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Thesen zur ethischen Bildung in deutschen Streitkräften

von Generalvikar Prälat Walter Wakenhut

1. Gesellschaft, Politik, Streitkräfte und die Kirchen in Deutschland wollen Soldatinnen und Soldaten, die freie Persönlichkeiten sind, die gewissensorientiert handeln können und über moralische Urteilsfähigkeit verfügen. Die Forderung nach einem ethisch reflektierten soldatischen Selbstverständnis ist der Bundeswehr mit ihrer Gründung in den 50er Jahren als Auftrag mitgegeben worden (Innere Führung).

2. Die kirchliche Begründung des Dienstes der Militärseelsorge verweist auch auf die Sorge um das richtige und gute Handeln der Soldaten. Das 2. Vatikanische Konzil spricht von den moralischen Gefährdungen, die den Beruf des Soldaten geradezu charakterisieren. Hier ist natürlich auf die Risiken nicht gerechtfertigter und übermäßiger Gewaltanwendung zu verweisen. Selbstverständlich ist es für die Militärseelsorge eine unverzichtbare Aufgabe, an der ethischen Bildung der Soldatinnen und Soldaten mitzuarbeiten.

3. Ethische Bildung – eine weitere Selbstverständlichkeit – muss für die Bundeswehr nicht neu erfunden werden. Sie fand und findet statt. Beispiele dafür sind im Lehrgebiet „Innere Führung“, wo ethische und rechtliche Grundlagen des soldatischen Dienstes vermittelt werden, im Rechtsunterricht, in der historischen und der politischen Bildung und nicht zuletzt in einer Praxis der Menschenführung, die die Menschenwürde und Menschenrechte der Soldaten respektiert.

4. Die Militärseelsorge unterstützt diese Bemühungen, indem sie auf Wunsch des Staates einen Lebenskundlichen Unterricht anbietet. Legitimität und Grenzen militärischer Gewaltanwendung, Grenzen des Gehorsams und die Frage nach der Bedeutung moralischer Haltungen (Tugenden) für verantwortliches und moralisch richtiges Handeln der Soldaten sind wichtige Themenfelder in diesem Unterricht.

5. Ethische Bildung fand und findet in der Bundeswehr immer statt, allerdings nicht in einem speziellen Fach „Ethik“. Ob ein eigenes Fach „soldatische Berufsethik“ oder gar „Militärethik“ hilfreich sein kann, ist umstritten und derzeit in der Diskussion.

6. Der Ruf nach ethischer Bildung, nach Ethik als Lehrfach ist oft ein „Krisenphänomen“. Verwiesen wird hier z.B. auf zunehmende Schwierigkeiten, moralisches Orientierungswissen an nachfolgende Soldatengenerationen zu tradieren (Wertewandel) oder aber auf das neue Aufgabenspektrum der Streitkräfte, das einen neuen, verstärkten Bedarf an ethischer Reflexion bewirkte. Auch hier besteht Diskussionsbedarf.

7. Die Soldaten und Soldatinnen der Bundeswehr benötigen ein Berufsethos, das sie befähigt, ihren Auftrag moralisch verantwortlich zu erfüllen. Didaktisch-methodische Fragen wie Wertevermittlung oder / versus Dilemma-Methode sollten jedoch nicht im Mittelpunkt der Diskussion über eine ethische Bildung in deutschen Streitkräften stehen.