerfen schafft tatsächlich Frieden. Die Frage ist allerdings, wer die Bedingungen diktiert und wer sie erfüllt.