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Vor 40 Jahren: Die 68er - eine verhinderte Lourdeswallfahrt

Besprechung der Militärgeistlichen im Sonderzug zur Internationalen Soldatenwallfahrt nach Lourdes 1967
Die diesjährigen Lourdes-Pilger der Katholischen Militärseelsorge erleben ein zweifaches Jubiläum: 150 Jahre Marienerscheinungen in Lourdes und 50 Jahre Internationale Soldatenwallfahrt. Aber dennoch findet 2008 statt des 51. erst der 50. Pèlerinage Militaire International statt.

Ende Oktober 1967 trafen sich in Rom die Militärseelsorge-Vertreter verschiedener Nationen, um - wie schon in den vergangenen neun Jahren - die nächste Wallfahrt im Juni 1968 zu planen. Alle standen noch unter dem Eindruck der bewegenden Atmosphäre des vorigen Internationalen Soldatentreffens, das ein Zeichen für Frieden und Versöhnung gesetzt hatte. 1967 waren Pilger aus 21 Nationen nach Lourdes gekommen, darunter 2.900 Soldaten und 500 Zivilbedienstete aus Deutschland. Das Katholische Militärbischofsamt nutzte die medialen Möglichkeiten, um die einzigartige Stimmung und Atmosphäre erstmals auf Schallplatte zu dokumentieren - nicht nur ein bewegendes Souvenir für die Wallfahrer von 1967, sondern auch eine Einladung für die zukünftigen Pilger.

Im Schatten des Petersdomes stellte die Vorbereitungskonferenz die kommende 11. Internationale Soldatenwallfahrt 1968 unter die Parole: "Mit Christus für eine bessere Welt!" Niemand ahnte, wie treffend dieses Motto gewählt war.

Im Anschluss an die Konferenz verschickte der französische Militärbischof Jean-Marie-Clément Badré (1967-1969) im Dezember 1967 die offizielle Einladung zu der Soldatenwallfahrt 1968. In seinem Dankschreiben vom Januar 1968 nannte Militärbischof Franz Hengsbach (1961-1978), Bischof von Essen, die Wallfahrt als für den Frieden so segensreich.

Internationale Soldatenwallfahrt 1969: Militärbischof Dr. Franz Hengsbach (1961–1978) während des Besuchs im Krankenhaus mit der 1967 vom Katholischen Militärbischofsamt herausgebrachten Dokumentarschallplatte „Lourdes“
Damit begannen in Deutschland die umfangreichen Planungs- und Vorbereitungsarbeiten des Katholischen Militärbischofsamtes. Federführend war vor allem Dekan Ludwig Steger, Leiter des Seelsorgereferates (1956-1974). Die Planungen berücksichtigten, dass die Soldatenwallfahrt 1968 ihr zehnjähriges Jubiläum begehen sollte. Zu diesem Anlass lag es für die engagierten katholischen Laien in der Bundeswehr, den Königsteiner Offizierkreis (KOK, heute Gemeinschaft Katholischer Soldaten, GKS), nahe, ihre zentrale Veranstaltung - eine "Arbeitstagung für Laienarbeit in der Militärseelsorge" - mit der geplanten Lourdeswallfahrt zu verbinden. Das mehrtägige Programm sah geistliche Vorträge von Militärgeneralvikar Dr. Martin Gritz (1962-1981) und von Militäroberpfarrer - zugleich geistlicher Beirat des KOK - Redemptoristen-Pater Dr. Eugen Koep vor. Oberstleutnant Dr. Helmut Korn, Sprecher des KOK, sollte über die "Methodik und Praxis der Zusammenarbeit katholischer Offiziere" referieren.

Mit der in den vergangenen Jahren gewonnenen Erfahrung bei der Organisation einer der wichtigsten pastoralen Veranstaltungen der Katholischen Militärseelsorge hatte Dekan Steger gemeinsam mit seinen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen soweit alles vorbereitet, als die bis dahin reibungslose Planung im Mai 1968 ins Stocken geriet. Am 24. Mai erklärte ein Rundschreiben des Katholischen Militärbischofsamtes zur "Durchführung der Lourdes-Wallfahrt": Infolge der politischen Verhältnisse in Frankreich, verbunden mit ausgedehnten Streiks, ist es leider nicht möglich, die Fahrpläne der Sonderzüge so frühzeitig wie in den vergangenen Jahren zusammenzustellen. Hintergrund waren die in Frankreich schon seit November 1967 schwelenden Studentenproteste. Diese dehnten sich seit März 1968 auf weitere gesellschaftliche Gruppen aus und eskalierten im Mai zu Straßenkämpfen.

Militärbischof Hengsbach und Militärdekan Ludwig Steger (Referatsleiter Seelsorge 1956–1974) im Gespräch mit Soldaten in Lourdes 1966
Als sich die Gewerkschaften dem studentischen Protest anschlossen, kam es zu einem Generalstreik, der das ganze Land lahm legte. Im Katholischen Militärbischofsamt in Bonn merkte man dies vor allem an der unterbrochenen Post- und Fernmeldeverbindung. Noch bevor Präsident de Gaulle auf dem Höhepunkt der Krise am 29. Mai für zwei Tage nach Baden-Baden abtauchte, gab die französische Militärseelsorge bekannt, die Wallfahrt könne auf keinen Fall am vorgesehenen Termin, dem 16. Juni, stattfinden. Sogleich schickte Dekan Steger ein Eilschreiben nach Kassel, wo Militärgeneralvikar Dr. Gritz gerade an der Kommandeurtagung teilnahm. Steger erbat von Gritz die Zustimmung für sein weiteres Vorgehen. Noch stand die Möglichkeit einer bloßen Verschiebung des Termins im Raum. Trotz der Brisanz der Situation schloss Steger sein zweiseitiges Strategiepapier mit der Bemerkung: Verzeihen Sie uns diese Aufregung mitten in der Kommandeurtagung. Den Löwenanteil der Belastung muß ja unser Personal tragen.

Doch kurz danach war klar: 1968 musste die 11. Internationale Soldatenwallfahrt ausfallen - die Buchungen für ca. 2.700 Pilger wurden storniert. Die vom Militärbischof eingeladenen Ehrengäste aus Politik und Kirche erhielten mit dem Schreiben über die Absage im Hinblick auf die derzeitige Situation und die ungewisse Entwicklung in Frankreich als kleinen Trost die Dokumentarschallplatte von der Internationalen Soldatenwallfahrt des Vorjahres. Zumindest als Zuhörer konnten sie so nach Lourdes pilgern, um "mit Christus für eine bessere Welt" einzutreten.

Dr. Monica Sinderhauf