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Franz Stock

Teil 1: Wegbereiter der deutsch-französischen Aussöhnung

Ein zunächst unscheinbarer Theologiestudent im an Priesterberufungen seinerzeit reich gesegneten Erzbistum Paderborn wurde zum Wegbereiter der deutsch-französischen Aussöhnung nach dem Zweiten Weltkrieg.

Als Franz Stock am 21. September 1904 als erstes von neun Kindern in Neheim im nördlichen Sauerland geboren wurde, war davon noch nicht viel zu erahnen. Die Eltern waren wegen der damals guten Verdienstmöglichkeiten in die 20.000-Einwohner-Stadt gezogen. Pläne des Vaters Johannes Stock, sich einmal selbstständig zu machen, zerschlug der Erste Weltkrieg; also verdingte er sich in einer Fabrik für Kleineisenteile. Die Familie blieb bescheiden. Franz ging als durchschnittlich begabter Schüler auf die Volksschule. Mit 13 Jahren äußerte er als Schüler der 7. Klasse erstmals den Wunsch, Priester zu werden. Die Mutter war nicht begeistert, musste sie doch in den Kriegsjahren alleine für den Unterhalt der Familie sorgen. Der Älteste war bestimmt, ihr dabei nach Kräften zu helfen. Auch war nicht absehbar, wer überhaupt das Studium hätte finanzieren können. Franz "drohte" damit, andernfalls zu den Franziskanern zu gehen, die in Werl das bekannte Marienheiligtum betreuen. Mit Zustimmung des Dechanten von Neheim, Müting, der Einwilligung des Vaters, die von der Front aus bald eintraf, und mit dem Entgegenkommen des Arbeitgebers von Vater und Mutter, der einen Kredit gewährte, konnte der Junge Ostern 1917 auf das Neheimer Realgymnasium, das heute seinen Namen trägt, wechseln. In Zeichnen und Malen war Franz gut, aber in Deutsch und Französisch tat er sich schwer. Gleichwohl zeigte er starken Durchhaltewillen und schaffte das erste Jahr trotz starken Rheumas, das ihn zwang, viel zuhause nachzuarbeiten.

In seiner Gymnasialzeit schloss sich Franz Stock zuerst dem Bund "Neudeutschland" an und wechselte später zum "Quickborn", der mit der so genannten Wandervogelbewegung um 1900 entstanden war. Der Quickborn war auf Burg Rothenfels am Main erstmals in Erscheinung getreten, die er um 1919 erwarb. Die Treffen dieser Gemeinschaft begannen bewusst mit Gebet und Gottesdienst. Romano Guardini, der charismatische Spiritus Rector des Quickborn, übte auch auf Franz Stock entscheidenden Einfluss aus. Naturliebe, Gruppenleben und die Begegnung mit anderen Jugendlichen im Geiste bewusst gelebten christlichen Glaubens begeisterten den jungen Sauerländer.

Franz Stock (rechts) begrüßt 1931 französische Gäste auf dem Borberg
Nach dem Abitur begann Stock mit 56 weiteren Priesteramtskandidaten sein Theologiestudium in Paderborn und begegnete hier den von Franz Hitze, August Pieper und Carl Sonnenschein thematisierten modernen Fragestellungen der Christlichen Soziallehre. Franz Stock übersetzte das Buch von Pierre Lhande "Le Christ dans le banlieu" ("Christus in der Bannmeile von Paris"), zu dessen deutscher Ausgabe er auch das Vorwort verfasste. Als Student in Paris - er wechselte Ostern 1928 zu den so genannten Freisemestern ans Institut Catholique - war Franz Stock selbst in den Pariser Stadtrandgebieten anzutreffen.

Schon zuvor hatte er sich einer Friedensbewegung verschrieben, die den Hass zwischen Frankreich und Deutschland überwinden wollte. Stock setzte sich damit schon dem Verdacht aus, ein "Linkschrist" bzw. ein "Roter" zu sein. 1926 waren 10.000 Jugendliche auf dem Landsitz des ehemaligen französischen Frontoffiziers Marc Sangnier in Bierville bei Paris versammelt. "Friede durch die Jugend" hieß das Thema, und Franz Stock war mit seinen Quickbornern dabei. Hier traf er auch mit den Gründern der "Compagnons de Saint François" (Gefährten des hl. Franziskus) zusammen und wurde erstes deutsches Mitglied dieser neuen geistlichen Gemeinschaft, die sich den Idealen des Heiligen aus Assisi, Liebe zur Armut, zur Einfachheit, zur Demut und zum Frieden, verschrieben hatte.

Als deutscher Theologiestudent, der - freiwillig - nach Frankreich ging, war er eine "Ausnahmeerscheinung". 1931, Stock war bereits zum Diakon geweiht, organisierte er die Hauptwallfahrt der "Gefährten" von Luxemburg nach Deutschland unter dem Motto "Pour la paix entre les patries" (Für Frieden zwischen den Ländern). Auf dieser Pilgerfahrt wurde er in aller Form in die Gemeinschaft der "Gefährten" aufgenommen. Damit war sein weiterer Lebensweg vorgezeichnet. Nachdem er am 12. März 1932 in Paderborn zum Priester geweiht worden war, dauerte es nur gut zwei Jahre, bis Franz Stock sich dienstlich in Paris wiederfand.

P. Robert Jauch OFM, Jerusalem