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Die Unabhängigkeit Kosovos auf dem Prüfstand der Friedensethik

Fachtagung am Institut für Theologie und Frieden

Die völkerrechtlichen Fragen sorgten auch in der Pause für Gesprächsstoff: Prof. Stefan Oeter (Mitte) im Gespräch mit Dr. Katharina Parameswaran und Oberst a.D. Ludwig Jacob
Die Unabhängigkeitserklärung des Kosovos am 17. Februar 2008 hatte sich nach dem Scheitern der Vermittlungsgespräche im November seit Wochen abgezeichnet. Serbien hat indes wiederholt bekräftigt, ein unabhängiges Kosovo keinesfalls zu akzeptieren. Droht der Konflikt nun erneut zu eskalieren oder weist die Unabhängigkeit einen Weg zu einem stabilen und friedlichen Balkan?

Verstößt die Unabhängigkeit Kosovos gegen das Völkerrecht? Und was ist aus ethischer Sicht unter diesen Umständen zu tun? Fragen wie diese standen im Mittelpunkt der Fachtagung des Instituts für Theologie und Frieden am 9. Februar in Hamburg. Zu einer Unabhängigkeit des Kosovos gibt es nach Konrad Clewing vom Südost-Institut keine Alternative, da alle anderen Modelle die Rückkehr der Gewalt befürchten ließen, die im Falle einer Unabhängigkeit Kosovos unwahrscheinlich sei. Das Völkerrecht favorisiert prinzipiell eine Realisierung des Selbstbestimmungsrechts bei Erhaltung der staatlichen Integrität in Form von Autonomieregelungen. Dies war im Kosovo aber politisch nicht erreichbar. Unter dem Wegfall dieser Möglichkeit führt jede Statusentscheidung mit mindestens einer völkerrechtlichen Norm in Konflikt, so dass die wichtigste Norm bestimmt werden muss. Völkerrechtler Stefan Oeter hält es unter den vorliegenden Umständen für berechtigt, dem Selbstbestimmungsrecht der Völker Vorrang einzuräumen. Somit sei die Unabhängigkeit Kosovos zwar völkerrechtlich umstritten, aber möglich.

Dr. Konrad Clewing vom Südost-Institut in Regensburg hielt das Eingangsreferat und gab vielfältige Einblicke in die Kosovo-Frage.
In der weiteren Diskussion wurde der Blick auf politische und ethische Herausforderungen geworfen. Auf die Frage, ob ein Präzedenzfall Kosovo nicht Sezessionskonflikte in anderen Weltgegenden anheizen würde, betonte Clewing, der Kosovo stelle aufgrund verschiedener Faktoren einen Ausnahmefall dar: Neben einer faktisch bereits vollzogenen Trennung sei die traumatischen Gewalterfahrung in den Miloševic-Jahren von zentraler Bedeutung, die es nicht zumutbar erscheinen lasse, die Kosovaren weiter an den serbischen Staat zu binden. Aus ethischer Perspektive ist zentral, diesen Sonderfall anhand generalisierbarer Kriterien begründen zu können. Wichtig ist auch, den Schutz der ethnischen Minderheiten im Kosovo zu sichern, wozu die Bundeswehr weiterhin erforderlich bleibt. Mittelfristig müsse die EU zur Aufnahme Serbiens und Kosovos bereit sein.

Bei zwei weiteren Aufgabenfeldern kann auch die Kirche einen substanziellen Beitrag beisteuern: Der Verlust Kosovos bedeutet für die Serben eine erhebliche Wunde für die eigene Identität, die ernst genommen und zum Thema gemacht werden muss. Darüber hinaus muss auch der Dialog zwischen den Volksgruppen gefördert werden, um eine Basis für Vertrauen und Versöhnung zu schaffen, die als Fundament für einen Frieden im Balkan unerlässlich ist.

Michael Hörter