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"Ein Stück Heimat"

von Reinhold Robbe

Mein jüngster Truppenbesuch führte mich Anfang Juni für zehn Tage nach Afghanistan. Von Termez, der Versorgungsdrehscheibe in Usbekistan, ging es über Feyzabad, Kunduz und Kabul nach Kandahar im Süden Afghanistans. Über Mazar-e-Sharif kehrte ich schließlich via Termez zurück nach Berlin. Mit Blick auf meinen bisher längsten Besuch in einem Einsatzland fühle ich mich in meiner grundsätzlichen Haltung bestätigt, als Wehrbeauftragter mindestens einmal im Jahr alle Einsatzgebiete zu besuchen. Wie notwendig es ist, sich persönlich ein Bild von der Lage vor Ort zu verschaffen, wird besonders in Afghanistan deutlich. Vor einem Jahr war mein Besuch von dem Anschlag in Kunduz geprägt, bei dem drei deutsche Soldaten getötet worden waren. Damals standen die Trauer und die Betroffenheit der Kameraden im Mittelpunkt aller Gespräche. Dieses Mal waren es ganz unterschiedliche Themen, die von den Soldatinnen und Soldaten aufgegriffen wurden.

Grundsätzliche Fragen, die mit der Sinnhaftigkeit des Auftrages und den politischen Rahmenbedingungen zu tun haben. Immer wiederkehrende Fragen, mit denen ich auch schon bei früheren Besuchen konfrontiert wurde, wie Unterbringung, Verpflegung oder Arbeitsbelastung. Und nicht zuletzt ging es um das große Feld der Betreuung. Dazu gehört unter anderem auch das, was unsere beiden großen Kirchen in den Einsätzen vorhalten. Beispielsweise in Form der "Oasen". Hier wird den Soldaten die Möglichkeit geboten, am Ende eines oft recht harten und belastenden Tages etwas Geselligkeit im Kameradenkreis zu finden, sonntags am Gottesdienst teilzunehmen oder ganz einfach die "Seele baumeln zu lassen". Ein Soldat drückte es mir gegenüber so aus: "Die Oase ist für mich ein Stück Heimat!"Gerade weil ich die besondere Bedeutung der "Oasen" bei meinen Besuchen immer wieder wahrnehme, unterstütze ich die berechtigte Forderung der Soldatinnen und Soldaten, in allen Einsatzgebieten einen solchen Ort zu schaffen. Für Außenstehende ist diese Bedeutung nicht immer nachvollziehbar. Aber auch bei manchen Verantwortlichen in der Bundeswehrverwaltung werden die "Oasen" hin und wieder als "Frittenbude" oder "Kostenstelle" definiert.

Wie wichtig die "Oase" für unsere Soldaten im Truppenalltag ist, wurde mir besonders in Kabul deutlich. Unabhängig von den segensreichen Angeboten der Militärseelsorge bietet sie hier eine wichtige Alternative zur Truppenverpflegung, die von der französischen Armee verantwortet wird. Wegen der unzureichenden Qualität des Essens verzichtet etwa die Hälfte unserer Soldaten darauf und geht stattdessen in die "Oase" im "Camp Warehouse". Viele Soldaten verbinden mit dieser Stätte auch wunderbare Erfahrungen: Firmungen, Taufen, tröstende Gespräche, gegenseitige Stärkung und Hilfe in schwierigen Lebenslagen. In den "Oasen" - so formulierte es ein Soldat - finden die Kameradinnen und Kameraden das, was im Einsatz ganz obenan stehen soll, nämlich "Kameradschaft pur"! Ein solcher Ort wird in jedem Einsatz gebraucht und muss für die Truppe erhalten bleiben.