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"Partnerschaft mit dem Staat auf gleicher Augenhöhe"

Interview mit Prälat Walter Wakenhut, Militärgeneralvikar und Generalvikar der Kurie des Katholischen Militärbischofs

Prälat Walter Wakenhut, Militärgeneralvikar und Generalvikar der Kurie des Katholischen Militärbischofs
Kompass: In Deutschland sind Staat und Kirche getrennt. Getrennt bedeutet jedoch nicht, dass sie beziehungslos wären. Die Regelung der Beziehungen zwischen Staat und Kirche geschieht im Wege verfassungsrechtlicher Normen und anderer rechtlicher Grundlagen. Wie verhält sich dies für die Militärseelsorge als "Kirche unter den Soldaten"?

Prälat Walter Wakenhut: Seit Ende des Ersten Weltkrieges hat die Trennung von Kirche und Staat in Deutschland Verfassungsrang. Weil es zu keiner strikt laizistischen Verfassungsordnung kam, wurde die Religionsausübung nicht zur Privatangelegenheit, sondern blieb eine öffentliche und damit regelungsbedürftig. Der weltanschaulich neutrale Staat mischt sich nicht in kirchliche Dinge ein, sondern regelt gemeinsame Angelegenheiten so, dass einerseits die Unterschiedlichkeiten gewahrt bleiben und es andererseits zu einem geregelten Miteinander kommt. Zu den gemeinsamen Angelegenheiten zählt auch, dass Soldatinnen und Soldaten in der Bundeswehr nach den Bestimmungen des Soldatengesetzes und der Dienstvorschriften, die der Bundesminister der Verteidigung erlässt, in der Ausübung ihrer Religion und ihres Glaubens ungestört sind. Die vom Staat gewünschte Seelsorge und der von uns erbrachte Beitrag durch Katholische Standortpfarrer, Pastoralreferenten, Pastoralreferentinnen und Pfarrhelfer und Pfarrhelferinnen ist die spezifische Ausprägung.

Dies geschieht in Partnerschaft "auf gleicher Augenhöhe", weil die Militärseelsorge nicht irgendetwas ist, kein Verein, keine Initiative oder lose Gruppierung, sondern sich als "Kirche unter den Soldaten" verbunden weiß mit dem Heiligen Stuhl und der gesamten Kirche in Deutschland.

Sorge dafür trägt der Katholische Militärbischof für die Deutsche Bundeswehr, der selbst in keinem Dienstverhältnis zum Staat steht. Dies garantiert die Unabhängigkeit der Militärseelsorge, die Soldatinnen und Soldaten dann besonders zu schätzen wissen, wenn sie sich mit ihren Anliegen an uns wenden, Rat und Hilfe suchen und dabei erfahren, dass die vorhandenen Regelungen in der Beziehung zwischen Kirche und Staat letztendlich zu ihren Gunsten verfasst sind. Dies ist wichtig, denn es geht um Menschen, die sich darauf verlassen müssen, dass ihr Glaube und ihre Religionszugehörigkeit mit keinen Nachteilen verbunden sind.

Kompass: Wie beurteilen Sie nun - nach gut 50 Jahren Erfahrung damit - das Verhältnis zwischen Staat und Kirche bezogen auf die Katholische Militärseelsorge in der Bundeswehr?

Prälat Walter Wakenhut: Am 4. Februar 1956 wurde Joseph Kardinal Wendel, dem Erzbischof von München und Freising, als erstem Katholischen Militärbischof für die Deutsche Bundeswehr die Seelsorge für die katholischen Soldaten und ihre Familien anvertraut. Mit Blick auf dieses Datum haben wir im vergangenem Jahr "50 Jahre Katholische Militärseelsorge in der Deutschen Bundeswehr" bilanzieren können und uns darüber ausgetauscht, welche Erfahrungen tragfähig sind, welches die Perspektiven für unser zukünftiges Handeln sind.

Festzustellen ist, dass trotz des erheblichen Wandels in der Gesellschaft und damit auch in der Bundeswehr die Staat-Kirche-Beziehungen auf einer verlässlichen und weiterhin tragfähigen Grundlage stehen. Diese Grundlagen bieten die Gewähr dafür, dass die von uns vorgenommenen Strukturanpassungen zwar nicht immer reibungslos, aber letztendlich doch in gemeinsamer Verantwortung vorgenommen werden konnten. Oftmals sind wir dabei dem Vorwurf ausgesetzt gewesen, wir würden zu sehr auf Grundlagen und Prinzipien beharren, die nicht mehr zeitgemäß seien und nur da-rauf zielten, den Status Quo zu sichern.

Die Erfahrung zeigt jedoch, dass verlässliche Grundlagen auch in Zeiten des Wandels die Sicherheit dafür bieten, Strukturanpassungen so vorzunehmen, dass neue Aufgaben angegangen werden können. Dazu zählen insbesondere die ethische Reflexion und Fundierung des Dienstes der Soldatinnen und Soldaten in den Einsätzen, der gewachsene religiöse Pluralismus, der sich auch in den Streitkräften widerspiegelt und die Tatsache, dass mittlerweile Soldaten mit Migrationshintergrund in der Bundeswehr sind. Auf dieses alles haben wir uns als Militärseelsorge eingestellt und können mit unseren Erfahrungen einen wichtigen Beitrag zur Gesamterziehung der Soldatinnen und Soldaten leisten.

Kompass: Sehen Sie Handlungsbedarf in rechtlicher und praktischer Hinsicht, und in welchen Bereichen der Zusammenarbeit wären Verbesserungen notwendig?

Prälat Walter Wakenhut: Partnerschaft ist an Voraussetzungen gebunden - und an die zu erinnern, zählt mit zu meinen Aufgaben. So gehören aus unserer Sicht die "Päpstlichen Statuten für den Jurisdiktionsbereich des Katholischen Militärbischofs für die Deutsche Bundeswehr" zu den wesentlichen Grundlagen der Beziehung zwischen Kirche und Staat und ermöglichen damit erst eine gute und fruchtbare Zusammenarbeit.

Je früher und je mehr man voneinander weiß, desto reibungsloser können Umsetzungsschritte angegangen werden. Diese Aufgabe stellt sich grundsätzlich und es gilt, sie im tagtäglichen Handeln im Auge zu behalten. Hervorheben will ich in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass Sachverhalte, die eng mit den Aufgaben der Militärseelsorge verbunden sind, auch von dieser zu bearbeiten sind. Dazu bieten sich der Sachverstand und die Expertise aus dem Gesamt der Militärseelsorge an. Diese gilt es einzubeziehen, auch in Vorhaben, die sich noch im Planungsstadium befinden.

Kompass: Mit Blick auf die konfessionelle Zusammensetzung in den deutschen Streitkräften fällt ein Rückgang der konfessionsgebundenen Soldatinnen und Soldaten auf. Hat dies Auswirkungen auf das wechselseitige Verhältnis von Staat und Kirche und der Katholischen Militärseelsorge?

Prälat Walter Wakenhut: In der Tat ist festzustellen, dass der Anteil der konfessionsgebundenen Soldatinnen und Soldaten in der Bundeswehr immer kleiner wird. Die Ursachen dafür sind bekannt und wir müssen uns darauf einstellen. Jedoch ist es mit dem Verweis auf die Zahlen allein nicht getan. Erziehung, Führung und Ausbildung sind eine Herausforderung in der Qualität, denn es geht um die Gesamterziehung der Soldatinnen und Soldaten, deren Reflexion und Fundierung auch eine ethische und moralische Dimension beinhalten. Wir als Katholische Militärseelsorge wollen dazu unseren Beitrag leisten.

Hinzu kommt, dass der verfassungsrechtlich garantierte Schutz von Ehe und Familie mit Blick auf die einsatzbedingten Folgen auch denen gilt, die nicht einer Konfession angehören. Als "Kirche unter den Soldaten" schauen wir dabei nicht in erster Linie auf die konfessionelle Zugehörigkeit, sondern auf die Menschen.

Kompass: Im Blick auf die Zukunft: Ist es vorstellbar, dass sich eines Tages die Katholische Militärseelsorge aus den deutschen Streitkräften zurückziehen muss, weil staatlicherseits nicht mehr die ausreichende Unterstützung gegeben ist?

Prälat Walter Wakenhut: Ich verfüge über keinerlei prognostische Fähigkeiten. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass es dazu kommen könnte. Die staatliche Unterstützung ist ausreichend und orientiert sich im wechselseitigen Einvernehmen an den Erfordernissen einer effizienten Seelsorge. Bislang waren unsere Bemühungen, zu verdeutlichen, dass es eine Seelsorge zum Nulltarif nicht geben kann, erfolgreich. Von daher ist den Damen und Herren Abgeordneten des Deutschen Bundestages zu danken, wenn sie dies in den jetzt anstehenden parlamentarischen Beratungen um den Haushalt 2008 im Auge behalten.

Das Interview führte Josef König