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Nicht gegen wen, sondern wofür?

von Reinhold Robbe

Im großen Sitzungszimmer meines Amtes, der sogenannten Galerie, habe ich einmal mehr Soldaten der Bundeswehr zu Gast. Sie blicken mich bei der Begrüßung freundlich an. Und doch ist es kein gewöhnlicher Besuch. Die Männer, die mir da gegenüber sitzen, verbindet etwas, nämlich ein "Bruch" im Lebenslauf. Es sind Soldaten, die überwiegend meinem Jahrgang angehören. So um die Fünfzig. Einer steht kurz vor der Pensionierung. Sie alle haben ihre Laufbahn nicht in der Bundeswehr begonnen, sondern in der Nationalen Volksarmee (NVA) der DDR. Wenn ich über diesen Hintergrund nicht informiert wäre, würde ich es wohl kaum bemerken.

Ich hatte den Landesverband Ost des Deutschen Bundeswehrverbandes darum gebeten, diese Begegnung zu ermöglichen. Denn nicht erst seit heute beschäftigt mich die Frage, wie es um die Integration der ehemaligen NVA-Angehörigen in die Bundeswehr bestellt ist.

Zu Beginn mache ich gegenüber den Soldaten keinen Hehl aus meiner persönlichen Überzeugung, dass nicht alles optimal verlief - damals in der Wendezeit, als die beiden Armeen zusammengeführt wurden. Meine Gäste pflichten mir bei. Sie haben den "Übertritt" von der Volksarmee in die Bundeswehr zu keiner Zeit bereut. Ein Oberstleutnant: "Zu dieser Zeit haben wir uns in der NVA nicht mehr gefragt gegen wen, sondern wofür?"

Auch die Eingliederung in die Bundeswehr war für sie im Großen und Ganzen kein Problem. Ein Oberleutnant erzählt, dass ihn der Uniformwechsel damals aber emotional doch sehr bewegt habe. Als "bittere Erfahrung" empfanden es einige meiner Gäste, dass ihre "neuen Kameraden" manchmal hinter vorgehaltener Hand getuschelt hätten. Da war auch schon mal vom "Ex-Kommunisten" die Rede. Doch blieben derartige Äußerungen eher die Ausnahme, sagen alle übereinstimmend. Sehr viel problematischer sei es gewesen, so ein Stabsfeldwebel, dass er nach Einsicht in seine Stasi-Akte habe feststellen müssen, dass einige ehemalige NVA-Kameraden "Informelle Mitarbeiter" der Staatsicherheit gewesen seien.

Insgesamt, so berichten die Soldaten gleichlautend, habe man die Aufnahme in die Bundeswehr als sehr kameradschaftlich erlebt. Und zwar viel positiver, als dies zu erwarten war. Nur beim Thema "Besoldung" empfinden sie noch immer eine große Ungerechtigkeit. Im Laufe der zurückliegenden 17 Jahre seit der Wiedervereinigung waren fast alle im Einsatz, wie sie mir berichten. Und es sei nicht akzeptabel, dass es bis zum heutigen Tage nicht möglich war, die Bezahlung zwischen Ost und West anzugleichen. Denn es gebe nun mal keinen Unterschied zwischen den Kameraden aus den neuen und den alten Bundesländern. Alles sei gleich. Die gleiche Uniform, der gleiche Dienst, die gleiche Gefährdung für Leib und Leben im Einsatz. Nur in der Besoldung gebe es nach wie vor Ossis und Wessis. Leider.