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Der heruntergekommene Gott

Militärpfarrer Klaus-Peter Lehner, Katholisches Militärpfarramt Mittenwald
Wenn in der Advents- und Weihnachtszeit der Schnee unsere wunderschöne Bergwelt hier in Mittenwald verzaubert, dann springt auf unsere Herzen so etwas wie ein Zauber über. Meistens wandern gerade in dieser Zeit unsere Erinnerungen zurück in die Kindheit, in der wir bei Eltern und Geschwistern groß wurden. Plötzlich spüren wir intensiv, wie wichtig unsere Herkunft und unsere Familie ist, in der wir unsere Wurzeln haben.

Wie von selbst steigen in uns Bilder an den Besuch des Heiligen Nikolaus hoch. Manchmal erinnern wir uns sogar nach vielen Jahren an das, was uns dieser "Heilige Mann" sagte. Lob und Tadel waren dabei, aber auch allerlei Geschenke. Der Kerzenschein am Adventskranz fällt uns ein, vielleicht auch der Brauch des "Barbarazweiges", der am Christtag zu blühen beginnt.

Als Erwachsene beobachten wir gerne Kinder, die sich an diesen Weihnachtsbräuchen erfreuen. Wir nehmen Anteil an ihren Freuden und genießen die leuchtenden Kinderaugen. Irgendwie tauchen wir ein in eine scheinbar heile Welt, nach der wir uns so sehnen. Ist das das Wesentliche dieser Zeit? Die Geschäftswelt macht es uns mit der schrillen Werbung nicht leicht, dies heraus zu finden. Weit vor der Adventszeit werden in den Kaufhäusern Weihnachtslieder gespielt, die die Einkaufslust steigern sollen.
Und doch wissen wir nur allzu genau, dass gerade in dieser Zeit die menschliche Not am offensichtlichsten wird. Dabei steht nicht nur die materielle Not im Vordergrund - darum sorgen sich zahlreiche Hilfsorganisationen. Vielmehr brechen gerade in der Weihnachtszeit Nöte auf, die wir das Jahr über zu "deckeln" versuchen. Das geschäftige Treiben hilft uns vermeintlich dabei. Gemeint sind unsere Seelennöte, die jeder von uns mit sich herumträgt. Hinter all diesen Nöten steckt sicher eines, was wir Menschen rings um den Globus gemeinsam haben:

Die Sehnsucht nach Angenommensein, nach Ansehen, nach Liebe und Geborgenheit. Hier spielen weder die Hautfarbe noch die Nationalität eine Rolle, ja nicht einmal mehr die Religion oder Konfession. Allen Menschen gemeinsam ist diese Sehnsucht nach Liebe und Friede. Selbst die härtesten Häftlinge werden dünnhäutig in dieser Zeit - so durfte ich als Gefangenenseelsorger erfahren. Muskelbepackten und tätowierten Männern kullerten beim Krippenspiel Tränen über das Gesicht, weil ihnen ihre Erbärmlichkeit bewusst wurde.

Dieser großartige Gott, der Himmel und Erde erschaffen hat, das gigantische Weltall genauso wie den kleinsten Fisch im Ozean, dieser Gott hat sich in einem wehrlosen Kind ganz klein gemacht und ist auf die Erde heruntergekommen. Er ist ein "heruntergekommener Gott", der mit uns Menschen auf Augenhöhe geht. Er geht in die Knie, so wie wir dies tun, wenn wir mit kleinen Kindern reden und ihnen in die Augen sehen wollen. Er möchte uns in die Augen schauen und uns sagen, dass er jeden Einzelnen von uns annimmt, so wie er ist. Wir dürfen sein wie wir sind, denn er ist unser Vater!
Gott selbst lädt uns in dieser Zeit ein, über unser Leben und die Heilsgeschichte nachzudenken. Es soll uns neu bewusst werden, dass Gott in seinem Sohn Jesus Christus in Betlehem zu uns Menschen aller Zeiten gekommen ist. Die schlichte Geburt in einem einfachen Stall möchte uns modernen Menschen immer wieder sagen, dass wir zum Leben gar nicht viel brauchen. Das Wichtigste ist sicher ausreichende Ernährung, ein Dach über dem Kopf, Gesundheit und vor allem Menschen, die uns mögen und lieben. Ohne diese Herzenswärme können wir nicht leben. Es macht uns geradezu krank, wenn wir keine Zuneigung und Bestätigung erfahren.

In den Geschenken der Weihnachtszeit sagen wir Menschen uns, dass wir uns lieben, dass uns andere wichtig sind in unserem Leben. Im anderen begegnet uns ja Gott alle Tage. Unser Gegenüber ist Abbild Gottes und in uns selbst wohnt Gott ganz persönlich. Wenn wir dies an Weihnachten wieder neu entdecken dürfen, dann gehen wir gemeinsam in ein gesegnetes Neues Jahr 2008.

Militärpfarrer Klaus-Peter Lehner
Katholisches Militärpfarramt Mittenwald