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Glaube - Hoffnung - Liebe:

3. Liebe: der Grund der Dinge

Ein allgegenwärtiges Wort. Und doch: was ist eigentlich "Liebe"? Im Deutschen begegnen wir der Schwierigkeit, die unterschiedlichsten Verhaltensweisen mit dem einen und einzigen Wort "Liebe" bezeichnen zu müssen: wir lieben unser Auto, unseren Fußballverein, unsere Kinder, uns selbst, Gott. Ist die Sprache hier einfach nur ungenau, oder was ist das Verbindende in all diesen Gestalten der Liebe?

Das abendländische Denken sah, hier wesentlich beeinflusst von der christlichen Schöpfungstheologie, das Wesen der Liebe im Akt der Gutheißung. "Und Gott sah, dass es gut war", heißt es im Buch Genesis. Lieben heißt demnach so viel wie sagen: gut, dass etwas oder jemand da ist, existiert. Lieben hat also immer die Form eines Urteils über die Qualität einer Sache oder einer Person. Andererseits erschöpft sie sich aber auch nicht in bloßen Feststellungen. Vielmehr äußert der, der liebt, immer auch seinen Willen. Dergestalt etwa, dass ich das Geliebte ausdrücklich bejahe, es lobe. Ihm also zustimme. Ich will, dass es etwas oder jemanden gibt.

Der Liebe als einem Akt des Wollens wohnt also immer das zweifache Moment der Bejahung und des gewollten Sein-Lassens inne. Es geht der Liebe zunächst also nicht um die Veränderung eines gegenwärtigen Zustands, sondern um die Bestätigung dessen, was ist. Liebe ist also der Urakt des Willens. Alle nachfolgenden Wahlentscheidungen, die wir treffen, sind von ihr geleitet. Ex amore suo quisque vivit, aus seiner Liebe lebt ein jeder, so Augustinus.

Was aber will der Liebende, indem er liebt? Das erste, was ein Liebender will, ist, dass der Geliebte exis-tiert und lebt. Man könnte fragen, was für den Geliebten in diesem Fall von meiner Liebe abhängt. Existiert er doch ohnehin und ohne mich. Und doch wissen wir alle, dass der Mensch keiner Sache so sehr bedarf wie der Liebe. Selbst Sartre, der im Mitmenschen vor allem den potenziellen Henker sah, konnte sagen, dass wir uns durch die Liebe in unserem Dasein gerechtfertigt fühlen. In diesem Sinne ist die zwischenmenschliche Liebe eine Fortsetzung der Schöpferliebe Gottes selbst. Die Sprache weiß davon, wenn sie etwa sagt: Dieser oder jener Mensch sei durch die Liebe aufgeblüht. Der Theologe Hans Urs von Balthasar formulierte so: Im Widerfahrnis der Liebe begegnet uns die Ganzheit des Seins.
Aber ist das Lieben nicht eine Form des Egoismus? Beschenke ich nicht vor allem mich selber, wenn ich liebe? Und tatsächlich, Augus-tinus sagte: Wenn du liebst, dann muss dein Lohn der sein, den du liebst. Lohn sollte hier aber nicht mit Entgelt verwechselt werden. Gemeint ist die Belohnung, die nie einforderbar ist, sondern immer Geschenkcharakter behält.

Ist weiter aber auch der Wunsch, geliebt zu werden, eine Form des Egoismus, die mit echter Liebe wenig zu tun hat? Nietzsche sah das so. Der christliche Glaube hingegen erkennt in diesem Wunsch des Menschen aber seine Offenheit und Angewiesenheit auf die Liebe Gottes. Das Verlangen nach Liebe ist eine Form der Endlichkeit, die mit der angenommenen Liebe Gottes über sich selbst hinauswächst. Die Demut liegt hier in der Bereitschaft, sich lieben zu lassen.

Die Liebe ist ein alle natürliche Sympathie, alle spontanen Affekte und jedes erotisches Begehren erfassendes und durchformendes Prinzip. Christlichem Denken war das Körperliche und Natürliche der Liebe nie fremd. Die Freundesliebe, die sexuelle Liebe, die Liebe zum Vaterland: all dies ist getragen von der Gutheißung des Geliebten. Ihren letzten und damit eigentlichen Gegenstand hat die Liebe indes in Gott. Die Liebe zu ihm kann deshalb unbedingtes Gebot sein, weil er unbedingt gut und erstrebenswert ist.

Das unterscheidend Christliche indes ist, dass Gott nicht nur liebt und geliebt wird, sondern die Liebe, d. h. Gutheißung und Hingabe, ganz und gar ist. Der Vater, der liebt, der Sohn, der geliebt wird, der Heilige Geist als die beide verbindende Liebe. Deus caritas est, Gott ist die Liebe.

Oliver Maksan